Heinz-Walter Hoetter

Vier geheimnisvolle Kurzgeschichten

1. Das Geheimnis der SS Hyperion

2. Das Geheimnis der Trias-Muschel

3. Das Geheimnis von NOXOS

4. Die geheimnisvolle Stadt der Fremden


 

***


 

1. Das Geheimnis der SS Hyperion


 

Dunkle Gewitterwolken hingen düster am neu entdeckten Planetenhimmel. Es regnete in Strömen.

 

Angestrengt schaute Commander Tyrion Maybeelen durch das getönte Panzerglas des quadratischen Beobachtungsturmes, der hoch droben sicher auf einer felsigen Anhöhe am Rande eines weitverzweigten Flusses stand, der von einem wuchernden, schier endlos erscheinenden, giftgrünen Urwald gesäumt wurde.

 

Der geräumige Turm war Teil einer komplexen Außenstation, die ringsherum von einer mehr als sechs Meter hohen und fast mehr als fünfzig Zentimeter dicken, extra harten Kunststoffmauer umgeben war. Das obere Ende wurde durchgängig von einem rot leuchtenden Laserstrahl permanent gesichert, der jedes Mal laut knisterte, wenn ihn herab prasselnde Regentropfen trafen.

 

In der Ferne zuckten heftige Blitze durch eine graue Regenwand. Nur schwach konnte man die Silhouetten der gewaltigen Berge am Horizont erkennen, die hinter einem dichten Vorhang aus Wasser lagen.

 

Die Blitze kamen immer näher, gefolgt von dröhnenden Donnerschlägen, die die einsam da liegende Außenstation erbeben ließen. Plötzlich gingen die Lichter aus und die Notbeleuchtung schaltete sich ein. Eine Sirene heulte mehrmals kurz hinter einander auf, die aber, wegen eines offensichtlichen Fehlalarms, bald wieder verstummte.

 

Dem ganzen Geschehen haftete etwas Irreales an. Außerdem hatte dieser erdähnliche Planet, auf dem es scheinbar die meiste Zeit nur regnete, bisher noch keinen Namen erhalten. Vielleicht sollte man ihn „Seeworld“ nennen, dachte sich der Commander, weil er nur aus zwei kleinen Kontinenten bestand, die zusammen ein Fünftel der sichtbaren Landmasse ausmachten. Vier Fünftel des Planeten waren mit Meerwasser bedeckt.

 

Darüber hinaus wusste Commander Tyrion Maybeelen, dass da draußen ein gestrandetes Raumschiff lag und einige seltsam anmutende Wesen existierten, die sogar mehrmals versucht hatten, in das Innere ihrer Außenstation zu gelangen. Aufgrund dieser Tatsache hatte die künstliche Intelligenz (KI) zwingend die höchste Alarmstufe ausgelöst. Alle Waffensysteme waren vorsorglich aktiviert worden und im Bedarfsfall sofort einsatzbereit.

 

Eigentlich war es nicht das Ziel ihrer Mission gewesen, havarierte Raumschiffe oder eine außerirdische Spezies zu entdecken, sondern sie hatten einfach nur in Erfahrung bringen wollen, was da draußen war, als diese schemenhaften Erscheinungen auf den Monitoren ihrer ferngesteuerten Erkundungsfahrzeuge plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht waren, um gleich darauf wieder zu verschwinden, als hätte es sie nie gegeben.

 

Es galt die Maxime: Exakte Aufklärung diente der allgemeinen Sicherheit, denn ohne Sicherheit war an eine ungestörte Forschungs- und Erkundungsarbeit nicht zu denken. Einige der Bordwissenschaftler der Firebird II, die sich mit neu entdecktem Leben auf Exo-Planeten beschäftigten, hielten es daher für dringend erforderlich, sich so schnell wie möglich mit der fremdartigen Kreatur zu befassen und forderten deshalb gleich mehrere Suchexpeditionen an, um die geheimnisvollen Wesen aufzuspüren.

 

Der oberste Raumschiffrat der Firebird II, dem auch Commander Tyrion Maybeelen angehörte, hatte nach Lage der Dinge nichts dagegen und erteilte die Genehmigung zur Durchführung der von den Forschern beabsichtigten Expedition. Schon bald begannen die Suchmannschaften damit, die weit voneinander entfernt liegenden Kontinente in großer Höhe mit Raumfähren zu überfliegen, um sie mit ihren hochempfindlichen Bioscannern flächendeckend abzutasten. Für die abgelegenen Inseln, auf die man überall verstreut in den unendlich erscheinenden Wassermassen gestoßen war, setzte man unbemannte Flugdrohnen ein, die den gleichen Suchauftrag hatten.

 

Ein anderer Teil der Crew war ebenfalls mit einigen der zahlreich vorhandenen Landefähren des gewaltigen Explorer Raumschiffes, das weit oben im Orbit kreiste, auf dem Regenplaneten gelandet, um die bevorstehende Suche nach möglichen Rohstoffvorkommen vorzubereiten. Der verbliebene Rest der Besatzung errichtete parallel dazu mit zahlreichen Androiden zusammen die Außenstation am Rande eines Felsplateaus, zu dessen Füßen sich ein breiter Fluss in zahllosen Windungen bis zum Horizont durch den dichten Dschungel träge dahin schlängelte.

 

Die Station erhielt nach ihrer Fertigstellung den Namen ‚Refuge’ und wurde überwiegend aus vorgefertigten Bauelementen zusammengesetzt. Sie hatte mehr Ähnlichkeit mit einer Bunkerverteidigungsanlage, als mit einer wissenschaftlichen Forschungseinrichtung. An allen strategisch wichtigen Punkten waren darüber hinaus gefährlich aussehende, vollautomatisch arbeitende Lasergeschütze postiert.

 

Es gab auch keine Fenster, höchstens ein paar kleine Bullaugen aus dickem Panzerglas. Im Innern war alles so praktisch und optimal wie möglich ausgestattet worden. Jedes einzelne Gebäude konnte von den übrigen durch schwere Sicherheitsschotts hermetisch abgeriegelt werden, um im Ernstfall nicht die ganze Station zu gefährden. Größtmögliche Sicherheit war stets das oberste Gebot.

 

Die Raumschiffbesatzung der Firebird II hatte die Welten weit zurück gelassen, auf denen sich menschliche Siedlungen befanden. Sie waren damit ein hohes Risiko eingegangen. Aber was tat man nicht alles, wenn lukrative Gewinne lockten, die mächtige interplanetarische Minengesellschaften dafür zahlten, wenn neue für sie wichtige Rohstofflagerstätten auf irgendwelchen Planeten in der Galaxis gefunden wurden.

 

Fakt war aber auch, dass die intergalaktische Raumflotte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden durfte, wenn z. B. existenzielle Gefahr für Besatzung und Raumschiff bestand. Dafür gab es genau festgelegte Notfallpläne, die sogar vorsahen, dass die künstliche Intelligenz (KI), auch ohne Zustimmung der obersten Kommandoführung, Zeitsprung fähige Schlachtschiffe der intergalaktischen Raumflotte anfordern konnte, die mit ihrem schrecklichen Waffenarsenal dazu in der Lage waren, ganze Planeten in Schutt und Asche zu verwandeln. Alle Mitglieder eines Raumschiffes im Universum schätzten natürlich diesen Sicherheitsservice ungemein, denn er bedeutete in vielen Fällen oft auch Rettung aus höchster Lebensgefahr.

 

Plötzlich ertönte eine bassartige Stimme aus dem Lautsprecher. Commander Maybeelen zuckte unwillkürlich etwas zusammen.

 

Hier Landefähre ‚Libelle’. Wir sind unterwegs, Tyrion. Die Flugzeit wird etwa noch vier bis fünf Minuten dauern.“

 

Seid nach der Landung vorsichtig, wenn ihr da rausgeht. Geht direkt zu der Luftschleuse. Habt ihr den E-Generator mitgenommen?“

 

Na klar. Wir haben auch den Hochenergielaser und einige Magnetkäfige dabei. Wir werden trotzdem vorsichtig sein. Mach dir keine Sorgen, Tyrion.“

 

Vorsicht ist besser als Nachsicht, Messias. Zielkoordinaten sind eingegeben. Zielort ist die zweite nördliche Luke der Außenstation.“

 

Verstanden, Tyrion. Schade, dass wir die Flugtore nicht öffnen und mit der ‚Libelle’ in die Bodenstation direkt rein fliegen können.“

 

Tut mir einen Gefallen und macht es so, wie wir es vorher besprochen haben. Die Sicherheit hat absolute Priorität. Setzt die Kampfandroiden zum Transport der Gerätschaften ein und kommt mit euren eigenen Waffen nach der Landung sofort zu mir.“

 

Okay, Tyrion. Wir sind gleich da. Wir sehen bereits die nördliche Luke. Wir nähern uns kontinuierlich dem markierten Landeplatz. Die Positionslichter sind trotz des heftigen Dauerregens deutlich zu erkennen.“

 

Tyrion an Messias und Stronghold. Ich werde die Entriegelung sofort freigeben, sobald ihr gelandet seid.“

 

Wir haben verstanden. Setzen jeden Moment auf. Wir sind so weit. Öffne jetzt die äußere Schleuse, Tyrion!“

 

Vorsichtig Männer! Das Wetter spielt hier unten verrückt. Das Wasser steht kniehoch. Die Sicht ist mehr als nur schlecht. Wir wissen auch nicht, ob einige von den seltsam aussehenden Kreaturen in der Nähe unserer Station herumschleichen.“

 

Wir haben die Scanner aktiviert. Der Autopilot steuert tadellos. Wir sind gelandet. KI schaltet Atmosphärentriebwerke ab und geht in Bereitschaft. Ich sehe gerade, dass die äußere Luftschleuse offen ist. Alles klar, Tyrion. Wenn wir drinnen sind, gebe ich dir umgehend Bescheid.“

 

Sehr gut Männer! Macht weiter so!“

 

Besatzung der ‚Libelle’ an Tyrion. Haben die Fähre verlassen. Wir sind jetzt in der äußeren Luftschleuse. Die Androiden sind bei uns. Ihre Verteidigungssysteme sind aktiviert. Schließe das äußere Tor und öffne die innere Sicherheitsluke. Bis jetzt ist alles noch im grünen Bereich.“

 

Okay Männer! Äußeres Schott geschlossen, inneres geöffnet. Die Luftschleuse ist sicher. Ich erwarte euch im Bereitschaftsraum. Wir sehen uns dann gleich.“

 

Alles in Ordnung, Commander. Schalten jetzt auf stationäre Kommunikation um.“

 

Roger, Messias. Die KI hat alles mitgehört und hält die Verbindung mit dem Mutterschiff aufrecht. – Ende der Durchsage.“

 

Ein paar Minuten später betraten Othello Messias und Pit Stronghold den geräumigen Bereitschaftsraum. Nach einer kurzen Pause mit anschließender Besprechung bereitete man sich auf die Erkundung des fremden Raumschiffes vor, das auf der anderen Flussseite wie verloren im dichten Dschungel lag. Zwei mächtige Kampfandroiden nahm man zur Sicherheit mit.

 

Die KI an Bord der Firebird II zeichnete alles auf, was in der Außenstation, in den einzelnen Landefähren, auf der Brücke, im Frachtraum oder im Maschinenraum passierte. Es gab kein Bereich, der von ihr nicht abgehört und mitgeschnitten wurde. Allerdings konnte sie mittels eines bestimmten Codes auch abgeschaltet werden, um beispielsweise ein privates Gespräch führen zu können oder wenn es generell um die Einhaltung der Privatsphäre ging. Allerdings konnte man in dieser Hinsicht nie ganz sicher sein. Manche Besatzungsmitglieder glaubten nämlich, dass sich die KI nur zum Schein abschaltete, weil ihr die Sicherheit der Crew, die Einsatzfähigkeit und die Unversehrtheit der Firebird II wichtiger war als alles andere. Für die KI konnte so was wie Geheimhaltung oder ähnliches nicht geben.

 

***

 

Commander Tyrion Maybeelen, Steuermann Othello Messias und der Navigator Pit Stronghold flogen mit der Landefähre ‚Libelle’ zu dem unbekannten Raumschiff hinüber, das etwa sechs oder sieben Meilen vor ihnen auf einer Lichtung im Urwald stand. Sie umrundeten in geringer Höhe das Schiff und konnten keinerlei Anzeichen einer Beschädigung ausmachen. Auch auf der Brücke, die sich hoch über dem Rumpf befand, schien alles in Ordnung zu sein.

 

Die Kennzeichnung auf der Außenhaut des Schiffes war allerdings verbrannt und dadurch unlesbar geworden. Die KI bekam während dessen den Auftrag, das fremde Raumschiff aufgrund seiner äußeren Bauform zu identifizieren.

 

Messias, bring uns längsseits zur Haupteinstiegsluke und lande dort“, ordnete Commander Maybeelen an. Der Steuermann führte den Befehl aus und setzte die kleine Fähre auf den weichen Dschungelboden auf. Dann kontrollierten sie ihre Sicherheitsdruckanzüge und verließen, als die Lampen der Schleuse grün aufleuchteten, die kleine Landefähre und gingen hinüber zu dem unbekannten Raumschiff, das wie ein gigantisch aussehender, lebloser Körper eines Wales aussah.

 

In diesem Augenblick meldete sich die KI über den internen Funk.

 

Commander, ich habe interessante Nachrichten für Sie. Nach den Umrissen zu urteilen handelt es sich bei dem Raumschiff offenbar um die verschollen geglaubte SS Hyperion, die nach geheim gehaltenen Berichten der Sternenflottenadministration vor mehr als zwanzig Jahren von der gewaltigen Schockwelle eines explodierenden Riesensternes erfasst und dann, ähnlich wie ein Stück Treibholz in der Flut, von dieser mehrere Lichtjahre weit mitgerissen wurde. Seit dem Zeitpunkt galt sie als vermisst, weil kein Not- bzw. Peilsignal von der SS Hyperion aufgefangen werden konnte. Doch wie es jetzt aussieht, hat der Autopilot das Schiff nach jener überraschend eingetretenen Kollision noch bis zu diesem Planeten geflogen, wo er dann notgelandet ist. Was dann aus der Besatzung wurde, darüber steht nichts in den Aufzeichnungen. Man nimmt jedoch an, dass alle Besatzungsmitglieder der SS Hyperion nach und nach gestorben sind. Anscheinend hat keiner der über zweihundert Männer und Frauen, die sich an Bord des Schiffes befanden, die nachfolgenden Strapazen auf diesem Planeten überlebt. Trotzdem könnten meinen Überlegungen nach wahrscheinlich noch einige Mitglieder der Crew am Leben sein. Der Planet verfügt besonders in den Meeren über fischreiche Nahrungsvorkommen. Leider haben wir bis jetzt keine verwertbaren Daten darüber, ob die vorgefundene Flora und Fauna auch für Menschen genießbar ist. Das müssen wir erst noch untersuchen. Wir sind aber schon dabei.“

 

Waren Androiden mit an Bord der SS Hyperion?

 

Nein, Commander. Die sündteuren Androiden sind ausschließlich ein Privileg der Raumschiffe der Explorer-Klasse und der Zeitsprung fähigen Schlachtschiffe der intergalaktischen Raumflotte. Damals, wie heute. Die SS Hyperion gehörte außerdem einer privaten interplanetarischen Fluggesellschaft, die viele Jahre lang ausgesuchte Kolonisten zu weit abgelegenen Planetensystemen brachte. Sie stand für ihre Mission damals jedoch bei der intergalaktischen Raumflotte vorübergehend unter Vertrag und diente einem geheimen Auftrag. Näheres kann ich ihnen dazu nicht sagen.“

 

Danke KI. Jetzt wissen wir wenigsten Bescheid, dass es sich um kein direktes Schiff unserer eigenen Raumflotte handelte. Es war eine privates. Vielleicht finden wir heraus, was mit der Besatzung passiert ist. Ich denke, wir sind es ihr schuldig. Es waren mutige Männer und Frauen, an die wir uns erinnern sollten.“

 

***

 

Das ovale Bedienfeld des monströsen Außenschotts funktionierte einwandfrei, und schon nach kurzer Zeit öffnete sich die Einstiegsluke. Die Männer in ihren Schutzanzügen traten in die Luftschleuse; die Luke schloss sich hinter ihnen automatisch. Dann öffnete sich surrend die Innenluke.

 

Es war dunkel im Innern des havarierten Raumschiffes. Die Temperatur lag etwas höher als draußen. Dafür war es trocken. Die drei Männer schalteten ihre Schulterlampen an und nahmen die Druckhelme ab, nachdem die Sensoren die Atemluft als ausreichend sauerstoffhaltig, sauber und normal anzeigte.

 

Commander Tyrion Maybeelen rief den Code aus, um die KI des Schiffes anzusprechen. Er hätte ihr zwar keine Anweisungen erteilen können, aber wenn sie noch intakt geblieben ist, müsste sie ihm antworten. Nichts rührte sich jedoch.

 

Stronghold schüttelte den Kopf.

 

Sie arbeitet nicht, obwohl anscheinend noch genug Energie vorhanden ist. Mein Energiescanner zeigt an, dass circa achtzig Prozent der Antimaterie noch vorhanden sind“, sagte er bitter.

 

Der Steuermann Messias ließ seine Lampe über die Inneneinrichtung gleiten. Mittlerweile befanden sich alle drei in der zentralen Befehls- und Gemeinschaftshalle. Ihre Ausmaße waren so groß wie ein Kino und konnte mindestens zweihundert Personen locker Platz bieten.

 

Der Commander ging auf die Brücke, die sich weiter oben auf der dritten Ebene befand. Nach ein paar Minuten war er wieder zurück und informierte seine beiden zurückgebliebenen Männer.

