Manche Leute, die auf dem Lande leben, haben eine besondere Beziehung zur Natur,
Diese Beziehung ist so stark, dass sie sozusagen aus allen Nähten platzt und
an jeder Ecke, jeder Nische, jedem Zaun, in jedem Fenster dokumentiert werden
muss. Sie ist allgegenwärtig und höret nimmer auf, auch nicht nachts, denn
da erstrahlt sie in künstlichem Licht.
Meine Nachbarin ist besonders naturverbunden, oder genauer gesagt, tierlieb.
An ihrem Weiher steht ein Reiher (!), natürlich originalgroß, ringsherum sitzen unbeweglich
sehr grüne Frösche, von sehr klein bis sehr groß, und die hohlen Goldfische im
Teich teilen sich das mückenfreundliche Wasser mit immer mehr Enten, aber der
Teich wird nicht größer. Dennoch wird er bewacht von einem stummen Hahn mit
seiner Familie.
Hinter den Fensterscheiben teilen die Möwen mit den roten Füßen ihren Lebensraum
mit unverwelkbaren Orchideen.
Am schönsten aber ist es gleich hinter unserem gemeinsamen Gartenzaun. Direkt neben
dem Eingang äsen zwei lebensgroße rostige Rehe, gefolgt von einer überdimensionierten
Schnecke, die von einem Igel verfolgt wird, über dessen Haupt eine Vogelfutterstelle
mit knallrotem Dach schwebt, und gleich dahinter und darunter erhebt sich mit knallroter
Kappe ein gewaltiger Giftpilz und schimmert durch die Zwischenräume im Zaun. Mein
Verhältnis zu Zwischenräumen ist enger geworden.
Wenn ich all meinen Mut zusammennehme, könnte ich an einer Stelle, wo die Äste einen
'Durchblick ermöglichen, zwei winzige Plastikbananen aufhängen oder aber fünf schwarze
Plastik-Stiere mit weißen Hörnern, je 3 cm groß. Aber ob ich mich das traue, weiß ich noch
nicht.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.05.2022.
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