Hajo Schindler

Außer Spesen nichts gewesen

Grundsätzlich gehört für mich zu einem guten Frühstück auch immer eine Tageszeitung. Vor einigen Tagen kam mir beim Lesen eines Artikels die Galle hoch, ich bekam Schnappatmung und meine Augen tränten. Ich musste mehrfach beim Lesen innehalten, schlucken, bekam Schaum vor den Mund, das Croissant blieb mir fast im Halse stecken und der Kaffee wurde kalt. Zunächst dachte ich, es handele sich um einen Aprilscherz.

 

Über eine halbe Seite der Tageszeitung wurde da über die Arbeit eines Gremiums berichtet, von dessen Existenz ich bis dato nichts wusste. Das Kuriose war und ist: Der nur einen Steinwurf von mir entfernt wohnende SPD-Landtagsabgeordnete hat, nachdem es Kritik an dem damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet einberufenen Expertenrat Corona gab, seit April 2021 den Vorsitz im 13-köpfigen sogenannten parlamentarischen Begleitgremium Covid-19-Pandemie inne: ein Gremium, das einmalig ist, denn es gibt dieses in keinem anderen Bundesland.

 

Mir schwante nichts Gutes, denn bindende Entschlüsse konnte dieses Gremium nicht fassen, es sollte nur Handlungsempfehlungen für die Arbeit des Ministerpräsidenten zusammenstellen, stand da schwarz auf weiß in dem Artikel.

 

Ich sah es deutlich vor mir, wie die 13 Parlamentarier in nervenaufreibenden Stunden sicher bis spät in die Nacht bzw. in die frühen Morgenstunden zusammensaßen und um mehrheitliche Beschlüsse rangen. Sie redeten, redeten, redeten, diskutierten, diskutierten, argumentierten, argumentierten, schwafelten, schwafelten, schwafelten und palaverten, palaverten, …….. wirres Zeug. Aber anstatt zu einem Ergebnis zu kommen, blieben alle in ihrem Fraktionsställchen, dort hatte jeder für sich recht und die anderen waren natürlich im Unrecht, wie das nun mal in der Politik so ist. Das Ende vom Lied: Es gab keinen Konsens, keine verwertbaren Ergebnisse. Und im Anschluss an die Nullergebnisrunde suchten sie die Schuld beim anderen, weil ja im eigenen Laufställchen alles stimmig war.

 

Also……obwohl sich dieses Gremium nie einig wurde - konnte es doch seit seiner Einsetzung vor einem Jahr keine einzige Handlungsempfehlung an die Landesregierung geben - hofft mein „Nachbar“, dass es weiter existieren wird. Die Hoffnung stirbt eben - wie so oft - zuletzt. Er bezeichnete das Gremium in der Zeitung als sehr wichtig.

 

Fazit: Am Ende herrschte wohl Klarheit in der Unklarheit oder anders formuliert: Man war sich einig, dass man sich nicht einig war. ( So gesehen, gab es ja an sich doch eine Einigkeit.) Diese Meetings standen unter dem Motto: Gut, das wir zumindest darüber geredet haben. Eine überzeugende, zweifellos unbestreitbare und mich beunruhigende These hörte ich dennoch aus dem Mund meines "Nachbarn": „Corona ist nicht vorbei trotz Lockerungen“. Eine Erkenntnis, mit der dieses Gremium - wie ich vermute - gut leben kann.

 

Ich weiß nicht, warum mir in diesem Moment die Redensart „Außer Spesen nichts gewesen“ durch den Kopf ging.

 

Ich konnte durchaus nachempfinden, was mein „Nachbar“ in den zurückliegenden Monaten so alles aushalten, einstecken musste. Ich erinnerte mich an die unzähligen Zusammenkünfte, Sitzungen, Meetings in meinem Berufsleben, kenne solche desolaten Situationen also auch. Als Trost oder aus Verzweiflung - ich weiß es nicht genau - habe ich mir dann immer aus diesen Schwafelrunden zumindest einen Kugelschreiber mitgenommen, damit die ergebnislosen Verhandlungen für mich wenigstens etwas Positives hatten, denn neue Ideen, wichtige Impulse oder innovative Denkansätze gab es nicht, konnte ich nicht sammeln.

 

Nicht immer, aber immer öfter geht es bei den Meetings um Rangkämpfe, um Imagepflege, um Machtspielchen. Sachverstand bleibt vor der Tür. So läuft das oft bei diesen Gesprächsrunden ab: Ideen werden nicht angeschoben, sondern ausgebremst. Experimente nicht gewagt, sondern verhindert. Eigentlich schade.

Wenn mir mein „Nachbar“ demnächst wieder über den Weg läuft, werde ich ihn auf den Artikel in der Zeitung ansprechen und ihm meine Kugelschreiber- Handlungsempfehlung mit auf den Weg geben. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob er sie befolgen wird, denn es könnte durchaus sein, dass sich auf seinem Schreibtisch in seinem Wahlkreisbüro die Kulis nur so türmen.

 

Wie geht es aber weiter, wo liegt der Schlüssel zum Erfolg?

 

Eine mögliche Lösung wäre vielleicht die Methode eines Konklaves: Bei der Papstwahl werden die Kardinäle eingeschlossen, bis sie sich auf einen Kandidaten geeinigt haben. Ein lösungsorientierter Ansatz zu dem im oberen Teil meiner Ausführungen könnte sein: Warum also die Parlamentarier nicht auch einschließen, bis sie zu einem Ergebnis, einer Handlungsempfehlung gekommen sind, anstatt sie frühzeitig für die nächste Wahl auf sicheren Landeslistenplätzen zu positionieren oder wie jetzt aktuell in die Osterferien zu entlassen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.04.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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