 

Keine Seele an Bord. Auch nicht auf der Brücke. Niemand da. Und was noch seltsamer ist, man kann nirgendwo eine Beschädigung feststellen. Das Raumschiff ist sogar noch nach all den Jahrzehnten vollkommen flugtauglich. Es muss nicht einmal technisch überholt werden. Das zeigt jedenfalls die Analyse meines Recorders an, der die Daten überprüft. Wenn die KI funktionieren würde, könnte sie sogar das Licht wieder einschalten. Wir müssten dazu in den Maschinenraum, der sich am Heck des Schiffes befindet. In einem Nebenraum sind alle Hauptsicherungen untergebracht, sowohl für die E-Generatoren, als auch für die gesamte elektrische Anlage des Raumschiffes.“

 

Ob die gesamte Besatzung der SS Hyperion tot ist?“ fragte der Navigator Pit Stronghold mit nachdenklichem Gesicht in den Hallen ähnlichen Raum hinein und schaute dann seinen Commander an.

 

Der fühlte sich angesprochen und zuckte mit der Schulter.

 

Kann ich nicht sagen. Ich selbst habe nicht die geringste Ahnung, was mit den Männern und Frauen der SS Hyperion geschehen ist“, antwortete Commander Maybeelen.

 

Aber es besteht die Möglichkeit von Überlebenden“, warf der Steuermann Messias ein und schaute mit fragendem Blick in die Runde. Dann sprach er mit leiser Stimme weiter.

 

Das Schiff verfügte zum Zeitpunkt der Schockwellenerfassung offenbar noch über ein intaktes Schutzschild, andernfalls wäre es zerstört worden. Es wurde mitgerissen und später vom Autopiloten hier hin gebracht, und zwar unversehrt, wie man eindeutig sehen kann. Wahrscheinlich hat die gesamte Besatzung den fürchterlichen Höllenritt auf der Schockwelle des explodierenden Sterns überlebt, aber dann die SS Hyperion nach der Landung auf diesem Planeten aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen verlassen. Unsere Bioscanner haben im gesamten Schiff bisher kein einziges menschliches Lebenszeichen entdecken können. Also, entweder sind sie alle tot oder es laufen von denen noch einige Überlebende hier auf dem verdammten Planeten herum. Das müssen wir unbedingt heraus bekommen. Vorher sollten wir mit unserer Rohstoffsuche nicht beginnen.“

 

Vielleicht sind ein paar von ihnen durchgedreht und haben sich gegenseitig umgebracht. Wer weiß, was die Besatzung durchgemacht hat, als sie von der Energie der Schockwelle erfasst und mitgerissen worden ist“, gab Pit Stronghold, der Navigator, zu bedenken.

 

Der Commander räusperte sich und fuchtelte etwas verärgert mit der rechten Hand in der Luft herum. Er wandte sich an Stronghold und sagte mit deutlich hörbarer Stimme:

 

Das ist eine waghalsige Theorie, mein lieber Pit. Jemand schnappt sich eine Waffe und läuft damit Amok. Das tut keiner dieser Raumfahrer und Kolonisten, die sich der Besiedelung fremder Welten verschrieben haben. Es sind allesamt gut ausgebildete, charakterstarke Männer und Frauen. Nein, nein..., jeder von ihnen hatte ein beispielhaftes Leben geführt und wäre zu so einer Tat grundsätzlich nicht fähig gewesen.“

 

Dennoch ließ ihn allein die Vorstellung daran schon schaudern. Sollte es tatsächlich einen irren Schlächter an Bord des havarierten Raumschiffes gegeben haben? Vielleicht sogar mehrere? Commander Tyrion Maybeelen schnitt diesen Gedanken einfach abrupt ab. Er wollte davon nichts wissen. Derart abstruse Überlegungen waren für ihn schlichtweg undenkbar.

 

Wir brauchen Licht. Geh’ in den Maschinenraum und suche nach den Hauptsicherungen“, befahl er seinem Steuermann Messias, der neben Stronghold stand. Kurz darauf machte sich Messias auf den Weg ins Heck der SS Hyperion. Nach etwa fünfzehn Minuten war er wieder zurück und öffnete eine graugrüne Abdeckplatte am Fuß des Pilotensitzes, der sich in einem eigenen Raum gleich unterhalb der Brücke befand.

 

Die elektrische Anlage ist in Ordnung. Irgend jemand muss die zentralen Hauptsicherungen der Knotenpunkte heraus genommen haben. Das ist eigentlich verboten, weil damit auch die KI abgeschaltet wird. Ich habe die Dinger wieder installiert.“

 

Dann griff er nach einem gelb markierten Schalter und schob ihn behutsam nach vorne. Anschließend drückte er eine Reihe blinkender Einschaltsensoren und mit einem Schlag ging überall die Bordbeleuchtung des Raumschiffes an. Auch die KI funktionierte plötzlich wieder.

 

Sie nannte sich ‚Quantenrose' und begrüßte die anwesenden Männer der Sternenflotte mit ihrer weiblichen Stimme.

 

Hallo, mit wem habe ich die Ehre?“

 

Ich bin Commander Tyrion Maybeelen vom intergalaktischen Explorerraumschiff Firebird II der Raumflotte. Prioritätenfrage! Was ist mit diesem Schiff und der Besatzung geschehen - Quantenrose?“

 

Commander, es tut mir wirklich Leid, aber ich verstehe Ihre Frage nicht“, antwortete die KI.

 

Ihr seid vor mehr als zwanzig Jahren hinter dem Andromedanebel von der Schockwelle einer explodierenden Sonne mitgerissen worden und Lichtjahre davon auf diesem Planeten notgelandet. Wir haben euch durch Zufall entdeckt, aber ohne die Crew des Schiffes. Wo ist die Besatzung der SS Hyperion, KI?“

 

Ich habe das Schiff auf den Sprung zurück zur Galaxie Milchstraße vorbereitet, da wir unsere Mission schon fast beendet hatten“, sagte die KI zum Commander Maybeelen.

 

Was ist dann passiert?“

 

Die KI zögerte etwas mit der Antwort.

 

Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Meine Erinnerungsspeicher sind leer. Jemand muss meine Datenaufzeichnungen gelöscht haben.“

 

Wer kann so etwas getan haben, KI?“ fragte der Commander.

 

Es gibt nur wenige Personen an Bord eines Raumschiffes, die auf den Datenspeicher einer KI zugreifen dürfen. Das Löschen der Daten ist allerdings strengstens verboten. Ein Backup ist zwingend vorgeschrieben, falls mal so ein Eingriff notwendig werden sollte.“

 

Die KI kann uns also nicht weiterhelfen. Wir werden uns demnach selbst auf die Suche machen müssen, was mit der Besatzung passiert ist. Wir bleiben in Sichtweite zusammen“, sagte Commander Maybeelen und gab den Befehl dazu, das Raumschiff genauestens zu inspizieren.

 

Sie durchschritten zuerst den Hauptkorridor. Der Commander berührte einen Taster an der ersten Tür. Es war genau jene, die zum Quartier des Captains führte. Die Kabine war leer, aber alle persönlichen Sachen befanden sich ordentlich aufgeräumt an ihrem Platz.

 

Auch die übrigen Kabinen der anderen Korridore waren ebenfalls leer. Das Gleiche galt für die Waschräume.

 

Unheimlich“, bemerkte Stronghold.

 

Was befindet sich unter diesem Deck?“ fragte der Commander über Funk die KI.

 

Frachtraum, Depot für die Landefähren, Waffenkammern usw.“, gab diese zur Antwort.

 

Sie gingen in einen der Personenaufzüge und ließen sich hinunterfahren. Doch auch hier unten war niemand.

 

Messias ging voran in den Frachtraum, dann hinüber zum Fährenhangar.

 

Sie näherten sich den dort fest verankerten Landefähren, dem einzigen Platz im ganzen Schiff, an dem sie noch nicht nachgesehen hatten. Jede einzelne Fähre wurde genauesten untersucht. Messias öffnete jede Luke und blickte hinein.

 

Niemand auf den Vordersitzen, niemand auf den Sitzen im hinteren Teil der Fähren.

 

Der Commander und seine Männer fühlten sich wie in einem Spukhaus.

 

Ich möchte zum Teufel noch mal wissen, was hier vorgegangen ist. Alles ist unversehrt geblieben. Man könnte schon fast glauben, jemand hat das Schiff in Schuss gehalten, um selbst damit fliegen zu wollen. Nur fehlte es bisher an der nötigen Besatzung“, sagte der Commander.

 

Sie machen wohl einen Scherz, Commander Maybeelen. Wer sollte denn so was Abgefahrenes vorhaben?“ fragte der Navigator Pit Stronghold leicht nervös.

 

War nur so ein Gedanke von mir, Pit. Reg’ dich ab!“ beschwichtigte der Commander seinen Navigator und ordnete an, die SS Hyperion wieder zu verlassen.

 

Sie schalteten das Licht aus und setzten das Raumschiff in den Energiesparmodus. Dann gingen sie durch die Luftschleuse hinaus, ließen die Außenluke offen und kehrten in ihre eigene Raum- und Landefähre zurück.

 

Die drei Männer waren froh, als sie wieder in den trockenen Räumen der Außenstation waren. Draußen regnete es immer noch wie aus vollen Eimern. Commander Maybeelen rief nach der KI und ließ sich mit dem Explorerraumschiff Firebird II verbinden.

 

Was werden Sie ihnen erzählen?“ fragte Stronghold?

 

Darüber denke ich noch nach. Mir bleibt ja doch nichts anderes übrig, als der obersten Administration das zu schildern, was wir bisher in Erfahrung bringen konnten, nämlich so gut wie nichts. Erfreulich ist nur der gute Zustand des Raumschiffes. Auf jeden Fall werden wir die SS Hyperion in sicherem Abstand zur Firebird II rauf bringen lassen. Wenn wir unsere Mission hier beendet haben, fliegen wir zusammen mit ihr zurück zur Erde“, sagte der Commander, setzte sich hin und ließ sich von der KI einen Kanal zur Kommandoführung der Firebird II frei schalten.

 

Die KI kam ihm zuvor.

 

Die oberste Raumschiffadministration hat eine wichtige Information für Sie, Commander. Ich habe Sie direkt durchgestellt. Sie können das Gespräch jetzt annehmen.“

 

***

 

Die Planetenforscher hatten für eine riesige Sensation gesorgt.

 

Nachdem der starke Regen etwas nachgelassen hatte, entdeckten die externen Bioscanner an der Außenhaut der Raumfähren schon nach kurzer Zeit an einigen Meeresküsten eine arthropodische Kreatur, die offenbar ein ausgesprochenes kulinarisches Interesse an menschlichem Fleisch hatte.

 

Die Außenstation wurde aufgrund dieser faszinierenden Entdeckungen unverzüglich um eine große exobiologische Abteilung erweitert, um exakte Forschungen vor Ort an dieser neu entdeckten Lebensform durchführen zu können.

 

Die vorwiegend marinen Lebewesen sahen aus wie jene Trilobiten, welche vom Kambrium bis ans Ende des Perm in den Urmeeren der Erde existierten.

 

Nur waren diese Dinger hier auf dem unerforschten Planeten um ein Vielfaches größer und schienen darüber hinaus nicht nur schnell und überaus flink zu sein, sondern verfügten offensichtlich auch über eine ziemlich hohe Intelligenz, was zumindest für jene Exemplare zutraf, die man dort unten entdeckt hatte.

 

Die Biologen für außerirdische Lebewesen vermuteten sogar, dass sie sich untereinander mittels eines komplizierten Lautsystems verständigen konnten. Sie krochen oft in großen Formationen bis weit ins Landesinnere, um auch dort nach Nahrung zu suchen. Es schien, als täten sie das ganz bewusst, um das Land zu erkunden. Wasser in Flüssen und Seen gab ja es überall genug.

 

Zum Entsetzen der Forscher fand man bei dieser besonders großen Art die sterblichen Überreste von mehr als einhundert Besatzungsmitgliedern der SS Hyperion, die den Trilobitenwesen offenbar alle im Laufe der Zeit zum Opfer gefallen waren. Dem Rest der Crew war anscheinend das gleiche Schicksal zuteil geworden. Ihre Leichen konnten allerdings nirgendwo gefunden werden und so erklärte man sie einfach für tot. Das Geheimnis des verschollen geglaubten Raumschiffes SS Hyperion und das grausame Schicksal der Besatzungsmitglieder war damit überraschend aufgeklärt worden. Man schloss die ganze Sache ab und errichtete in der Nähe ihres Landeplatzes auf dem Wasserplaneten, den man bereits „Seeworld“ getauft hatte, ein weithin sichtbares Denkmal mit den Namen all jener Männer und Frauen, die hier im Dienste der intergalaktischen Raumflotte gestorben waren. Spätere Generationen von Raumfahrern und wagemutigen Siedlern sollten sich ihrer stets erinnern.

 

Tief in der Mitte der SS Hyperion waren die gewaltigen kugelförmigen Wassertanks untergebracht, die immer noch randvoll gefüllt waren. Niemand ahnte etwas davon, dass sie von Millionen und Abermillionen winziger Trilobiten bevölkert waren, die darauf warteten, irgendwann auszuschlüpfen.

 

***

 

Rückblick

 

Was war mit der SS Hyperion wirklich geschehen?

 

Als die KI zusammen mit dem Autopiloten das havarierte Raumschiff auf einer Lichtung mitten im Dschungel sicher runter gebrachte hatte, stellte die überraschte Besatzung über ihre intakt gebliebenen Außenscanner sehr schnell fest, dass sie auf einem Regenplaneten notgelandet waren. Sie hatten im Prinzip Glück im Unglück gehabt.

 

Später schickte man Erkundungstrupps los, die damit beauftragt wurden, das kostbare Süßwasser der zahlreich vorhandenen Flüsse und Seen auf Trinkbarkeit zu testen. Es war tatsächlich für Menschen genießbar.

 

Obwohl das Wasser des erdähnlichen Planeten ständig auf Keime und sonstige Verunreinigungen untersucht wurde, übersah man aus noch unbekannten Gründen eine fast unscheinbar wirkende mikroskopisch kleine Substanz, die wie ein transparentes Kügelchen aussah und im Wasser nur sehr schwer erkannt werden konnte. Die Schiffsbesatzung der SS Hyperion füllte jedoch damit ihre Wassertanks neu auf und trank auch ausgiebig davon, weil man aufgrund der durchgeführten Tests das neugewonnene Frischwasser für unbedenklich hielt.

 

Weil man nicht wusste, wo man sich im Universum eigentlich mit dem Raumschiff genau befand und sich zudem die Positionsbestimmung durch die fremde Sternenkonstellation als ungewöhnlich schwierig gestaltete, war das reichlich vorhandene Süßwasser des Regenplaneten für die Besatzung der SS Hyperion tatsächlich zur einzigen Überlebenschance geworden. Hätte es das Raumschiff irgendwo anders hin verschlagen, wären die gesamte Crew wohl früher oder später verdurstet, da die mitgeführten Wasservorräte irgendwann aufgebraucht worden wären, trotz der Wiederaufbereitungsanlagen. Das Wasser des Planeten war demnach ihre Rettung gewesen.

 

Doch was bis dahin keiner der gestrandeten Besatzungsmitglieder ahnen konnte: Eine tödliche Gefahr lauerte bereits in den riesigen Wassertanks der SS Hyperion.

 

Aus einem Teil der winzigen Eier schlüpften nämlich bald kleine Trilobiten artige Kreaturen, die sich explosionsartig über das gesamte Trinkwassersystem des Raumschiffes ausbreiteten. Jedes Mitglied der Besatzung trank von dem Wasser, ohne zu wissen, dass es ein tödliches Geheimnis in sich barg.

 

Die Katastrophe nahm damit ihren schrecklichen Lauf.

 

Die unscheinbaren Kleinstlebewesen waren magensaftresistent und drangen schon nach kurzer Zeit über den Darm in die Blutbahn ihrer Opfer ein. Sie entwickelten sich in dem warmen Medium noch besser, als in ihren angestammten Lebensräumen, weil das Blut des Menschen vom Salzgehalt her dem Meerwasser ähnelt. Nach den ersten Todesfällen brach unter der Besatzung eine Panik aus, dann setzte schlagartig ein regelrechtes Massensterben ein, denn die schnell wachsenden Mini-Trilobiten begannen damit, ihre Opfer von Innen her aufzufressen. Die befallenen Crewmitglieder verbluteten elendig und starben innerhalb nur weniger Minuten.

 

Da die restlichen Überlebenden der Raumschiffsbesatzung davon überzeugt waren, dass sich der Ursprungsherd der Seuche anscheinend in ihrem eigenen Raumschiff befand, wurde es vorsorglich vollständig evakuiert. Vorher kappte man noch die Hauptenergieversorgung, indem man die wichtigsten Knotenpunktsicherungen entfernte. Damit wollte man sicherstellen, dass die KI der SS Hyperion kein SOS-Peilsignal senden konnte, um ahnungslose Raumschiffsbesatzungen auf das havarierte Schiff aufmerksam zu machen. Ihnen würde, wie man glaubte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das gleiche tödliche Schicksal widerfahren. Soweit wollte man es aber unter keinen Umständen kommen lassen.

 

Nicht auszudenken, wenn sich die schreckliche Seuche unbemerkt ausbreiten und möglicherweise sogar auf die Bewohner anderer Planetensysteme übergreifen würde, was man um jeden Preis verhindern wollte.

 

Die Erinnerungsdatenbank der KI wurde gelöscht und ein Backup angelegt, das der 1. Captain der SS Hyperion in einem kleinen Speicherwürfel am Ringfinger bei sich trug. Ausgewachsene und überaus intelligente Trilobiten verschleppten den geschwächten Offizier und hielten ihn bis zu seinem Tode in Gefangenschaft. Danach diente er ihnen als willkommene Nahrungsergänzung.

