Klaus-Peter Behrens

Der Kater und der wilde Norden 2

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Mit einem Ächzen rollte ich ein weiteres, stark verkohltes Mauerteil weg, das den Eindruck erweckte, als habe es längere Zeit im ewigen Feuer der Dunkelgruben verbracht oder eine ausgiebige Behandlung durch den Drachen Boroogad genossen.

Wie sollte ich mein Labor jemals wieder funktionsfähig bekommen?

Ich fluchte angesichts der Unmöglichkeit der Aufgabe.

Zumindest haste jetzt ne gute Rundumsicht so ohne Dach und Wände“, ertönte hinter mir eine miauende Stimme. Mit der Lässigkeit seiner Gattung kletterte der Kater über die Reste dessen, was einst mein stolzes Labor gewesen war. Niedergeschlagen ließ ich mich auf etwas nieder, das vermutlich mal mein Arbeitspult gewesen war, stützte die Ellbogen auf meinen Knien ab, bettete mein müdes Haupt in meine Hände und fragte mich, was der Kater wohl wollte.

Im Zweifel nichts Gutes.

Dynamik sieht anders aus“, kommentierte dieser mein Befinden. Ich ignorierte ihn, schloss die Augen und genoss die wärmenden Strahlen der bereits tief stehenden Sonne.
Der kleine Haarige hatte ne düstere Story auf Lager“, versuchte der Kater, mein Interesse zu wecken.
Hmm.“
Ich beschloss, mich nicht locken zu lassen.
Er hat Nachricht von einer fast aufgegebenen Mine hoch oben im Norden erhalten, noch hinter den Bergen des ewigen Nebels. Aus einigen Dörfern sind plötzlich alle Bewohner verschwunden, nachts hört man unheimliche Geräusche, finstere Kreaturen sollen gesichtet worden sein und selbst in den Tiefen der Mine soll etwas umgehen, dem man besser nicht begegnet. Ein paar Zwerge sollen da unten auch schon die Spitzhacke für immer beiseite gelegt haben.“
Hoch im Norden also“, merkte ich gelangweilt an, während ich versuchte, meinen Rücken anzulehnen. Keine einfache Aufgabe, wenn die Rückenlehne aus verkohltem Schrott besteht.
Ja, gefühlt am anderen Ende der Welt. Man muß reißende Flüsse, finstere Wälder, tiefe Schluchten und hohe Berge überwinden, um hinzukommen. Da trifft man auf ne Menge unerfreuliche Zeitgenossen, die einem ans Leder wollen.“
"Gut, dass das so weit weg ist", seufzte ich beruhigt.

Kommt drauf an, aus welcher Sicht man das betrachtet. Du wirst dich nämlich dahin auf die Socken machen“, verkündete der Kater mir bedeutungsvoll.
Ich sah irritiert auf und stellte den Versuch, meine Haare mittels Durchwuschelns von dem allgegewärtigen Kohlestaub zu befreien ein.

Wie war das?“, fragte ich ungläubig nach.

Abenteuerurlaub!“, maunzte Mikesch mit einem Vergnügen in der Stimme, das ich beim besten Willen nicht nachempfinden konnte. „Unser allwissender Fürst ist der Ansicht, dass man da mal nachsehen sollten. Er ist überzeugt, dass dieser Ausflug für dich eine interessante Erfahrung und für seine Burg eine verdiente Atempause sei, bevor du sie bis auf die Grundmauern abfackelst.“
Kommt nicht infrage“, wehrte ich das Ansinnen zurück.
Zehntausend Goldtaler“, maunzte Mikesch, wobei er interessiert die Krallen seiner rechten Pfote inspizierte.
Nicht mal dafür würde...“
Falsch Merlin, das kostet der Wiederaufbau dieser verkohlten Ruine. Du kannst gleich bei Ignaz bar bezahlen oder die Koffer packen“, unterbrach der Kater mich gelassen.
Ich kochte. Warum geriet ich immer nur in solche Situationen?
Bleib entspannt, ich begleite dich.“
Du!“
Ich stöhnte.
Das wird ja immer schlimmer“, fluchte ich in Erinnerung daran, was mir beim letzten Mal dank der Begleitung des Katers alles zugestoßen war. Es war ein Wunder, dass ich das überlebt hatte. Da konnte ich mich gleich in die Tiefe stürzen. Im Ergebnis lief das auf dasselbe hinaus. Ich war so gut wie tot. Allerdings machte mich die Bereitschaft des Katers, mich auf diesen Höllentrip zu begleiten, neugierig. So wie ich ihn kennengelernt hatte, tat er nichts, was ihm nicht persönlich von Nutzen war.
Warum willst du mit?“, fragte ich das schmollende Fellbündel. Offenbar hatte er mir meine Anmerkung hinsichtlich der Nützlichkeit seiner Begleitung übel genommen. Erstaunlich für jemanden, in dessen Wortschatz die Bezeichnung „sensibel“ nicht vorkam.
Da oben soll etwas leben, das mich interessiert“, erwiderte er vage. Anmutig sprang er auf den verkohlten Mauerrand und blickte sehnsüchtig dorthin, wo die Sonne nie zu sehen war.
Ich war verwirrt. Was wollte der Kater im Norden?
Seit wann interessierst du dich für finstere Kreaturen?“, hakte ich nach.
Katzen nicht Kreaturen...“, klärte Mikesch mich mit eine Stimme auf, die seine Aufregung verriet. Mit einem gewaltigen Satz landete er direkt vor meinen Füßen und sah mich mit beunruhigendem Tatendrang an. „Den Legenden nach sollen nur im hohen Norden welche leben. Was sagst du dazu?“, fragte er, während er um mich herum schlich, als würde er eine schmackhafte Beute einkreisen.
Nun, ich denke, das würde erklären, warum die dort fluchtartig die Dörfer verlassen haben“, resümierte ich das Offenkundige und kassierte dafür einen halbherzigen Tatzenhieb.
Wenn wir auf welche treffen, gebe ich dich zum Fressen frei“, fauchte der Kater mich beleidigt an.
Ich hob beschwichtigend beide Hände.
Schon gut, mal im Ernst, was versprichst du dir davon?“
Mikesch streckte sich und warf mir einen Blick zu, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte.
Der kleine Kater würde gerne eine Familie gründen. Da die Auswahl hier nicht so üppig ist, muß der Prophet zum Berg gehen. Capiche?“, maunzte er mit wehmütiger Stimme.
Ich war erstaunt. Der Kater als Familienvater. Eine Vorstellung, die mir schwer fiel.
Du magst keine Pflichten“, rief ich ihm in Erinnerung.
Darum wirst du Patenonkel. Alles schon durchdacht.“
Aber...“
Hör auf rumzusülzen und geh lieber packen. Bei Sonnenaufgang will Ignaz deinen Hintern von hinten sehen. Wir fahren in den Urlaub.“
Ohne auf eine Erwiderung zu warten, entschwand der Kater durch das, was einst die Tür zu meinem Refugium gewesen war. Wütend trat ich gegen ein Stück Holz, worauf mich eine schwarze Qualmwolke einhüllte, so dass ich wie ein Schwindsüchtiger husten musste. Irgendwie war das nicht mein Tag, und es sah ganz danach aus, als würden die nächsten auch nicht besser werden.

...wird in ca 14 Tagen fortgesetzt..

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.04.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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