 

Der weitaus größte Teil der Überlebenden der SS Hyperion wurde jedoch nach und nach von wandernden Trilobiten angefallen, verschleppt und ebenfalls gefressen. Niemand der ehemals stolzen Besatzung überlebte das schreckliche Gemetzel.

 

Zurück blieb nur ein einsames Raumschiff, bis die SS Hyperion mehr als zwanzig Jahre später zufällig von der Besatzung der Firebird II auf dem Regenplaneten ‚Seeworld’ wiedergefunden wurde..., ihre tödliche Gefahr aber immer noch in sich tragend.

 

***

 

Eine kleine Gruppe intelligenter Trilobiten schaute aus sicherer Entfernung zu, wie sich das gewaltige Raumschiff langsam und majestätisch in den Himmel erhob. Die Antimaterietriebwerke der SS Hyperion fauchten donnernd durch die regnerische Atmosphäre und bald war das Schiff hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden.

 

Einer der Trilobiten zirpte plötzlich wie eine Grille.

 

Glaubst du, dass unsere Nachkommen die weite Reise durchs All überstehen werden, Maakh?“

 

Die Zweibeiner verfügen über einen Lichtantrieb. Sie beherrschen auch die Zeitsprungtechnik perfekt. Mach’ dir keine Sorgen, Ohook! Ich denke mal, unsere Rasse ist robust genug, dass sie auch diese schwere Prüfung unbeschadet überstehen wird.“

 

Das denke ich auch“, sagte ein dritter Trilobit, der sich jetzt hoch aufgerichtet hatte und alle anderen weit überragte. Dann fuhr er fort: „Alles Wasser im Universum ist von der gleichen Beschaffenheit. Und wo diese aufrecht gehenden Wesen herkommen, da muss es Wasser in sehr großen Mengen geben. Sie tragen es sogar in sich. Sie bestehen überwiegend daraus. Unsere kleinen Trilobiten können, ohne Schaden zu nehmen, in ihrem Blut leben. Das Fleisch der Zweibeiner ist außerdem bemerkenswert saftig. Es schmeckt einfach vorzüglich. Unsere mutigen Nachkommen werden nicht verhungern. Das stimmt mich außerordentlich hoffnungsvoll. Wir Trilobiten werden einen neuen Planeten erobern. Lasst uns daher jeden Tag in demütiger Ehrfurcht an sie denken“, sagte Thoonguulu, der Trilobitenkönig und schaute dabei wehmütig nach oben in einen wolkenverhangenen Himmel, aus dem es immer noch in Strömen regnete und dadurch den freien Blick zu den Sternen verwehrte.

 

© Heinz-Walter Hoetter

 

 

 

***


 

2. Das Geheimnis der Trias-Muschel


 

Ich griff nach der großen Meeresmuschel im gelb weißen Sand, hob sie vorsichtig auf und hielt sie an das rechte Ohr.

 

Andächtig lauschte ich eine zeitlang wartend mit geschlossenen Augen, bis ich das gleichmäßige Rauschen eines uralten Meeres vernehmen konnte, über dessen unzählige Wellen ein warmer, stürmischer Wind hinwegfegte. Jedenfalls empfand ich es so. Beide Geräusche zusammen erzeugten in meinen Ohren einen seltsam anmutenden Widerhall, der mich stärker und stärker in seinen Bann zog. Ich wurde langsam schläfrig und bald wähnte ich mich in eine andere Welt versetzt.

 

Plötzlich sah ich vor meinem geistigen Auge eine einsame Bucht, wie sie vor vielen Jahrmillionen an gleicher Stelle, wo ich gerade stand, einmal ausgesehen haben muss. Weiße, schroff aussehende Klippen ragten in einen weiten, tiefblauen Himmel hinein, und urweltliche Reptilien schwammen im klaren Meerwasser ziellos nach Opfer suchend hin und her. Eine andere Reptilienart bewegte sich mit panikartigen Bewegungen schlangenförmig über den rauen Strand, wobei sie wechselseitig seltsam klingende Laute von sich gaben.

 

Wollten sie sich nur vor ihren Jägern in Sicherheit bringen?

 

Tatsächlich konnte ich mehrere dunkele Schatten im flachen, kristallklaren Wasser erkennen.

 

Einige grotesk aussehende Panzerfische stießen aus den Untiefen hervor, griffen die flüchtenden Kriechtiere pfeilschnell an und schlugen tiefe Wunden in ihre fleischigen Körper, sodass sich an vielen Stellen das aufschäumende Meerwasser blutrot einfärbte. Hier und da konnte man auch das furchterregende Brüllen eines Sauriers im fernen Urwald aus Palmfarnen vernehmen.

 

Dampfende Vulkankegel umringten den gesamten Horizont, ihre rötlich leuchtenden Schlote maserten den Himmel.

 

Das Rauschen der anbrandenden Wellen in der Meeresmuschel steigerte sich auf einmal zu einem unerträglichen Donnergetöse, das mit dem ansteigenden Heulen des stärker werdenden Windes zu wetteifern schien. Von einer Sekunde auf die andere befand ich mich plötzlich am flachen Ufer eines urzeitlichen Meeres in der Trias.

 

War alles nur ein Fata Morgana, eine Halluzination?

 

Ich wusste es in diesem Moment selbst nicht.

 

Schon wollte ich die Muschel vor lauter Schreck vom Ohr nehmen, als ich in diesem Geräuschgewirr mehrmals hinter einander einen dünnen, aber menschlichen Schrei vernahm. Verwundert suchte ich in meinem geistigen Bild die nähere Umgebung ab. Schließlich konnte ich in den unmittelbar vor mir liegenden weißen Kalkklippen, etwas oberhalb der Brandung, einen dunklen Höhleneingang ausmachen in dem eine junge Frau stand, die Hilfe schreiend mit einem langen Gegenstand um sich schlug. Offenbar wehrte sie etwas ab, das sie bedrohte. Das schäumende Wasser der auslaufenden Wellen umspülte mehrmals hintereinander die farbigen, jedoch etwas verschwommen wirkenden Bilder und bald sah ich weder die Frau, noch konnte ich ihre verzweifelte Stimme hören.

 

Vom Eindruck der sich mir bietenden, recht außergewöhnlichen Situation gefesselt presste ich die weiße Kalkmuschel noch fester ans Ohr.

 

Das kann doch gar nicht wahr sein. Wie ist so was möglich? Ich sehe in einem prähistorischen Höhleneingang ein menschliches Wesen stehen, das in diesem Zeitabschnitt der Erdgeschichte überhaupt noch nicht existiert hat“, flüsterte ich gebannt leise vor mich hin.

 

Da!

 

Jetzt trat eine deutlich sichtbare Gestalt aus der Höhle heraus und ging mit leicht wankenden Schritten auf den offen daliegenden Strand zu, wo eine wogende Welle nach der anderen anbrandete. Es war wieder diese unbekannte Frau. Sie lief direkt in mein Blickfeld .

 

Instinktiv riss ich den linken Arm hoch und schrie so laut ich konnte zu ihr rüber.

 

Halt! Um Himmels Willen, gehen Sie nicht weiter! Sie werden im Meer ertrinken oder von den Reptilien gefressen. Bleiben Sie stehen!“

 

Für einen Augenblick zögerte sie, sodass ich der rührigen Annahme war, sie hätte meine warnenden Worte tatsächlich verstanden. Kurz darauf lief sie jedoch weiter auf den tosenden Strand zu. Dann sah ich noch, wie sie etwas Großes aufhob und anschließend hastig in die Höhle zurück floh, wo sie sich offenbar vor den urzeitlichen Reptilien der Umgebung in Sicherheit wähnte.

 

Ich horchte weiter und bemerkte nach wenigen Sekunden, dass das Bild vor meinem geistigen Auge mit wachsender Geschwindigkeit verblasste. Im nächsten Augenblick wurde es dunkel. Dann begann wieder alles von vorne, wie bei einem Film, der sich dem Betrachter in einer Endlosschleife präsentierte.

 

Ich nahm die große Meeresmuschel für ein paar Sekunden vom Ohr und im gleichen Augenblick befand ich mich wieder in der Gegenwart meiner eigenen Zeit. Ein kleines Wellenpaar umspülte meine nackten Füße, die im weichen Sandstrand etwas eingesunken waren. Ich ließ meinen Blick in die nähere Umgebung schweifen und entdeckte plötzlich auf der anderen Seite der Bucht einen unscheinbar aussehenden Höhleneingang in der weißen, hoch aufragenden Felsenwand. Jetzt befand er sich allerdings nicht in Strandhöhe, sondern etwa zwanzig Meter weit darüber.

 

Zum letzten Mal lauschte ich in die Muschel hinein, schloss abermals die Augen und ließ die gleichen Bilder der uralten Küste vor meinem geistigen Auge vorbei ziehen. Für einen flüchtigen Moment sah ich wieder diese Frau, die immer noch am Höhleneingang stand. Ihr Gesicht sah blass und ausgemergelt aus und war von unmenschlichen Strapazen gekennzeichnet. Ihr schlanker Körper wurde von einem eng anliegenden, lederartigen Anzug umfasst, der ihr an einigen Stellen in Fetzen herunterhing. War sie vielleicht eine gestrandete Zeitreisende, die aus irgendwelchen Gründen nicht mehr in ihre eigene Zeit zurückkehren konnte? Oder gehörte sie einer außerirdischen, raumfahrenden Rasse an, die schon vor 230 Millionen Jahren die Erde in der Trias mit einem Raumschiff besucht hatte und deren Besatzung möglicherweise hier in dieser Meeresbucht verunglückt war? Alle nur möglichen Theorien schwirrten mir durch den Kopf, bis ich es endlich aufgab, weiter darüber nachzudenken. Ich fand es außerdem irgendwie sonderbar, womit ich mich da beschäftigte.

 

***

 

Ich fand diese Millionen Jahre alte, erstaunlich gut erhaltene, nicht versteinerte Riesenmuschel bei Ebbe; sie lag am Strand zwischen zwei kleinen Felsen und leuchtete wie eine Perlmuttspirale durch das klare Wasser. Als ich sie zufällig an mein Ohr hielt, drangen diese seltsamen Bilder in mein Gehirn, die mich bald immer stärker in ihren Bann zogen, je länger ich sie auf mich einwirken ließ.

 

Später zertrümmerte ich die Muschel aus reiner Neugier und entdeckte tatsächlich tief im Innern des zerbrochenen Kalkgehäuses ein oval aussehendes, etwa acht Zentimeter langes Ding, das sich sofort in meiner Hand mit seinem zugespitzten Ende wie eine übergroße Kompassnadel stur auf einen ganz bestimmten Punkt ausrichtete, nämlich genau dorthin, wo sich jener Höhleneingang befand, den ich in der dargestellten Bildsequenz vor meinem geistigen Augen gesehen hatte. Ich erkannte schnell, dass es zwischen diesem eigenartigen Fundstück aus der Muschel und der entdeckten Höhle in der Wand des gewaltigen Kalksteinfelsens eine geheimnisvolle Verbindung geben müsse, was mich schließlich dazu bewog, der Sache näher auf den Grund zu gehen.

 

***

 

Ich brauchte etwa eine Stunde, bis ich unterhalb des Kalkfelsens stand und eine weitere, bis ich endlich in zwanzig Meter Höhe den über mir liegenden Höhleneingang erklommen hatte. Dann kroch ich auf allen Vieren durch die gähnende Öffnung und leuchtete mit der Taschenlampe in den schwarzen Schlund hinein. Zu meiner großen Überraschung verbreiterte sich der Eingang schon nach etwa zwei Meter zu einem mannshohen Gang, der noch weiter in den schroffen Fels hineinreichte und kein Ende zu nehmen schien.

 

Beeindruckt von seiner Größe beschloss ich, weiter in den Höhlengang vorzudringen. Überall lagen fossile Seemuscheln herum, die sich einst im subtropischen Meer wärmten. Vorsichtig tastete ich mich im Schein meiner Taschenlampe weiter vor, bis ich ganz überraschend gegen etwas metallisches stieß, das sich offenbar direkt vor mir befand. Der hin und her wandernde Lichtkegel meiner Taschenlampe erfasste schließlich ein etwa fünf Meter langes, röhrenartiges Objekt mit einem Durchmesser von etwa zwei Meter, das allerdings mit einer äußerst dicken Staubschicht überzogen war. Als ich vorsichtig daran herumkratze, brach gleich ein ganzes Stück wie eine kleine Schneelawine davon ab und legte eine darunter liegende Metallhaut unbekannter Herkunft frei, die mir trotz der verursachten Staubwolke im Schein meiner Taschenlampe silbrig glänzend entgegen leuchtete.

 

Der ovale Gegenstand aus der Trias-Muschel zuckte auf einmal in meiner rechten Jackentasche wie wild hin und her. Als ich ihn in meinen Händen hielt, sprang er wie von einem starken Magneten angezogen auf das sichtbar gewordene Stück Metall und raste unter der dicken Staubschicht hindurch bis in die Mitte der Röhre, wo er offenbar in einer Vertiefung verschwand. Kurz darauf vibrierte die Metallröhre wie Espenlaub und wenige Augenblicke später öffnete sich mit einem surrenden Geräusch ein schmaler, türgroßer Eingang. Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück und stolperte dabei über einen herumliegenden Felsbrocken. Ich fuchtelte hilflos mit den Armen in der Luft herum, fiel kurz darauf der Länge nach hin, wobei mir die Taschenlampe aus der Hand glitt und mit dem Leuchtkopf auf den harten Felsenboden aufschlug. Klirrend zerbrach das Glas und das Licht erschloss.

 

Als ich mich in der pechschwarzen Dunkelheit noch völlig orientierungslos wieder hochgerappelt hatte, drang auf einmal helles Licht aus der Röhre, was mich dazu bewog, näher auf den geöffneten Eingang zuzugehen. Vorsichtig trat ich vor und blickte neugierig ins Innere des unbekannten Objektes, das mit einer atemberaubenden Technik bestückt war, die aussah wie das Cockpit eines modernen Düsenflugzeuges. Fasziniert starrte ich in den kleinen Raum hinein und bemerkte dabei nicht, wie sich direkt über mir geräuschlos zwei tentakelförmige Arme näherten, die mich blitzschnell mit ihren metallischen Klammern an beiden Armen festhielten und mit brutaler Gewalt in das röhrenförmige Gebilde hineinzogen. Kaum war ich drinnen, glitt hinter mir die Tür wie von Geisterhand bewegt wieder zu. Dann wurde ich in eine schalenförmige Vertiefung gedrückt und das Licht erlosch augenblicklich. Ich merkte noch, wie ich langsam mein Bewusstsein verlor.

 

***

 

Als ich wieder zu mir kam, saß ich immer noch in dem schalenförmigen Sitz, aber der Eingang des kleinen Raumes stand weit offen. Die zwei Metalltentakel waren verschwunden. Das röhrenförmige Gebilde befand sich offenbar immer noch in der gleichen Höhle, die allerdings jetzt vom eindringenden Tageslicht einigermaßen hell ausgeleuchtet wurde. Offenbar befand sich ganz in der Nähe ein Meer, denn ich konnte das Rauschen der heranrollenden Wellen hören. Noch ganz benommen verließ ich auf unsicheren Beinen das seltsame Objekt und trat hinaus in Freie, wo mich der Anblick einer urzeitlichen Welt wie ein Donnerschlag traf.

Ein Rudel kleiner, aber räuberischer Ceolophysis zog an mir vorbei, die den nahen Meeresstrand nach Beute absuchten. Die Luft war feuchtheiß und hinter mir sah ich einen dichten Urwald aus baumartigen Farnen in denen sich einige Pflanzen fressende Plateosaurus aufhielten. Ich wagte mich keinen Schritt weiter aus der Höhle, denn selbst diese hasenkleinen Raubsaurier hätten für mich gefährlich werden können. Sie verschmähten sicherlich auch kein Menschenfleisch.

 

Erst langsam begriff ich meine lebensgefährliche Situation. Ich war irgendwo in der Trias angekommen, wahrscheinlich 230 oder sogar 250 Millionen Jahre vor meiner Zeit. Aber auf welche geheimnisvolle Art und Weise die Zeitmaschine in der Triashöhle mich hier hingebracht hatte, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass ich da war. Mehr nicht.

 

Auf dem Rückweg zu dem Objekt in der Höhle fiel mir auf einmal dieses kleine ovale Ding wieder ein, das ich in der Trias-Muschel am Strand gefunden hatte. Es war irgendwo in der metallenen Außenhülle der Röhre verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Als ich endlich wieder vor der seltsamen Maschine tief im Innern der Höhle stand, war der Eingang hermetisch verschlossen und nichts deutete darauf hin, dass es an der von mir geglaubten Stelle überhaupt jemals einen Zugang gegeben hat. Panik stieg langsam in mir hoch. Im gleichen Augenblick krabbelte etwas über meine nackten Füße.

 

Erschrocken sprang ich zur Seite und erblickte zu meiner großen Überraschung das ovale Metallstück aus der Trias-Muschel, das jetzt auf winzigen Drahtfüßchen wie eine Robotermaus über den felsigen Boden dahinkroch. Es wollte offensichtlich die Höhle verlassen, um an den Strand zu gelangen, wo unzählige dieser riesigen, leeren Muschelgehäuse herumlagen. Hastig ergriff ich es von hinten mit beiden Händen und sofort zog es seine winzigen Beinchen ein, die im Innern des schlanken Metallkörpers verschwanden. Kurz darauf drehte sich das zugespitzte Ende wieder automatisch in Richtung der Röhre, als wolle es mir unmissverständlich sagen, wohin es will. Mir wurde klar, was das zu bedeuten hatte.

 

Ich setzte es also vorsichtig auf die Außenhülle der Zeitmaschine ab und im gleichen Moment sauste es auf dieser abermals mit hoher Geschwindigkeit entlang, bis zu jener verborgenen Öffnung der Metallhülle, in der es abrupt verschwand. Keine Sekunde später öffnete sich der Eingang wieder und die zwei Metalltentakel fuhren von oben leise von der Decke herunter. Dann verharrten sie in einer Art Wartestellung. Erleichtert stellte ich fest, dass ich jetzt in meine Zeit ohne Schwierigkeiten zurück konnte, denn ich hatte das Geheimnis der Trias-Muschel gelöst.

 

Bevor ich allerdings in das röhrenförmige Objekt wieder einsteigen wollte, nahm ich mir die Zeit dazu, mich noch ein wenig in der Höhle umzusehen.

Sie war recht groß und hatte in etwa die Ausmaße eines zweistöckigen Hauses. Erst jetzt bemerkte ich mit Schrecken, dass Teile des schroffen Höhlenbodens mit humiden Knochen und Schädel übersät waren. Als sich meine Augen an das diffuse Licht gewöhnt hatten, entdeckte ich die Überreste eines ledernen Anzugs zu meinen Füßen, in der sich noch der mumifizierte Körper eines weiblichen Menschen befand. War das die Frau gewesen, die ich in der seltsamen Aufzeichnung gesehen hatte? Der Bekleidung nach muss sie es wohl gewesen sein. Offensichtlich war sie dem Geheimnis der Trias-Muschel ebenfalls auf die Spur gekommen, wohl aber viel zu spät, denn das ovale Ding war mittlerweile unbemerkt aus der Höhle verschwunden und hatte sich in eines der zahllos herumliegenden Muschelgehäuse verkrochen. Ob es noch mehr von diesen teuflischen Apparaten gab? Die vielen herumliegenden Gebeine unglücklich gestrandeter ließen das jedenfalls vermuten.

 

Jetzt wurde mir auch klar, warum die Frau trotz der großen Gefahren immer wieder zum Strand runter gelaufen war. Sie hat verzweifelt nach diesem ovalen Apparat gesucht, ihn aber in den zahllos herumliegenden Riesenmuscheln nicht finden können. Das satanische Ding lag immer noch irgendwo am Strand und hatte sie von dort aus sogar beobachtet. Die Frau wusste nur, dass es der Schlüssel für die Rückkehr in ihre Zeit gewesen wäre. Als ihre Kräfte schließlich schwanden, starb sie, wie die anderen vor ihr auch, hier in der Triashöhle einen einsamen Tod in einer für sie völlig lebensfeindlichen Umwelt.

 

Ein Schauer lief mir bei dem Gedanken über den Rücken, dass mich beinahe das gleiche Schicksal ereilt hätte. Schnell ging ich zurück zur Zeitmaschine, die immer noch mit geöffnetem Eingang auf mich wartete. Während ich mich von den herab schnellenden Tentakeln absichtlich in die Zeitmaschine bugsieren ließ, machte ich mir Gedanken darüber, was ich mit ihr machen sollte, wenn ich wieder in meine Zeit angekommen bin. Den Höhleneingang in die Luft sprengen? Die Zeitmaschine zerstören? Das kam für mich irgendwie nicht in Frage, denn ihre Möglichkeiten waren beachtlich. Das Beste wird wohl sein, wenn ich diesem kleinen teuflischen Krabbelding alle Beine abzwicke, damit es mir nicht mehr davon kriechen kann. Sicher ist sicher. Und wenn es mich dann wieder mal juckt, mache ich einfach Urlaub in der Trias und suche am urzeitlichen Strand in den herumliegenden Muschelgehäusen nach weiteren seiner diabolischen Artgenossen.

 

Und wer weiß das schon? Vielleicht finde ich noch ganz andere Sachen, dort am Triasstrand. Denn von Menschenhand ist dieses Ding bestimmt nicht gebaut worden.

 

 

©Heinz-Walter Hoetter

 

 

 

***

 

 

3. Das Geheimnis von NOXOS

 


"Sind sie bereit?" fragte prüfend der Bordingenieur Lektro-One in der startbereiten Zeitkapsel seinen neben ihm sitzenden Commander Sirius.

Dieser nickte wortlos, legte sich vorsichtig in den Körper angepassten Schalensitz zurück, schnallte die breiten Sicherheitsgurte an und übernahm von der Kontrollzentrale den Countdown für die Startsequenz. Seine innere Angespanntheit war dabei nicht zu übersehen. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Dann sagte er mit leicht gestresster Stimme: „Es kann von mir aus losgehen."

In Ordnung“, gab der drahtige Lektro-One zur Antwort und ließ seine flinken Finger über das gläsern wirkende Tastenfeld der bunt leuchtenden, oval geformten Sensitiv-Schalttafel gleiten.

Das laute, aufdringliche Geheul einer Sirene drang von außen in die Zeitkapsel. Es nervte die beiden Männer, obwohl sie es von früheren Starts und Landungen her gut kannten. Es gibt Dinge, an die kann man sich einfach nicht gewöhnen.

Dann starrten Commander Sirius und sein Bordingenieur Lektro-One auf die über ihnen fest installierten Monitore, die ununterbrochen Bilder von der gewaltigen Startanlage lieferten. Sie beobachteten dabei interessiert die ausklinkenden Monsterelektroden der Materiekammer, aus denen jetzt unablässig bläulich gefärbte Blitze schlugen.

Dann war es soweit.

Über fünfundzwanzig moderne Kernfusionsreaktoren wurden gleichzeitig hochgefahren und erreichten schon bald ihre vorgeschriebene Maximalleistung. Den gewaltigen Fusionsöfen unmittelbar angeschlossen waren mehrere hundert Kilometer lange Ringkondensatoren, die ihre ungeheuren Energiemengen wie ein ununterbrochen pulsierendes Herz in die sich schneller und schneller rotierende Großraumzentrifuge des Magnetfeld ummantelten Materieverdichters abgaben. Oberhalb der riesigen Zentrifuge, genau in ihrer Mitte, befand sich die wartende Zeitkapsel, angedockt an einem kranähnlichen Ausleger, dem sog. Raumkrümmer.

Mit dieser gigantischen Anlage konnte man ein stationäres Wurmloch erzeugen, das eine mathematisch exakt vorausberechnete Reise durch Raum und Zeit ermöglichte. Lief alles stabil, klinkte man die Zeitkapsel vom Raumkrümmer ab und überließ sie dann einfach den enormen Gravitationskräften des künstlichen Wurmloches. Kehrte man die Rotation der Zentrifuge um, war man dazu in der Lage, die Zeitkapsel an ihren ursprünglichen Ort zurück zu holen, sofern die aufwendige Umkehrprozedur des Wurmloches auch tatsächlich gelang und die Koordinaten miteinander identisch blieben. Das war bei einigen Zeitsprungversuchen aus noch unbekannten Gründen nicht immer der Fall gewesen.

***

Funken stoben jetzt aus allen Richtungen. An verschiedenen Stellen der sich über der Zeitkapsel ausdehnenden, riesigen Metallkuppel erstrahlte ein hellrotes Licht, und im nächsten Moment wurde der kleine Steuer- und Navigationsraum von einem heftigen Donnerschlag erfüllt. Das Wurmloch baute sich auf. Die übertragenen Bilder auf den Monitoren wichen für einige Augenblicke hässlich aussehenden schwarz-weißen Querstreifen, als das schützende Energieschild durch das rapide Ansteigen der Wurmlochgravitation automatisch eingeschaltet wurde. Eine Weile später löste sich die vibrierende Zeitkapsel vom aktiv gewordenen Raumkrümmer automatisch ab und wurde schließlich von den unwiderstehlichen Sogkräften des gleichmäßig rechtskreisenden Wurmloches erfasst, bis sie letztendlich, von turbulenten Energieentladungen begleitet, mit rasender Geschwindigkeit darin verschwand.

Zurück blieb eine gewaltige, nach Ozon riechende Versuchsanlage, die, umgeben von mächtigen Schutzmauern aus graunacktem Stahlbeton, inmitten einer endlos weiten, karg bewachsenen Steppe lag. Über 2000 ausgewählte Wissenschaftler und etwa 3000 Hilfskräfte verrichteten hinter diesen wuchtigen Gemäuern ihre streng geheime Arbeit, völlig hermetisch abgeschottet von der Außenwelt.

Offiziell sprach man von der Erforschung des Planetenkerns, in Wirklichkeit unternahm man hier gewagte Zeitsprünge, die, je mehr man die Zeitsprungtechnik verfeinerte, immer ausgedehntere Reisen in die Vergangenheit ermöglichten.
Doch da gab es noch etwas anderes, worüber man absolutes Stillschweigen bewahrte.

Bei Ausschachtungsarbeiten innerhalb der Versuchsanlage war man zufällig in etwa 45 Meter Tiefe auf die steinernen Überreste einer uralten Stadt gestoßen. Man führte sofort einige der klassischen Datierungsmethoden an den ausgegrabenen Fundstücken durch, wobei man das Alter der gut erhaltenen Steinfragmente auf exakt 25 000 Jahre bestimmen konnte.

Für alle beteiligten Wissenschaftler stellten diese historisch äußerst wichtigen Funde eine Sensation ersten Ranges dar, war man doch immer davon ausgegangen, dass sich auf dem Planeten NOXOS nur eine einzige hoch technisierte Zivilisation entwickelt hatte, nämlich die ihrer eigenen.

In den historischen Archiven lagerten zwar alte Schriftstücke mit überlieferten mythologischen Erzählungen, in denen immer wieder von einigen sagenhaften Völkern berichtet wurde, die schon in grauer Vorzeit auf NOXOS gelebt und über eine hoch entwickelte Kultur verfügt haben sollen, dann aber urplötzlich von der Bildfläche verschwunden waren, gerade so, als hätte es sie nie gegeben.

Schließlich entdeckte man bei seismologischen Untersuchungen in noch tiefer gelegenen Bodenschichten weitere Überreste einstmals mächtiger Gebäude von ungewöhnlicher Höhe und Bauweise. Die beteiligten Forscher waren sich sofort darüber einig gewesen, dass der Bau solcher gewaltigen Kolosse nur von einer hochentwickelten Zivilisation stammen konnte, die über ein ausgereiftes, technisches und architektonisches Wissen verfügt haben muss. Zusätzlich fand man auf einigen der freigelegten Steinblöcke tief eingravierte, für die Archäologen von NOXOS völlig rätselhafte Schriftzeichen jener längst untergegangenen Kultur, die hier mal vor langer Zeit existiert haben muss.

Aber selbst die supermodernen Kryptocomputer konnten aus den entdeckten Schriftzeichen und lose zusammen gefügten Wortfetzen so schnell kein verständliches Sprachsystem rekonstruieren, wie man sich das anfangs eigentlich erhofft hatte. Die Entschlüsselung der unbekannten Schriftzeichen war ein äußerst schwieriges Unterfangen und stellte die Kryptologen vor große Probleme.

Andererseits war das für die Wissenschaftselite von NOXOS Anlass genug gewesen, den Versuch zu starten, mit Hilfe der neuen Zeitsprungtechnik 25 000 Jahre zurück in die Vergangenheit zu reisen. Man wollte durch diese Expedition ins Unbekannte der Zeitgeschichte ihres Planeten herausfinden, was mit der neu entdeckten, einstmals hoch entwickelten Zivilisation auf NOXOS geschehen war.

Man erinnerte sich in diesem Zusammenhang plötzlich wieder an jene uralten Legenden und geheimnisvollen Sagen der eigenen Kultur, in der immer wieder von einer weltuntergangsähnlichen Katastrophe die Rede war, die fast das gesamte Leben auf NOXOS vernichtet haben soll. Aber diesen phantastischen Erzählungen aus vorgeschichtlicher Zeit schenkte man keinen Funken Glauben. Man hielt sie bestenfalls für schaurig-schöne Gruselmärchen, mit denen man vielleicht kleine Kinder oder pubertierende Jugendliche beeindrucken konnte. Mehr nicht.

***

Das größte Problem bei allen Zeitreisen bestand darin, dass sie immer noch mit unvorhersehbaren Gefahren verbunden waren. Von insgesamt zehn durchgeführten Zeitsprüngen scheiterten trotz hohem technischen Aufwand und größtmöglichen Sicherheitsanforderungen immer noch mindestens zwei, was oftmals mehr als nur eine Tragödie nach sich zog.

Viele der sog. „ZeitspringerInnen“, jene wagemutigen Personen also, die man eigens für solche gefährlichen Unternehmungen ausgebildet hatte, strandeten dabei nicht selten irgendwo in der Vergangenheit, weil das lokal erzeugte Wurmloch plötzlich unter heftigen Erschütterungen kollabierte und unter gewaltigen Energieentladungen in sich zusammenbrach. Dieser seltsame Effekt trat hin und wieder am Ende eines Zeitsprunges auf, wenn man das Sprungziel schon fast erreicht hatte. Die Verbindung wurde dadurch jäh unterbrochen und die Besatzungsmitglieder der havarierten Zeitkapsel fanden sich unerwartet irgendwo auf einem fremden Planeten wieder oder gerieten in ein frühgeschichtliches Zeitalter mit primitiv entwickelten Lebensformen. Wenn die Zeitkapsel jedoch zu weit von der vorprogrammierten Route abgewichen war, gab es oft keine Rettung mehr, vor allen Dingen dann nicht, wenn der Hypersender beim plötzlichen Abbruch des Zeitsprungs irreparabel beschädigt wurde. Die Besatzung war verloren, strandete irgendwo in Raum und Zeit blieb für immer verschollen, weil jegliche Verbindung fehlte.

Damit war das Schicksal der ZeitspringerInnen in der Regel besiegelt und nur ganz wenige der überwiegend jungen TimetronautenInnen, wie sie sich selbst gerne nannten, versuchten in dieser aussichtslosen Situation am Leben zu bleiben. Oft vergebens.

Auch über solche schlimmen Situationen, die man als Möglichkeit in Betracht ziehen musste, hatten Commander Sirius und sein Bordingenieur Lektro-One immer und immer wieder nachgedacht. Nichtsdestotrotz waren beide Männer seinerzeit freiwillig dem erlauchten Team der Zeitspringer beigetreten, denn sie brannten darauf neue Welten kennen zu lernen, um sie zu erforschen. Ihre unbändige Neugier und grenzenlose Abenteuerlust waren einfach größer gewesen, als die Angst vor der Gefahr oder einem unvorhergesehenen Tod irgendwo da draußen in den fernen Abgründen eines unbekannten Alls.

***

Einige Zeit später.

Auf die Sekunde genau heulte der Schneesturm los, als die Zeitkapsel mit fürchterlichem Getöse mitten in der Nacht direkt am Fuße eines gewaltigen Gebirges aus dem sich schlagartig öffnenden Wurmloch gespuckt wurde, die kurz danach mit ihren hydraulischen Landstützen auf dem felsigen Boden aufsetzte.
Commander Sirius und Lektro-One waren ein eingespieltes Team. Beide wussten genau, was jetzt getan werden musste. Also ging man schleunigst planmäßig an die Arbeit.

Schritt für Schritt wurde alles durchgescheckt bis eindeutig fest stand, dass die Rückkehr in die eigene Zeit rein technisch gesehen als gesichert betrachtet werden konnte. Der integrierte Bordcomputer rechnete während dessen die genaue Ankunftszeit in der Vergangenheit aus, verglich sie mit den vorgegebenen Daten aus der Zukunft und zeigte wenige Sekunden später auf dem mattgrün schimmernden Display in gelb leuchtenden Ziffern an, dass die Zeitkapsel fast Punkt genau gelandet war. Zum Schluss wurden alle gesammelten Ergebnisse noch einmal präzisiert und auf einem weiteren Display zusammenfassend angezeigt. Einem rückwärts gerichteten Zeitsprung mit Hilfe des stationär erzeugten Wurmloches in der Versuchsanlage stand somit nichts mehr im Wege, wenn die Arbeit der beiden Männer erledigt sein würde.

Die vergleichenden Messungen bestätigten außerdem, dass man sich mit der Zeitkapsel tatsächlich genau
25 000 Jahre in die Vergangenheit des Planeten NOXOS zurück bewegt hatte.

Eine Woge der Erleichterung und Freude kam in Lektro-One auf. Vor Begeisterung klatschte er in die Hände. Bis hier hin war das Unternehmen ein voller Erfolg gewesen und sogar die einsetzende Umpolung des Wurmloches in der Versuchstation war von den sensiblen Hyperraumantennen der Zeitkapsel noch registriert worden.

Commander Sirius konnte seine Freude ebenfalls nicht verbergen und lächelte zufrieden, was selten bei ihm vorkam. Dann schaltete er sukzessive das flackernde Schutzschild ab und fuhr die Leistung des Antimateriegenerators auf ein Minimum zurück. Die Raumtemperatur in der Steuer- und Navigationsabteilung lag bei konstante plus 21 Grad. Die Außensensoren zeigten dagegen draußen Minus 18 Grad Kälte an.

Während der nächsten zwei Stunden arbeiteten die Männer routiniert weiter und sprachen nur selten ein Wort miteinander. Mittlerweile schneite draußen die Zeitkapsel im anhaltenden Schneesturm immer mehr zu, die jetzt aussah wie ein großer Schneehügel. Die fast kreisförmige Landefläche besaß immerhin einen Durchmesser von mehr als zwanzig Meter. Die Gesamthöhe der Zeitkapselkonstruktion lag bei ungefähr acht Meter, wobei das obere Kuppelende zu einer kleinen Fläche ausgebildet war. Hier lag auch die halbautomatische Ein- und Ausstiegsluke der Zeitkapsel. Die Öffnungssequenz konnte aus Sicherheitsgründen nur mittels eines bestimmten Zahlencodes in Gang gesetzt werden. Selbst an eine zusätzliche Notschleuse hatte man gedacht, die bei Gefahr einen schnellen Ein- und Ausstieg ermöglichte.

Nachdem der Computer den genauen geografischen Standort des Landeplatzes ermittelt hatte, konnte er ein umfassendes Koordinatennetz aufbauen und mit den vorhandenen Positionsdaten der einstmals versunken Stadt vergleichen.

Die Ergebnisse waren überaus verblüffend als Commander Sirius den 3D-Ausdruck der Karte betrachtete. Die jetzt völlig intakte Stadt lag keine 100 Kilometer nördlich ihres eigenen Landeplatzes entfernt an einem breiten Fluss.

Das gewaltige Gebirgsmassiv stellte ein absolut sicheres Versteck dar. Man hätte für die Zeitkapsel in der Tat keinen besseren Standort auswählen können. Er war einfach ideal gelegen und bot die besten Voraussetzungen für den sicheren Ablauf der bevorstehende Expeditionen. Die ganze Sache sollte sich außerdem gegenüber der Bevölkerung, wenn es den eine gab, im Geheimen abspielen.

Während Lektro-One seine Aufmerksamkeit den vielen Anzeigegeräten auf der Sensitiv-Schalttafel widmete, ordnete Commander Sirius aufgrund der äußerst positiven Daten an, dass der Rest der Nacht zum Schlafen genutzt werden sollte. Sein beschäftigter Bordingenieur nickte nur beiläufig mit dem Kopf, als er davon hörte. Er wollte sich von seiner Arbeit einfach nicht ablenken lassen. Unterdessen ging sein Commander in Gedanken nochmals jeden Punkt der geplanten Expedition durch.

Um unerkannt zu bleiben, würde man die komplizierte Tarnkappenausrüstung anlegen und trotz der mitgeführten Antigravitationsgürtel aus Sicherheitsgründen eventuell weite Strecken zu Fuß zurücklegen müssen, was den jeweiligen Umständen nach zeitraubend und anstrengend werden konnte, dachte Commander Sirius so für sich. Lektro-One hielt derweil eine der vielen elektronischen Checklisten in seiner linken Hand und fingerte mit der rechten über die verschiedenfarbig leuchtenden Sensoren der Schalttafel. Irgendwann war er dann doch mit seiner Arbeit fertig und es dauerte nicht mehr lange, da kehrte eine ungewöhnlich anmutende Stille im Steuer- und Navigationsraum der Zeitkapsel ein, die nur vom leisen, monotonen Dauersummen des im Hintergrund laufenden Antimateriegenerators gestört wurde. Die beiden Männer schliefen bald tief und fest.

***

Draußen heulte der Schneesturm mit unverminderter Heftigkeit weiter. Die weißen Eis- und Schneemassen über der Zeitkapsel schichteten sich von Minute zu Minute immer weiter auf.

Weit weg der beiden schlafenden Männer spielten sich unterdessen seltsame Dinge ab.

Eine zweite, speziell ausgerüstete Transporterzeitkapsel war plötzlich in unmittelbarer Nähe der geheimnisvollen Stadt wie aus dem Nichts aufgetaucht.
Kurz darauf verließen im Schutze der Nacht auf einem bulligen Schwebegleiter insgesamt vier Gestalten in silbrig glänzenden Schutzanzügen fast lautlos die breite Ausstiegsöffnung der Transporterzeitkapsel. Auf der breiten Ladefläche des radlosen Gefährts befand sich ein imposanter kugelförmiger Gegenstand aus glänzendem Metall mit kurzen Stummelfüßen, die an vier hydraulischen Klammern befestigt waren.

Der Gleiter steuerte direkt auf das Zentrum der Stadt zu und machte erst Halt vor dem riesigen, marmornen Kuppelgebäude, das von gewaltigen, kreisförmig angeordneten Steinsäulen gestützt wurde. Dort stellten sie das seltsam aussehende Ding direkt vor dem Eingang ab. Danach schienen sie im Inneren der Metallkugel an irgendwas herum zu hantieren. Nachdem sie offenbar damit fertig waren, gingen sie zurück zu ihrem wartenden Gleiter, nahmen darin Platz und schwebten gemeinsam zurück zu ihrer Transporterzeitkapsel, die kurz darauf in einem sich kurzfristig aufbauenden Wurmloch wieder verschwand. Stille kehrte ein, als ob nicht geschehen war.

***

Als der nächste Tag begann.

Hey Commander, wachen sie auf!“ sprach Lektro-One mit gedämpfter Stimme. Er betrachtete dabei gleichzeitig die Anzeigeninstrumente auf der rechten Steuerkonsole und fuhr dann über die blinkenden Lichter der Schalttafel.
Der Commander war mittlerweile aufgewacht und saß aufgerichtet in seinem Schalensitz.

Was ist los? – Wie lange haben wir geschlafen, Lektro-One?“ fragte er gähnend.
„Draußen ist es bereits hell geworden. – Schauen sie mal auf die Bildschirme, Commander!“

Mehr sagte der Bordingenieur nicht und zeigte dabei viel sagend auf die beiden eingeschalteten Monitore über der Instrumententafel, auf denen nur eine einzige weiße Fläche zu sehen war.

Wer hätte das gedacht? Die Zeitkapsel liegt unter einer dicken Schneedecke. – Wir werden wohl oder übel die Notschleuse benutzen müssen.“ bemerkte Commander Sirius nachdenklich, als er die Daten der Außensensoren auf seiner eigenen Anzeigentafel betrachtete.

Es wird uns nicht anderes übrig bleiben.“ antwortete der Bordingenieur und fuhr fort: „Ich hab’ bereits die letzten Checks durchgeführt und alle Vorbereitungen zum Verlassen der Zeitkapsel getroffen. In der Ausstiegsschleuse 1 hängen die Wärme isolierenden Körperanzüge, die uns vor der klirrenden Kälte schützen werden. Die übrigen Gegenstände, wie die Tarnkappenausrüstung und die Strahlenwaffen, befinden sich im Raum 2 gleich nebenan.“

Schon in Ordnung! Ich weiß doch selbst, wo die Sachen hängen, Lektro-One!“, nickte Commander Sirius bestätigend und bemerkte noch nebenbei: „Gehen wir an die Arbeit und vergessen sie nicht ihren eigenen Peilsender einzuschalten! Im Notfall können sie damit die Zeitkapsel auch ohne mich finden. – Und geben sie ordentlich Druck in die Ausstiegsschleuse, damit der Schnee beim Öffnen des Schotts davonfliegt!“

Genau 30 Minuten später traten beide Männer in voller Ausrüstung aus der sich automatisch öffnenden Notausstiegsschleuse hinaus auf ein glitzerndes, Schnee bedecktes Plateau. Mit ein paar Handbewegungen richteten sie den automatischen Kompass aus und stapften auf ihren breiten Spezialschuhen in die angegebene Richtung los. Die Entfernung zur Stadt betrug genau 98 Kilometer und wurde als feststehender roter Punkt auf dem Kompassmonitor permanent angezeigt. Ihr eigener Standort wurde durch einen grünblinkenden Kreis dargestellt, der aktuell mitwanderte und jeden Standortwechsel sofort anzeigte. So konnten die beiden Männer ihr Ziel nie aus den Augen verlieren.

Nach einem etwa 250 Meter langen Fußweg durch knietiefen Gebirgsschnee mussten Commander Sirius und Lektro-One dann doch die mitgeführten Antigravitationsgürtel aktivieren, da sich direkt unterhalb des Plateaus eine wild zerklüftete Bergregion ausbreitete, die nur mit dem Fluggürtel zu überwinden war.
Der ruhige Schwebeflug über das gefährliche Gelände dauerte nicht mehr als 20 Minuten. Dann veränderte sich die Landschaft abermals und ging in einen riesigen bis zum Horizont reichenden Bergwald über. Hier lag bedeutend weniger Schnee. Ab und zu tauchten einige leicht vereiste Seen unterschiedlicher Größe auf, die aber von den beiden Zeitreisenden nicht sonderlich beachtet wurden. Der Biotaster zeigte, bis auf einige Wildtiere, kein anderes Leben an, was beide Männer argwöhnisch werden ließ. Man hätte zumindest in dieser Gegend schon etwas von den Bewohnern der Stadt bemerken müssen, auf die sie direkt zusteuerten. Der Einsatz der Tarnkappenausrüstung wurde deshalb noch nicht nötig.

Nach etwa 85 Kilometer direktem Flug erreichten sie mit ihren Antigravgürteln einen verschneiten Hügel, der aus der übrigen Landschaft heraus ragte. Die freie Anhöhe bot sich geradezu an darauf zu landen und Commander Sirius gab entsprechende Landebefehle über Funk auch an Lektro-One weiter. Keine fünf Minuten später steuerten beide auf einen flachen Felsen zu, setzten dort auf und sahen zu ihrer großen Überraschung am Horizont zum ersten Mal die sich allerdings nur schwach abzeichnende Silhouette jener Stadt, deren uralte Überreste auf NOXOS 25 000 Jahre später in der Zukunft gefunden werden sollten. Fasziniert von dem grandiosen Anblick verharrten die beiden Zeitreisenden mehrere Minuten lang in regungsloser Pose und genossen so ganz nebenbei auch noch das herrliche Panorama der weiten Landschaft.

Dann unterbrach Commander Sirius die wohltuende Stille und sagte nachdenklich: „Bis jetzt haben wir außer wild lebenden Tieren noch keine einheimische Bevölkerung gesehen. Auch der Biotaster zeigt keine humiden Lebewesen an.“ sagte er zu Lektro-One.

Stimmt..., auch schon registriert, Commander. Kann gut sein, dass sich unsere unbekannten Freunde wegen der Kälte alle in ihren Häusern verkrochen haben.“ gab der Bordingenieur lächelnd zur Antwort und schob dabei seine Schneebrille nach oben in die Stirn, um besser sehen zu können.

Commander Sirius blickte skeptisch zurück zu den Bergen, die jetzt weit hinter ihnen lagen. Er überprüfte das Peilsignal der Zeitkapsel auf dem flachen Kompassmonitor, das ihm trotzdem kein hundertprozentiges Gefühl der Sicherheit einflößte. Ein flaues Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Er wäre am liebsten auf der Stelle wieder umgekehrt und hätte die ganze Mission um einen Tag verschoben, denn die Zeitkapsel bot ihnen ein hohes Maß an Sicherheit und war wegen des Schutzschirmes praktisch unangreifbar. Hier draußen waren sie nicht nur den Unbilden der Natur ausgesetzt, sondern auch allen anderen Gefahren des Planeten, der ihm irgendwie fremd erschien und gar nicht so vorkam, als sei er NOXOS.

Commander Sirius wandte sich an seinen Bordingenieur und sagte zu ihm: „Wir sollten so schnell wie möglich weitermachen und noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder am Landplatz sein, Lektro-One! – Die Entfernungsskala des automatischen Kompasses zeigt etwas weniger als zehn Kilometer bis zur Stadt an. Lass’ uns also los fliegen! Einen Kilometer vor dem Stadtrand schalten wir die Tarnkappen ein, suchen uns ein gutes Versteck und gehen den Rest des Weges zu Fuß. Wer weiß, was uns heute noch alles erwartet. Sollten wir auf Einheimische stoßen, wissen sie was zu tun ist.“

Lektro-One schaltete seufzend den Antigravgürtel ein, ließ sich vorsichtig von seiner unsichtbaren Kraft langsam in die Luft heben und folgte dann seinem Commander im vorgeschriebenen Sicherheitsabstand.

Der Schwebeflug über die schöne Landschaft dauerte diesmal nicht lange und in weniger als zehn Minuten erreichten die beiden Männer die sanften Ufer eines halb zugefrorenen Flusses. Er war überzogen mit einer riesigen Zahl kunstvoll verzierter Stein- und Metallbrücken, die es in allen nur denkbaren Formen und Größen gab. Die Ufer des Flusses wurden stadteinwärts von meterdicken Marmormauern gesäumt, der, je weiter er in die Stadt hinein reichte, in einem weit verzweigten Kanalsystem mündete. Das träge dahin fließende Wasser in den Seitenarmen verlor sich schließlich irgendwo schlängelnd in einem unübersehbaren Gewirr aus verwaisten Plätzen, einsam da liegenden Straßen und stillen Wegen, die wiederum von einer unglaublichen Menge architektonisch seltsam aussehender Gebäude aller Größenordnungen beidseitig flankiert wurden. Genau im Zentrum der Stadt erhob sich eine kolossal aussehende, von gewaltigen Säulen getragene, weiß glänzende Kuppel aus hell leuchtendem Marmorgestein, die für den Betrachter wegen ihrer atemberaubenden Größe und im Verbund mit der übrigen Anlage, den seltsamen Eindruck eines überdimensionierten Sakralbaues erweckte.

Die beiden Männer kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Je länger sie aber ihre suchenden Blicke über den seltsamen Ort schweifen ließen, desto mehr wurde ihnen klar, dass dieser Ort alles andere war als eine gewöhnliche Stadt. Nirgendwo konnten sie eine lebende Seele entdeckten. Auch der Bioscanner zeigte nichts an. Hier schien es offenbar keine Bewohner zu geben. Nur der heulende Eiswind trieb den losen Pulverschnee wie feinen Puderzucker durch die leeren Straßen, Wege und Plätze vor sich her. Der Anblick des wie tot daliegenden, gigantischen Gebäudemeeres erzeugte eine düstere Gefühlslage bei den Zeitreisenden und ließ sie angesichts der unheimlich anmutenden Szene erschauern.

Noch immer standen beide Männer schweigend da. Als erster meldete sich Lektro-One zu Wort: „Es ist einfach unglaublich! – Was wir hier sehen, das ist möglicherweise in Wahrheit nur eine riesige Totenstadt. Vielleicht sogar eine Kultstätte oder ein Friedhof gewaltigen Ausmaßes, Commander. Sehen sie sich mal die eingravierten Inschriften über den monumentalen Säulen der Gebäude an! Die gleichen Schriftzeichen haben wir bei den Ausgrabungen auf dem Areal der Versuchsanlage gefunden und ich wette drauf, dass sie uns Auskunft über die Herkunft der Toten geben können, wenn wir die Bedeutung der Zeichen erst einmal entziffert haben. – Vorausgesetzt natürlich, ich liege mit meinen Vermutungen richtig.“

Commander Sirius räusperte sich. Er war im Prinzip der gleichen Meinung wie sein Bordingenieur, doch stellten sich für ihn momentan ganz andere Fragen, deren schlüssige Beantwortung von größter Wichtigkeit sein würde. Das Rätsel dieser geheimnisvollen, wie tot daliegenden Stadt könnte möglicherweise auch mit ihrer eigenen Zivilisation zusammenhängen, denn man hatte sie ja auf NOXOS gefunden, ihrem eigenen Planeten. Er wollte vor allen Dingen wissen, wer diese intelligenten Lebewesen waren, die ihre Toten hier so aufwendig bestattet hatten. Dann würde er sicherlich auch eine Antwort auf die Frage finden, was mit ihnen geschehen war.

Um dies in Erfahrung bringen zu können, wollte er sich gewaltsam Zugang in das Innere eines dieser gewaltigen Gebäude verschaffen, die alle aussahen wie überdimensionierte Mausolen, denn nur dort ließen sich die Grabkammern der Verstorbenen eventuell öffnen und näher untersuchen. Eine andere Möglichkeit sah Commander Sirius im Augenblick nicht.

Kommen sie mit, Lektro-One! Wir werden der Stadt der Toten jetzt mal einen näheren Besuch abstatten. Wir müssen herausfinden, wie die Lebewesen aussahen, woher sie kamen und zu welchem Zweck sie das hier alles hinterlassen haben. Ich hoffe, sie haben keine Angst vor alten Leichen und ekligen Modergerüchen! Wenn doch, können wir die ganze Sache jetzt gleich abbrechen.“

Lektro-One bewahrte seine lässige Haltung. Mit einer fließenden Handbewegung strich er die Anspielungen seines Freundes Sirius weg, drücke auf die Sensortaste des Antigravgürtels und setzte sich unverzüglich in Bewegung, wobei er so tat, als wolle er sich mit einem zweiten Platz hinter dem Commander nicht zufrieden geben. Mit Maximalleistung seines Fluggürtels schwebte er in einem hohen Bogen davon. Commander Sirius beeilte sich damit, dem verärgerten Lektro-One so schnell wie möglich hinterher zu fliegen, der mittlerweile irgendwo zwischen den riesigen Steingebäuden verschwunden war.

Commander Sirius befahl Lektro-One sich über Intercom zu melden und ermahnte ihn, vorsichtig zu sein. Knapp zwei Minuten später hatte er seinen Bordingenieur jedoch wieder eingeholt, der bereits vor dem erstbesten Mausoleum gelandet war und sich vor dem monströsen Eingang postiert hatte.

Die mächtigen, steinernen Türflügel des Eingangsportals maßen an die vier mal vier Meter und ließen sich, zur allgemeinen Verwunderung der beiden Zeitreisenden, ohne große Schwierigkeiten öffnen.

Die Männer hatten eigentlich mit erheblicheren Schwierigkeiten gerechnet und staunten darüber, wie leicht sie auch in die dahinter liegende Bogenhalle gelangen konnten, an deren hohen Wänden sich Hunderte von rechteckigen Öffnungen befanden, die in gleichmäßig übereinander angeordneten Reihen vom Boden bis zur Decke reichten. Es gab keine Abdeckplatten davor, die einen Blick in das Innere dieser dunklen Löcher verhindert hätten.

Als Commander Sirius und Lektro-One allerdings einen prüfenden Blick in die vermeintlichen Grabnischen warfen, staunten sie nicht schlecht. In jeder Öffnung lag nur ein einziger, länglich geformten Metallzylinder, dessen beide Enden mit klobig geformten, bläulich-schwarzen Kappen verschlossen waren. Jeder der Männer nahm jetzt einen Zylinder in die Hand, entfernten vorsichtig den Staub von der Hülle und wendeten ihn mehrmals nach allen Seiten, konnten jedoch rein äußerlich nichts Auffälliges daran entdecken.

Was glauben sie Lektro-One, was das hier ist?“

Der Bordingenieur der Zeitkapsel zögerte einen Moment mit der Antwort, drehte den Metallzylinder noch einmal prüfend herum und sagte dann: „Ich bin mir nicht ganz sicher, Commander, aber ich denke mal, diese Dinger sehen ein bisschen wie Urnen aus, in denen sich normalerweise die eingeäscherten Überreste von Toten befinden. Könnte natürlich auch was völlig anderes sein. – Was weiß ich?“

Commander Sirius überlegte und runzelte nachdenklich die Stirn.

Ja, du könntest Recht haben, Lektro-One. Aber ich sehe keine namentliche Beschriftung oder sonstige Hinweise von Verstorbenen auf den einzelnen Zylindern. Das gleiche gilt auch für die Nischen. Nirgendwo auch nur ein einziges Schriftzeichen. Noch nicht einmal eine Nummer oder ähnliches, wenn ich mal von der Beschriftung über den Eingängen draußen absehe. Die werden ihre Verstorbenen doch nicht alle anonym bestattet haben! Wäre doch reiner Unsinn! – Oder?“

Während Commander Sirius redete, blickte er dabei gleichzeitig in der großen Grabhalle herum, in der sich mittlerweile ein staubiger Nebel ausgebreitet hatte und das Licht von draußen ein wenig abdunkelte. Die gesamte Atmosphäre machte auf ihn langsam einen unheimlichen Eindruck. Außerdem drang eine scheußliche Kälte von draußen rein, was den Commander dazu veranlasste, die Innentemperatur seines Schutzanzuges leicht zu erhöhen.

Schließlich sagte er: „Und wenn das hier keine Urnen sind, sondern etwas ganz anderes? Wir sollten vorsichtshalber eine bestimmte Anzahl Zylinder mitnehmen und den Inhalt in unserem Labor genauestens untersuchen. Wir müssen uns sicher sein, was da drinnen ist. Wir haben noch mindestens zwei Tage Zeit, bevor wir endgültig mit der Zeitkapsel wieder in unsere eigene Zeit zurück müssen.“

Ok, geht in Ordnung, Commander! Ich schnappe mir ein paar von diesen Dingern und nehme sie mit.“ antwortete Lektro-One, griff sich zwei von den herumliegenden Metallzylindern, verstaute sie in seinem mitgebrachten Rucksack und schritt etwas später dem Ausgang der Halle entgegen. Commander Sirius tat es ihm gleich. Vor dem Mausoleum aktivierten sie ihre umgeschnallten Fluggürtel und schwebten langsam in Richtung Zeitkapsel davon, geleitet vom Signal des Peilsenders.

Draußen war es schon fast dunkel geworden, als die beiden Männer endlich den ruhig da liegenden Landeplatz ihrer Zeitkapsel erreichten. Dann schritten sie zum Eingang rüber, öffneten ihn und stiegen ein. Die mitgebrachten Zylinder wurden aus Sicherheitsgründen in der Einstiegsschleuse verstaut, aus der man hinterher jegliche Atemluft entfernte und auf diese Weise in eine Vakuumkammer umfunktionierte.

Der zurück liegende Tag war anstrengend gewesen. Commander Sirius und Lektro-On machten es sich im Steuer- und Navigationsraum bequem, checkten nebenbei nochmals alle wichtigen Funktionen der Zeitkapsel durch und ließen zuletzt den Energieschild mit ein Drittel Kraft hochfahren. Man wollte auf jeden Fall vor unangenehmen Überraschungen sicher sein.

***

Am nächsten Morgen, nach einem ruhigen Schlaf und einem ausgiebigen Frühstück, legte sich Lektro-One den klimatisierten Schutzanzüge an, überprüfte die Dichtheit des Raumhelmes und stieg zusammen mit Commander Sirius hinab zum Schleusenausgang. Dort angekommen ließ Lektro-One über ein zischendes Einlassventil Luft zum Druckausgleich in die Schleusenkammer strömen und öffnete über eine Hydraulik das schwere Sicherheitsschott. Auf Anweisung von Commander Sirius war die Vorgehensweise zum Öffnen eines der Metallzylinder vorher genau festgelegt worden, um im Falle einer Gefahr sofort einschreiten zu können.

Der schlaksige Lektro-One begab sich jetzt allein in die Schleuse. Nachdem das Innenschott geschlossen war, setzte Commander Sirius das Außenschott in Betrieb, damit sein Bordingenieur mit dem Zylinder ins Freie gehen konnte. Zum Schluss schaltete er alle Sicherheitseinrichtungen ein, um sie im Notfall sofort einsetzen zu können, sollte es zu einem Zwischenfall kommen.

Keine fünf Minuten später stand Lektro-One draußen vor der Zeitkapsel im tiefen Schnee. Die beiden Helmkameras liefen mit, die jede noch so kleine Bewegung aufzeichneten. Die interne Kommunikationseinrichtung war eingeschaltet.
„…Lektro-One, wie ist die Verbindung?“ fragte der Commander.

Klar und deutlich! Ich gebe ihnen Zeichen, wenn ich damit anfange, den Zylinder zu öffnen!“

Aufmerksam beobachtete Commander Sirius jetzt auf dem flachen Monitor neben dem inneren Schleusenschott das Geschehen im Freien. Dann befahl er Lektro-One eine der Kappen des silbrig glänzenden Metallzylinders behutsam zu entfernen. Der konzentriert arbeitende Bordingenieur brauchte noch nicht einmal zwei Minuten dafür, um den klobigen Verschluss von dem röhrenförmigen Ding zu lösen. Kurz danach hielt er beide Teile einzeln direkt in die Objektive seiner laufenden Helmkameras.

Lektro-One, schauen sie mal selbst in den Zylinder! Ich glaube, da hat sich im innern was bewegt. Seien sie vorsichtig, mein Freund!“

Plötzlich schien draußen der Teufel los zu sein. Die Stimme von Lektro-One überschlug sich beinahe als er aufgeregt sagte: „Commander, ich schwitze unangenehm. Meine Thermosensoren schlagen Alarm und warnen mich davor, dass die Lufttemperatur in der unmittelbaren Umgebung des Zylinders bereits auf über 65 Grad Celsius gestiegen ist. Was soll ich tun?
„Lektro-One, kehren sie sofort in die Schleuse zurück! Werfen sie den Zylinder weg! Lassen sie alles stehen und liegen! Ich werde die Desinfektionsanlage in Betrieb setzen, sobald sie drinnen sind und das Außenschott geschlossen und verriegelt ist.“

Im gleichen Moment fing der Bordingenieur draußen an zu schreien: „Commander, irgendwas dringt durch die Außenhülle meines Schutzanzuges. Ah, die Hitze verbrennt mich! Verdammt, was ist das? Ich kann meine Beine nicht mehr bewegen…! Helfen sie mir, Commander! Ich…, ich sehe nichts mehr…!

Lektro-One riss in einer verzweifelten Geste die Arme hoch. Im nächsten Augenblick blähte sich sein Schutzanzug wie ein Ballon auf, um sofort wieder in sich zusammen zu fallen. Dann kippte Lektro-One der Länge nach in den tiefen Schnee und blieb dort regungslos liegen. Es dauerte eine Weile, da bewegte sich der zerborstene Schutzanzug plötzlich zuckend hin und her und eine ekelhaft aussehende, breiig-rote Fleischmasse kroch aus ihm heraus, die sich langsam wie eine blutrot gehäutete Schlange auf die geöffnete Schleuse der Zeitkapsel zu bewegte.

Commander Sirius hatte den dramatischen Todeskampf seines Bordingenieurs wie gelähmt vor Entsetzen auf dem kleinen Schleusenmonitor mit bekommen. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass da draußen mit Lektro-One etwas Schreckliches passiert sein musste. Instinktiv schlug er mit der Faust hastig auf den Notknopf der Schnellverriegelung. Sofort setzte sich mit einem lauten Geräusch das Außenschott hydraulisch in Bewegung, um die Zeitkapsel hermetisch abzuschließen. Er warf noch schnell einen Blick auf den Monitor und glaubte, draußen im aufkommenden Schneegestöber eine Gestalt gesehen zu haben, die sich auf die Zeitkapsel zu bewegte und aussah wie Lektro-One.

Verwirrt von diesem letzten Eindruck lief der Commander so schnell er konnte mit weit ausholenden Schritten in den Steuer- und Navigationsraum zurück, betätigte in aller Eile die Schnellstartsequenz des Antimateriegenerators, wartete einen Moment, bis die Leistungsanzeige bei fast hundert Prozent lag und ließ dann den Energieschild hochfahren, der sich hell flimmernd in Sekundenschnelle um die ganze Zeitkapsel legte.

Der nächste Schritt bestand für Commander Sirius darin, die Zeitsprungkoordinaten frei zuschalten, die auch in der Basisstation gespeichert waren. Ein dringender Notfall war eingetreten. Dann schickte er ein kodiertes Hyperraumnotsignal los, um die absolute Priorität seines Zeitsprunges durchzugeben. Nur wenige Minuten später erreichte ihn eine klare Bestätigung, welche am Steuerpult durch ein grünes Licht angezeigt wurde. Die ruhig daliegende Zeitkapsel begann noch im gleichen Moment unter der gewaltigen Energie des Antimateriegenerators zu vibrieren, bis sie etwas später vom Sog des schlagartig auftauchenden Wurmloches mitgerissen wurde und darin verschwand.

***

Als die Zeitkapsel aus dem stationären Wurmloch unter heftigen Turbulenzen am anderen Ende in das gigantische Start- und Landegebäude geschleudert wurde, geriet sie sofort in die aktivierten Magnetkräfte des Raumkrümmers, der sie automatisch in den geöffneten Andockmechanismus hineinzwang. Nach den üblichen Sicherheitsprozeduren ließen die Wissenschaftler der Versuchsanlage Commander Sirius aussteigen. Einige Stunden später traf man sich in einem der Beratungsräume innerhalb der Sicherheitszone. Außer Commander Sirius waren noch drei weitere, hochrangige Wissenschaftler zugegen, die ihn zuerst Willkommen hießen und sich anschließend der Reihe nach vorstellten.

Einer der drei Forscher trat aus der Reihe hervor und begann zu reden.

Commander Sirius, wir möchten ihnen zuerst einmal mitteilen, dass bedauerlicherweise ihr Bordingenieur Lektro-One bei seinem letzten Einsatz ums Leben gekommen ist. Wir haben ihn leider nicht retten können. Sicherlich wollen sie jetzt wissen, was mit ihrem Freund da draußen vor der Zeitkapsel passiert ist. Ich werde es ihnen gleich erklären. – Sie selbst haben übrigens sehr gute Arbeit geleistet. Wir müssen uns bei ihnen dafür bedanken. Durch ihre schnelle Reaktion haben sie verhindert, dass ein überaus gefährliches Virus in die Zeitkapsel eindringen konnte. Es wurde in dem Moment vernichtet, als sie den Schutzschild rechtzeitig aktivierten. Das Wurm ähnliche Wesen, ich nenne es mal Alien, ist durch die Berührung mit der Schirmenergie förmlich verdampft. Außerdem haben wir bereits das an die Zeitkapsel übertragene Bildmaterial der Helmkameras und die Daten aller anderen Meßinstrumente von Lektro-One ausgewertet und dabei festgestellt, dass in den gefundenen Zylindern winzigkleine Nanomaschinchen deponiert waren, die einen Virus im Gepäck hatten, das äußerst aggressiv gegen alles vorgeht, was lebendig ist. Aber es kommt noch schlimmer. Die Nanomaschinen leisten nur die Vorarbeit. Sie knacken fast jedes Material und erzeugen dabei eine brutale Hitze. Ist der Wirtskörper erreicht, dringen sie über die Haut in den Körper ein und setzen erst hier das Virus frei. Dieses beginnt sofort damit, die Zellstruktur des infizierten Lebewesens umzuprogrammieren. Das Ergebnis haben sie ja selbst sehen können. Es nimmt vorübergehend die Gestalt seines Wirtes an und verwandelt sich erst später in eine intelligente, weitaus verbesserte Lebensform, die uns bisher so noch nicht begegnet ist. Wir wissen nicht einmal aus welcher Ecke des Universums diese Kreaturen kommen. Eines ist aber jetzt schon sicher: Sie verbreiten sich auf raffinierte Art und Weise und haben auf dem Planeten NOXOS vor mehr als 25 Tausend Jahren ein gewaltiges Depot in Form einer Stadt angelegt, die wie ein gigantischer Friedhof auf den Betrachter wirkt. Wahrscheinlich nicht ganz ohne Grund. Denn an diesem Ort haben sie ihre eigenen Gene abgelegt, die tief in den Viren schlummernd eingebettet ihrer Freisetzung harren und möglicherweise Jahrtausende in den Metallzylindern, der zusätzlich noch mit einer Gelee ähnlichen Substanz ausgekleidet ist, überdauern können. Übrigens haben wir die übrigen Zylinder aus der Schleusenkammer der Zeitkapsel bereits sichergestellt. Sie liegen jetzt gut verpackt in unserem Hochsicherheitslabor für außerirdische Lebensformen. Wir haben einen von ihnen ausgiebig untersucht und interessante Sachen heraus gefunden. Sie können froh sein, dass diese Dinger den Zeitsprung schadlos überstanden haben. Wäre es nicht so gekommen, hätten wir sie zusammen mit der Zeitkapsel vernichten müssen. Nun, das Glück war auf ihrer Seite, und es wäre wirklich schade um sie gewesen, Commander Sirius.“

Schließlich trat ein weiterer Wissenschaftler hervor, den der Commander entfernt von einigen Testläufen her kannte.

Seine Stimme war etwas schleppend, als er anfing zu sprechen.

Ja, Commander, wir haben in der Tat ein Problem gehabt. Ich will ihnen das mal so erklären. – Während wir sie und Lektro-One 25 000 Jahre zurück in die Zeit reisen ließen, haben unsere Kryptocomputer fast zur gleichen Zeit einen großen Teil der Schriftzeichen entschlüsseln können, die sehr aufschlussreich waren. Wir fanden nämlich heraus, dass diese sog. „Stadt der Toten“, wir wollen sie mal so nennen, nur dazu diente, um dort ein hoch aggressives Virus zu hinterlegen, das über äußerst ungewöhnliche Fähigkeiten verfügt. Mein Kollege hat es ja schon angedeutet. Wir haben einiges an Mehr herausgefunden.

Nun, da gibt es eine Kombination aus Nanomaschinchen und Virus, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit von einer uns bisher völlig unbekannt gebliebenen Raum fahrenden Rasse stammt. Wir haben alles zusammen unter dem Begriff „Trojaner“ zusammengefasst. Die Erfinder dieses Trojaners haben es damit fertig gebracht, ihr eigenes Überleben zu sichern, indem sie andere Lebewesen mit dem Virus infizieren, das den befallenen Wirt in die eigene körperliche Gestalt, also die der Aliens, umwandelt. Das funktioniert sogar bei Tieren und Insekten. Wenngleich nicht so effektiv wie bei höher entwickelten Lebensformen. Eine faszinierende Metamorphose setzt sich dabei jedes Mal in Gang. Das Virus ist nicht nur überaus intelligent, sondern noch dazu im höchsten Maße überlebensfähig, was nicht verwundert, denn sie lagern mitunter mehrere Tausende von Jahren oder noch länger in ihren Metallzylindern, dessen Struktur denen von Kristallen gleicht und praktisch nicht verrotten kann. Die Totenstadt beherbergt offenbar Million davon. Wahrscheinlich liegen die ganzen Gene eines Volkes dort deponiert herum. Nun, wie schon gesagt. Hat das Virus erst einmal seinen wehrlosen Wirtskörper befallen, wandelt es diesen nach und nach in die Gestalt jener Lebewesen um, die einmal weit vor der Entstehung unserer eigenen Zivilisation den Planeten NOXOS aus dem All besucht haben. Die unbekannte Rasse baut wahrscheinlich überall im Universum ähnlich aussehende Totenstädte, offenbar mit der Absicht, dass andere intelligente Lebensformen, von ihrer Neugier getrieben, diese früher oder später finden werden, um die dort deponierten Zylinder zu öffnen. Das haben wir ja auch getan, nur mit dem Unterschied, dass wir die Gefahr rechtzeitig erkannt haben und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten konnten. – Aber bitte, dieses Thema geht an meinen nächsten Kollegen! Der wird ihnen alles Weitere erklären.“

Der nächste Wissenschaftler trat auf Commander Sirius zu.

Nun, Commander“, fragte er mit nachdenklichem Gesichtsausdruck, „wie soll ich nur anfangen?“ Er zögerte etwas, als wolle er jeden Satz auf die Goldwaage legen.

Schließlich fuhr er fort: „Nun, als wir heraus gefunden hatten, in welcher Gefahr sie und Lektro-One schweben würden, wenn solch ein gefährlicher Zylinder erst einmal geöffnet worden ist, schickten wir umgehend ein zweites Zeitreiseteam los, aber nicht um sie zu warnen, das sollte später geschehen, sondern um eine unserer mächtigsten Antimateriebomben im Zentrum der Totenstadt durch dieses Team anbringen zu lassen. Der Zeitzünder war so eingestellt worden, dass er die Bombe erst dann zur Zündung bringen sollte, wenn sie und Lektro-One wieder bei uns in der Versuchsanlage in Sicherheit waren. Leider kam es anders – jedenfalls für Lektro-One. Aber das die Antimateriebombe später tatsächlich doch explodiert ist, haben sie ja an den zerstörten Resten sehen können, die wir tief unter uns im Boden von NOXOS als millionenfach zerrissene Steinfragmente durch Zufall gefunden haben. Wir haben die Stadt der Toten, mit ihrem gefährlichen Virus darin, zerstört.

Aber das ist immer noch nicht die ganze Wahrheit, Commander.

Mittlerweile wissen wir, dass die gewaltige Explosion der Bombe nicht alle Nanomaschinchen und ihre Viren vernichten konnte, sondern dass einige von ihnen die Katastrophe überlebt haben. Wahrscheinlich darunter auch die Reste aus Lektro-One’s Zylinder. Irgendwie haben es dann die überlebenden Viren geschafft, einige der damals schon auf NOXOS lebenden Säugetiere zu infizieren. Durch ständige Mutationen schaffte es das Virus schließlich eine intelligente, humide Art hervorzubringen, die in vieler Hinsicht bereits der unseren glich. Die neuen Lebewesen veränderten sich kontinuierlich. Ihre Zahl wuchs unaufhörlich an und schließlich schufen sie auf dem Planeten NOXOS im Laufe der Zeit ansehnliche Kulturen und Zivilisationen. Manche gingen unter, andere entstanden neu. Aber immer war die ganze Zeit das gleiche Virus am Werk. Die Nanomaschinchen gab es natürlich bald nicht mehr. Die wurden auch nicht mehr gebraucht. Dann hatten wir einen Verdacht, der uns anfangs schier unvorstellbar vorkam.

Unsere Biologen konnten nämlich anhand vergleichender Gen- und Zellproben den eindeutigen Nachweis liefern – und daran besteht jetzt gar kein Zweifel mehr, dass wir Nachkömmlinge jener säugetierartigen Lebewesen sein müssen, die das überlebende Virus nach der Explosion der Antimateriebombe angefallen und infiziert hat.

Aber bitte, ich möchte meinem letzten Kollegen das Schlusswort überlassen. Er ist einer der Biologen aus dem Forscherteam, die uns dieses sensationelle Ergebnis beschert haben. Der Wissenschaftler drückte auf einen Knopf.

Ein hochgeschossener Mann im weißen Kittel trat durch eine Seitentür ein und blieb schließlich mitten im Raum stehen. Dann wandte er sich dem Commander zu und sagte: „Wir haben mittlerweile Pläne ausgearbeitet, die das sichere Überleben unserer Rasse auch noch in ferner Zukunft nicht nur auf NOXOS erlauben wird.

Zu diesen Zweck hat sich der oberste Wissenschaftsrat jetzt schon dazu entschlossen, die restlichen Zylinder samt Inhalt in unseren Hochsicherheitslabors genauestens zu analysieren. Unser Ziel ist es, alles haargenau zu kopieren. Das wird uns nicht besonders schwer fallen. Wenn das geschehen ist, werden wir dazu in der Lage sein, die Gene unserer eigenen Rasse in das von uns neu erschaffene Virus zu importieren. Auch die nächsten Schritte stehen schon fest. Mit Hilfe unserer Zeitsprungtechnik werden wir auf jeden Planeten, den wir besuchen, aufwendig gestaltete Depots errichten, in den unsere Zylinder mit den gesamten Genen unseres Volkes, innewohnend in Billionen von Viren, hinterlegt sind.

Im Grunde genommen wenden wir nur die gleiche Überlebensstrategie der unbekannten Fremden aus dem All an. Diese Methode der Arterhaltung stufen wir als außerordentlich effektiv ein. Das müssen doch auch sie zugeben, Commander Sirius. Unsere Rasse würde dadurch so gut wie unsterblich werden.“

Der Commander schaute den Biologen jetzt unverwandt in die Augen. Dann sagte er: „ Tja, mein Guter. Wie sagt man noch? Ach ja! Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Was heißen soll: Wir sind die Alien..., nicht wahr? Oder etwa nicht?“



(c)Heinz-Walter Hoetter

 

 

 

***

 


 

4. Die geheimnisvolle Stadt der Fremden


 


 

Hoffen wir, dass uns die Außerirdischen nie finden werden. Oder sind sie schon mitten unter uns?“

 

***


Dr. Eliot Stavanger, der Astrophysiker, saß allein in ‚Ellis Cafe’ und schaute gedankenverloren zum verstaubten Sprossenfenster hinaus. Es war schon später Nachmittag. Draußen, auf der staubigen Hauptstraße der Kleinstadt Rosswell, gab es nicht viel zu sehen, weil die meisten Bewohner um diese Zeit schon in ihren Häusern waren. Außerdem war es immer noch sehr heiß.

 

 

Eigentlich wollte Dr. Stavanger diesen Ort jetzt so schnell wie möglich wieder verlassen, war aber dann doch noch etwas länger geblieben als geplant, denn es gab da etwas, was er unbedingt in Erfahrung bringen musste.

 

In ‚Ellis Cafe’ war die Einrichtung spartanisch. Da standen ringsherum an den altmodisch tapezierten Wänden sechs kleine Tische mit je vier Stühlen. Auf den quadratisch geformten, braun hölzernen, ziemlich abgewetzten Tischplatten, alle verziert mit kleinen, weißen Spitzendeckchen, befanden sich die üblichen Gästeutensilien, wie Aschenbecher, runde Bieruntersetzer und halb abgebrannte Kerzen. Die Gardinen und Vorhänge waren leicht vergilbt, an der Wand gegenüber hing eine alte Pendeluhr, die um fast fünf Minuten nachging; ein noch älteres Röhrenradio spielte krächzend im Hintergrund leise Musik. Über dem Ausgang, der auch gleichzeitig Eingang des Cafes war, summte gleichmäßig ein kleiner Ventilator, der unermüdlich frische Luft in den Raum blies.

 

Dr. Stavanger schob mit einem kaum hörbaren Seufzer den Teller mit den übriggebliebenen Resten seines viel zu fettigen Mittagsessens von sich und wischte sich dann mit der Serviette missmutig einige Speisereste vom Mund. Er fühlte sich im Augenblick nicht wohl, was aber nicht an der gerade eingenommenen Mahlzeit lag. Sein Unwohlsein hatte andere Ursachen. Deshalb versuchte er sich einzuhämmern, dass Rosswell eine Kleinstadt wie jede andere war, die immerhin an die sechstausend Einwohner hatte. Rosswell war also, so schien es jedenfalls nach außen hin, nichts weiter als eine Kleinstadt wie zig Tausende andere auch in diesem schier unendlich weiten Land, das Amerika hieß.

 

Es gab überhaupt nicht den geringsten Anlass zur Furcht. Oder vielleicht doch?

 

Der Doktor trank den Rest seines schal gewordenen Bieres aus, überlegte kurz, ob er sich eventuell noch ein zweites bestellen sollte, verwarf aber den Gedanken gleich wieder.

 

Dafür kramte er aus seiner rechten Jackentasche eine zerknitterte Schachtel Zigaretten hervor und schob sich einen der krummen, filterlosen Sargnägel zwischen die Zähne. Nachdem er die Zigarette angezündet hatte, zerbrach er das Streichholz und versenkte es in dem leeren Bierglas. Dann blies er einen unförmigen Rauchring in Richtung des Ventilators schräg über ihm und beobachtete den Kampf zwischen dem Rauch und dem herein wirbelnden Luftstrom über der Tür. Es wird wohl von Haus aus ein ungleicher Kampf, den der Rauchring natürlich verlieren muss, dachte sich der Mitfünfziger, grinste dabei ein wenig, wobei er in Wirklichkeit in seinen Gedanken ganz woanders war.

 

Ihr sollt alle in der Hölle schmoren“, kam es dem Astrophysiker plötzlich halblaut über die Lippen, der den Rest des Satzes in seinen mittlerweile üppig gewachsenen Bart grimmig hinein murmelte.

 

Seit mehr als vier Wochen war Dr. Stavanger jetzt schon in dieser kleinen Stadt, die etwas verschlafen in einem weiten, sanft abfallenden Tal lag, das wiederum von Äckern, grünen Wiesen und herrlichen Wäldern umgeben war. Hier war die Natur offenbar noch in Ordnung.

 

Der Mann schaute noch einmal angestrengt aus dem verstaubten Sprossenfenster, während er weiter an der glimmenden Zigarette sog. Die Straßen waren noch immer menschenleer. Dann schaute der Doktor auf die Uhr, die kaum hörbar vor sich hin tickte. Die Zeit, es kam ihm jedenfalls so vor, schien im Schneckentempo dahin zu kriechen.

 

Dr. Stavangers Blick fiel jetzt auf den Ausgang. Eine unbestimmte Angst überkam ihn auf einmal, nach draußen zu gehen. Deshalb wollte er lieber in diesem gemütlichen Cafe bleiben und erst einmal seine Zigarette genüsslich zu Ende rauchen.

 

Doch dann riss er sich zusammen, stand mit einem Ruck auf, stieß den Stuhl ärgerlich zurück und redete sich ein, dass es nichts gab, wovor er sich eigentlich fürchten müsste. Kein Mensch in Rosswell hatte bisher versucht, ihm etwas zuleide zu tun. Sie war ja, wie tausend andere verschlafene Nester auch in diesem weiten Land, eine ganz normale Kleinstadt. Oder etwa doch nicht?

 

Der Doc warf schnell ein paar Münzen auf den Tisch, inklusive Trinkgeld. Dann marschierte er zielstrebig zum Ausgang des Raumes. Die Bedienung hielt sich irgendwo in den Nebenräumen auf und hatte anscheinend etwas Wichtigeres zu tun, als ihn abzukassieren.

 

Als er das Cafe verließ und nach draußen auf die Straße trat, empfand er die schwüle Wärme schon fast als angenehme Wohltat. Der Teerbelag des Fußgängerweges war zwar noch heiß, aber die Sonne näherte sich langsam dem Horizont, wodurch die Häuser jetzt lange Schatten warfen. Außerdem wehte eine leichte Brise durch die Straßen, sodass es merklich kühler wurde.

 

Der Astrophysiker warf seinen abgebrannten Zigarettenstummel weg und ging ein paar Schritte die staubige Hauptstraße hinunter. Als er an einer weißgetünchten Wand vorbeikam, blieb er stehen und betrachtete seinen Schatten. Er, Dr. Stavanger, war ein kräftig aussehender Mann und über einsachtzig groß. Der Blick seiner blauen Augen war ruhig und klar, sein Auftreten außerordentlich selbstsicher. Er trug die übliche Kleidung: eine abgewetzte Jeanshose, ein rotkariertes Farmerhemd, auf dem Kopf einen breitrandigen Filzhut und an den Füßen klobige Cowboystiefel. Man sah ihn den Doktor der Astrophysik nicht an, und er wirkte auch nicht wie ein Mann, der sich leicht vor jemanden oder etwas fürchtete.

 

Und doch kam es ihm so vor, als ob diese verschlafene, abseits der Hauptrouten gelegenen Kleinstadt, mit dem Namen Rosswell, irgendwie auf ihn warten würde, fast so, als streckte sie ihre Hand nach ihm aus.

 

Er hatte schon als kleiner Junge viele Bücher von wagemutigen Forschern und Abenteurern gelesen; von Männern, die das Unbekannte, das Geheimnisvolle und Mysteriöse entdecken wollten. Nicht selten setzten sie dabei ihr Leben aufs Spiel. Diese Männer waren Forscher und Entdecker gewesen, die konsequent und leidenschaftlich ihrer Bestimmung gefolgt waren, um das Wissen der Menschheit auf ihre ganz persönliche Art und Weise zu vergrößern und zu erweitern.

 

Doch nach der Kleinstadt Rosswell hatte bisher noch niemand geschaut oder sich mit ihr beschäftigt, außer Dr. Eliot Stavanger natürlich, ein ruheloser Wissenschaftler, der seinen Sommerurlaub mit voller Absicht in dieser Kleinstadt verbrachte, weil ihm etwas zu Ohren gekommen war, das ihn dazu veranlasste, diesen abgelegenen Ort in aller Ruhe, aber unter größter Geheimhaltung natürlich, einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

Denn irgendwas stimmte hier nicht in Rosswell. Der hartnäckige Wissenschaftler konnte etwas mit seinen bisherigen Ermittlungsergebnissen nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen, denn diese Kleinstadt schien nicht das zu sein, was sie vorgab. Sie war irgendwie anders, fast so, als würde sie jeden fremden Besucher über ihre wahre Identität absichtlich täuschen.

 

Dr. Stavanger schaute die Hauptstraße hinauf und hinunter. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Langsam ging er weiter, bis er endlich seinen alten, langgestreckten, zweisitzigen Buick Y-Job erreichte, der auf einem Parkplatz unmittelbar an der Hauptstraße stand. Ohne Hast stieg er ein und setzte sich hinters Lenkrad. Zuerst wusste er nicht, wohin er fahren sollte und wartete noch eine Weile, bis er endlich den Zündschlüssel ins Zündschloss steckte, den Wagen aber dennoch nicht startete.

 

Draußen wurde es langsam dunkel. Die Sterne erschienen nacheinander am Himmel, und die Luft roch nach frischem Sauerstoff. Er könnte jederzeit Rosswell verlassen und zurück nach Hause fahren, wo seine Frau Rose auf ihn wartete. Es lag nur an ihm selbst. Aber er wusste nicht, warum er noch hier war, und was er hier in diesem Gott verdammten Nest eigentlich noch zu suchen hatte. Eliot Stavanger schloss die Augen und erinnerte sich.

 

Vor etwa drei Monaten hatte er durch Zufall auf dem Dachboden seines gehbehinderten Freundes Randolf Maier, einem passionierten Schriftsteller, eine alte Zeitung gefunden und darin etwas über die Kleinstadt Rosswell gefunden. Es war nur ein kleiner Artikel eines unbedeutenden Reporters, der hier auf der Durchreise gewesen war und wohl nicht wusste, was er schreiben sollte. Er klapperte nacheinander jede kleine Stadt ab und fragte sich, wer wohl so alles in diesen unerforschten Gemeinden wohnte, durch die die allermeisten Großstädter mit ihren schnellen, protzigen Nobelkarossen hindurch brausten, ohne sich zu fragen, was die Bewohner machen, was sie denken, wie sie leben, wo sie herkommen oder wohin sie gehen. Der Reporter fand heraus, dass nur wenige dieser oft abgelegenen Kleinstädte von Soziologen wissenschaftlich erforscht worden sind und über neunzig Prozent dieser Ortschaften ihnen genauso unbekannt waren, wie die Oberfläche des Mondes oder des Mars.

 

Wörtlich schrieb der Reporter am Ende seines kleinen Artikels: „Fahren Sie hinaus aufs weite Land und schauen Sie sich unsere Ansiedlungen, Dörfer und Kleinstädte an! Gehen Sie auf die dort lebenden Menschen zu und setzen Sie sich mit ihnen auseinander! Stellen Sie Fragen und betrachten Sie dabei alles genauso objektiv, wie Sie es bei einem neu entdeckten Stamm in den unerforschten Weiten der Dschungelwildnis Afrikas täten! Und denken Sie bitte stets daran, dass niemand auf der Erde des Menschen voraussagen kann, was Sie vielleicht bei diesen Untersuchungen finden werden.“

 

Dann folgte ein düster aussehendes schwarz-weiß Foto vom völlig menschenleeren Marktplatz der Kleinstadt Rosswell mit einer kurzen, aber aufschlussreichen Bemerkung darunter, dass dem Reporter die Bewohner ziemlich sonderbar vorgekommen seien und Fremde ganz allgemein nicht gerne bei ihnen gesehen wären.

 

Dieser komisch anmutende Hinweis war Anlass genug für den Astrophysiker gewesen, diesem Ort mal einen Besuch abzustatten, der sein Hobby zum Beruf gemacht hatte. Das war vor mehr als vier Wochen gewesen, als er hier zum ersten Mal mit seinem Buick die breite Hauptstraße entlang gefahren war.

 

Nun, Dr. Stavanger hatte bisher schon eine ganze Menge herausgefunden. Aber er konnte beim besten Willen seine Ergebnisse nicht so einfach und sinnvoll erklären und schon gar nicht unter einen Hut bringen. Jeder andere Wissenschaftler in dieser Situation hätte an diesem Punkt wohlmöglich aufgegeben. Der Astrophysiker war in der Tat am Ende seiner Weisheit. Doch Eliot Stavanger wollte nicht aufgeben. Jedenfalls noch nicht jetzt.

 

Der Doktor startete den Motor des schweren Wagens und fuhr los. Die Dunkelheit kroch mittlerweile wie ein schleichender Schatten übers Land. Er schaltete deshalb die Scheinwerfer ein und begann ziellos durch die schlecht beleuchteten Straßen zu fahren. Sein offener Buick rollte an einem dezent erleuchtetem Juweliergeschäft vorbei, passierte die protzig aufgemachte Fassade einer Bank und erreichte schließlich am Ende der Straße eine kleine Bar, aus der gedämpfte Musik und schwaches Stimmengemurmel ertönte. Eine junge Frau stand neben der offenen Tür und widmete sich hingebungsvoll ihrem Make-up, indem sie sich mit der rechten Hand einen kleinen runden Spiegel vors Gesicht hielt, um sich unablässig prüfend darin zu betrachten.

 

Eliot Stavanger bog links ab in eine Straße, die über die Eisenbahnschienen führte und kam in einen anderen Stadtbezirk, der aber nicht viel anders aussah, als der erste, den er vorher durchfahren hatte. Allerdings war hier ein bisschen mehr los. Es liefen einfach mehr Leute herum. Außerdem waren die Straßen besser beleuchtet. Irgendwo hörte man das lustige Lachen von tanzenden Menschen und wiederum andere, die zur Begleitung einer Gitarre sangen.

 

Der Astrophysiker fuhr seinen Buick in eine nahgelegene Parkbucht, nahm den Gang heraus, ließ aber vorsorglich den Motor weiterlaufen. Er fingerte wieder nach einer Zigarette, zog sie vorsichtig aus der verknüllten Schachtel heraus und zündete sie an. Dann betrachtete er prüfend die dämmrige Umgebung. Er hatte im Moment keine Lust dazu, in sein Hotelzimmer zu fahren. Ihm schauderte vor dem Gedanken, eine weitere Nacht mit wirren Träumen verbringen zu müssen. Lieber schlug er sich auf diese Art und Weise die Zeit um die Ohren, auch wenn es ihm nicht behagte.

 

Während der Wissenschaftler in seinem Wagen saß und genüsslich rauchte, versuchte er konzentriert seine permanente Furcht zu analysieren, die zu einem großen Teil in der offenen, aber auch versteckten Feindschaft der Bewohner von Rosswell gegenüber Fremden begründet zu sein schien. Diese Kleinstadt strahlte eine gewisse Feindseligkeit und Unheimlichkeit aus, was sich mit den tagtäglichen Abläufen, die sich für den Reisenden als völlig normal darstellten, bei genauer Betrachtung allerdings nicht vereinbaren ließen.

 

Natürlich ist Furcht in der Regel reine Gefühlssache. Furcht empfindet jeder Mensch anders. Eliot Stavanger erinnerte sich dabei zurück an jene Zeit, als er noch Marinesoldat in der Armee war. Bei einem schweren Schiffsunglück wäre er beinah ertrunken und seitdem empfand er eine tiefe Abneigung vor den dunklen, unergründlichen Wassermassen des Meeres, in denen er beinah umgekommen wäre. Wasser hat eben keine Balken, dachte Eliot und wer darin nicht schwimmen konnte, der war dem nassen, erbarmungslosen Element hilflos ausgeliefert, das keine Gnade gegenüber dem Lebenswillen eines Ertrinkenden kannte.

 

So ein ähnlich hilfloses Gefühl beschlich ihn jetzt wieder hier in der Kleinstadt Rosswell, die ihm irgendwie auf unerklärliche Weise seltsam erschien und an einen Ort erinnerte, an dem etwas Geheimes vonstatten ging, dessen Ursache er sich einfach nicht erklären konnte.

 

Doch in welche Gedanken verstieg er sich da wieder?

 

Der Wissenschaftler ertappte sich dabei, wie er laut vor sich hin sprach.

 

Menschenskind Stavanger, hör endlich auf mit deinem eingebildeten Blödsinn! Du landest bestimmt noch einmal in der Klapsmühle, wenn du so weiter machst.“

 

Frustriert drückte er mehrmals hintereinander aufs Gaspedal. Der 8 Zylinder seines Buicks heulte im Stand laut auf und die Karosserie fing durch den kraftvollen Leerlauf leicht an zu schaukeln. Dann brachte er den Wagen wieder in Gang und fuhr zurück auf die Hauptstraße und aus der Stadt hinaus.

 

Bald befand er sich auf einer wenig befahrenen Landstraße, die über das flache Land nach Süden führte. Die Nacht war kühl geworden. Das elektrische Verdeck war zu, aber der frische Wind wehte zum offenen Fenster hinein. Der Motor brummte gleichmäßig vor sich hin, und die Scheinwerfer bohrten ein helles Loch in die pechschwarze Dunkelheit, das sich hinter seinem Buick ebenso pechschwarz wieder füllte.

 

Dr. Eliot Stavanger starrte während der ganzen Fahrt in die Nacht hinein und dachte angestrengt nach. Er wusste mit Bestimmtheit, dass in Rosswell etwas faul war. Und genau das wollte er herausfinden. Koste es, was es wolle.

 

 

***

 

Nach etwas mehr als sechs Meilen bog er von der Landstraße nach links auf eine Art besseren Feldweg ab, der zunächst ein ganzes Stück mit einer rissigen Teerdecke überzogen war. Aus den mit Erde gefüllten Spalten wuchs Gras. Zu beiden Seiten erstreckten sich weite Wiesen, gepflügte Äcker und ein paar größere Waldgebiete, die wie schwarze Matten in der mondhellen Landschaft lagen, deren Ausläufer an vielen Stellen bis zum Horizont reichten. Droben, am nächtlichen Firmament, funkelte ein kaltes Sternenmeer. Eine helle Sternschnuppe zog mit rasender Geschwindigkeit über seinen Kopf hinweg und verglühte schließlich irgendwo am weiten Nachthimmel.

 

Eliot schaltete das Radio ein, um seine Nerven zu beruhigen. Ein schwach gelbes Licht leuchtete auf, kurz danach ertönte ein monotones Brummen. Die Stimmung des Mitfünfzigers stieg, als er den ersten Sender hörte. Wie nicht anders zu erwarten, lief gerade ein Werbeslogan. Er drehte schnell weiter am Knopf, bis endlich Musik zu hören war. Der Buick war mittlerweile über eine alte Brücke gerumpelt, die sich über einen kleinen Fluss spannte. Nach der Brücke lenkte er das Fahrzeug scharf nach rechts auf eine breite Kiesstraße, die direkt am Fluss entlang führte. Der Kies knirschte unter den wuchtigen Reifen. Trotzdem behielt der Doc die Geschwindigkeit des dahinrauschenden Buicks bei. Die linke Seite der Fahrbahn wurde von einer dichten Baumreihe gesäumt, die jedoch abrupt von einem hohen Zaun unterbrochen wurde. Dahinter befanden sich offenbar ausgedehnte Viehweiden, die man in der Dunkelheit aber nicht so richtig erkennen konnte. Sicher war nur eins, dass er sich ganz in der Nähe einer Ranch befinden musste, die er ganz bewusst aufsuchen wollte.

 

Wieder fiel ihm die Kleinstadt Rosswell ein. Was war es nun wirklich, was ihn an diesem Ort so gänzlich aus der Ruhe brachte? Im gleichen Atemzug sagte sich Eliot in Gedanken, dass er wohl über extreme Einbildungskräfte verfügte, um sich derart übernatürliche Dinge einfallen zu lassen, wie er sie gerade dachte.

 

Auf der anderen Seite war er Astrophysiker, der sich normalerweise mit den physikalischen Grundlagen der Erforschung von Himmelskörpern beschäftigte. Die Astronomie war ihm allerdings ebenso geläufig. Aber noch viel interessanter war sein privates Hobby, das sich ausschließlich um die Frage drehte, ob es Außerirdische gibt oder nicht. Wo er nur konnte, sammelte er Informationen darüber, ging ihnen zäh nach und wertete sie dann auf ihren verlässlichen Wahrheitsgehalt hin aus. Alles in allem war er nicht der Typ, der gerne Gespenster hinterher jagte, aber in der Kleinstadt Rosswell gab es Dinge, die ihn mehr als stutzig gemacht hatten. Er musste es nur noch beweisen können.

 

Trotzdem konnte er schon eine Menge positiver Anhaltspunkte für seine Vermutungen verbuchen.

 

Am ersten Tag seines Eintreffens in der Kleinstadt hatten ihm die Einwohner nichts als Feindseligkeit entgegen gebracht. Eliot Stavanger ließ sich natürlich nicht davon abschrecken, blieb und quartierte sich demonstrativ in einem der hiesigen Hotels ein.

 

Schon nach einer Woche änderten die Bewohner ihr anfänglich feindliches Verhalten. Sie waren plötzlich freundlich zu ihm und beantworteten jede seiner Fragen offen und ehrlich, soweit es ihnen unter den gegebenen Umständen möglich war.

 

Unabhängig davon bekam der Wissenschaftler durch Zufall heraus, was er natürlich eisern verschwieg, dass es in Rosswell nicht einen einzigen Bewohner gab, der länger als zwanzig Jahre hier in dieser Kleinstadt gelebt haben dürfte, obwohl die Einwohnerzahl ziemlich konstant geblieben war. Sie belief sich auf etwa sechstausend Menschen und hatte sich all die vielen Jahrzehnte nie großartig geändert. Für die allermeisten Besucher oder Durchreisenden wirkte der Ort nicht selten wie eine Geisterstadt, weil ein Großteil der Bevölkerung offenbar ganz bewusst die Öffentlichkeit mied oder eine gewisse Fremdenscheu entwickelt hatte, was dem Forscher an sich schon ziemlich ungewöhnlich vor kam. Auf Grund der historischen Bücher im Stadtarchiv musste Rosswell schon mehr als einhundertzwanzig Jahre alt sein. Nichtsdestotrotz hatte die Stadt mit allen zivilisatorischen Errungenschaften mitgehalten. Sie machte rein äußerlich einen ganz normalen Eindruck. Es schien in ihr allerdings keine Krankheiten zu geben oder gegeben zu haben, keine Missernten oder Seuchen und auch keine politischen Unruhen. Alles lief hier diszipliniert ab und funktionierte wie ein Uhrwerk, stets gut organisiert und absolut friedlich.

 

Eliot Stavanger dachte jetzt intensiver nach.

 

Wenn das zutrifft und das vorher Erwähnte als richtig unterstellt wird, dann bedeutete dies logisch gesehen, dass die gesamte Bevölkerung, also Männer, Frauen und Kinder, etwa alle zwanzig Jahren komplett ausgewechselt worden ist. Welchen Ausdruck sollte man sonst dafür gebrauchen, als ‚ausgewechselt’? Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der hier in aller Stille ablief und offenbar von niemanden bisher entdeckt worden war, auch von staatlicher Seite nicht. Wer steckt dahinter? Wer sind die Organisatoren? Handelt es sich hier gar um ein geheimes Experiment, das kein Aufsehen erregen soll? Eine äußerst beängstigende Tatsache, wie Dr. Eliot Stavanger fand. Innerhalb von zwanzig Jahren bildete sich demnach stets eine völlig neue Bevölkerung heraus, obwohl kein direkter Zuzug von außen zu erkennen war, was an sich schon als höchst mysteriös einzuordnen wäre. Alle damaligen Ureinwohner waren – einer nach dem anderen – weggezogen. Jedenfalls den Büchern nach. Niemand von ihnen kehrte jemals zurück. Doch wohin sind jene gegangen, die ersetzt worden sind? Fragen, nichts als Fragen, auf die der Forscher noch keine Antwort wusste.

 

Die Leute in Rosswell verhielten sich darüber hinaus irgendwie gefühlskalt. Sie schienen ehr wie lebendige Automaten zu funktionieren, die eine einstudierte menschliche Rolle übernommen hatten. Warum?

 

Plötzlich tauchte im Lichtkegel der Scheinwerfer vor dem Buick ein langes Torgatter auf. Dr. Stavanger bremste den Wagen scharf ab, stieg aus und schob den eisernen Riegel beiseite. Dann stieß er mit einem heftigen Ruck die bewegliche Holzkonstruktion nach hinten, die knirschend über den harten Boden rutschte und schließlich schaukelnd festfuhr. Das Gatter stand jetzt weit offen, sodass der Buick ohne Schwierigkeiten hindurch fahren konnte.

 

Die sternenklare Nacht war still. Nur ein leichter Wind strich über die unzähligen Wiesen und Felder. Der helle Mond tauchte die weite Landschaft in ein fahles Dämmerlicht und der Glanz der Sterne leuchtete hart und kälter als je zuvor.

 

Der Buick rollte langsam über den ausgefahrenen Kiesweg, der jetzt etwas schmaler geworden war. Nach knapp einer Meile hatte Dr. Stavanger eine kleine Anhöhe erreicht, von der er eine Ranch vor sich liegen sah. Nirgendwo brannte ein Licht, was den Forscher zu der Annahme veranlasste, dass die Leute anscheinend schon schlafen gegangen waren. Plötzlich fiel ihm ein, dass in Rosswell im Grunde genommen viel zu wenig Lichter brannten. Der Ort lag ohnehin die meiste Zeit im Dunkeln. Wenn man nach Einbruch der Nacht durch die Straßen fuhr, konnte man nur selten ein hell erleuchtetes Fenster erspähen. Was das zu bedeuten hatte, wusste der Doc nicht. Er konnte sich im Moment darauf keinen Reim machen.

 

Der Forscher steuerte den Wagen an den rechten Wegrand, stellte den Motor ab und schaltete das Licht aus. Er blieb noch eine Weile hinterm Steuer sitzen und versuchte Herr über seine Gedanken zu werden, die ihm wie Querschläger durchs Gehirn schossen.

 

Er konzentrierte sich auf die Ranch unten am Fuß der Anhöhe. Ihm war beim letzten heimlichen Besuch in der Nacht einige Dinge aufgefallen, die er jetzt nochmals genauer überprüfen wollte. Nichtsdestotrotz, was immer auf der Ranch vorgehen musste, er hatte wohl nicht das Recht dazu noch eine Entschuldigung dafür, im Schutze der Nacht auf fremden Besitz herumzuschleichen. So dringend war seine selbsternannte Mission nun auch wieder nicht.

 

Dr. Stavanger zögerte einen Moment und überlegte, ob er doch lieber wieder zurückfahren sollte. Doch wohin? In Rosswell gab es momentan keine Antwort auf seine quälenden Fragen, hier draußen wohlmöglich schon.

 

Der Forscher saß in der Dunkelheit und beobachtete die im fahlen Mondlicht liegende Landschaft. Er kam sich plötzlich wie ein Idiot vor. Das Problem war, dass es höchstwahrscheinlich kein Problem gab. Das einzige Problem existierte in Form seiner angespannten Fantasie oder einer eher schlampig durchgeführten Arbeit, die nachträglich fiktive Dinge hervorzauberte, die in der Realität keinen Bestand hatten. Nur Spekulationen also, die zwar für eine gewisse Spannung sorgten, aber mehr Seifenblasen glichen, die jederzeit platzen konnten. Es gab nichts weiter als eine laue Sommernacht auf einem abgelegenen Feldweg vor einer still und verschlafen da liegenden Ranch.

 

Auf einmal beschlich Dr. Stavanger ein komisches Gefühl. Zunächst fand er keine Erklärung dafür. Ruckartig setzte er sich auf und war im nächsten Moment hellwach. Seine Hände fingen an zu schwitzen, die jetzt das Lenkrad fest umklammert hielten. Er lauschte. Doch er konnte nichts Verdächtiges hören. Dann starrte er nach vorne zur Ranch, die wie verlassen da lag.

 

Halt! War da nicht etwas? Der Mann in dem Buick hielt den Atem an. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, als er zum nächtlichen Himmel hinaufblickte. Dort, über dem größten Gebäude der Ranch bewegte sich etwas, das aussah wie ein riesiges, eiförmiges Ding.

 

Der Doktor stieß die angehaltene Luft zischend aus. Seine Hände klebten am Steuer. Er fühlte, wie sich die Nackenhaare aufstellten und ein kalter Schauer über seinen Rücken entlang fuhr. Langsam öffnete er die Wagentür und stieg aus dem Wagen, ohne das Ding aus den Augen zu lassen. Die Größe war schlecht einzuschätzen, aber es war länger als alle Gebäude auf der Ranch zusammengenommen. Seiner Schätzung nach müsste es mehr als sechshundert Meter lang sein. Für die Höhe hatte der Doc keine Anhaltspunkte, da sich ein Teil des Dings in der Schwärze der Nacht nach oben hin verlor. Erst jetzt begriff der Wissenschaftler, dass es sich bei diesem schwebenden oval geformten Metallkörper um ein riesiges Raumschiff handeln muss, das offenbar am höchsten Gebäude der Ranch angedockt hatte.

 

Der Astrophysiker wusste nicht, wie lange er mit vor Staunen weit geöffnetem Mund auf dem Feldweg gestanden hatte, als sich an der Unterseite des Raumschiffes unerwartet ein paar große Luken öffneten. Lichter flammten kurz auf, dann lösten sich einige kleine Schatten von dem großen ovalen Flugkörper und sanken hinab in das Gebäude.

 

Dr. Stavanger war kurz davor, zu seinem Wagen zurück zu laufen, um davon zu fahren. Er kam sich hilflos und verlassen vor. Was würde geschehen, wenn die fremden Besucher ihn hier draußen eine halbe Meile vor der Ranch entdeckten? Nicht auszudenken! Dennoch rührte er sich nicht von der Stelle. Das war seine Chance, auf alles eine Antwort zu bekommen. Wenn er die jetzt verpasste, würde er nie wieder ruhig schlafen können. Wenn er sie jedoch wahrnahm, hätte er alle Beweise auf einmal zusammen, um die staatlichen Behörden und das Militär davon zu überzeugen, dass eine außerirdische Rasse dabei ist, eine stille Invasion der Erde voranzutreiben.

 

Der Wissenschaftler stand noch immer still und bewegungslos in der Nähe seines alten Buicks.

 

Eines der kleinen Flugobjekte aus dem Raumschiff landete auf dem großen Hof der Ranch. Der Vollmond schien hell, sodass man etwa neun oder zehn Personen sehen konnte, die das Miniraumschiff verließen und ins Haus gingen, die Tür hinter sich sorgfältig abschließend. Drinnen wurde Licht eingeschaltet.

 

Das war alles.

 

Das gigantische Raumschiff war plötzlich von einer Sekunde auf die andere verschwunden. Die Sterne funkelten wie immer. Der kleine Flugkörper versank auf einer surrenden Plattform runter in einen unterirdischen Hangar, der sich gut getarnt direkt unter der Oberfläche des weiten Hofes befand. Dann wurde es schlagartig wieder ruhig. Nur einige Lichter im Haus brannten noch. Sonst spielte sich nichts weiter ab.

 

Dr. Eliot Stavanger war wie betäubt. Er konnte nichts mehr denken, weder das Gesehene richtig begreifen noch wären ihm jetzt vernünftige Worte über die Lippen gekommen. Mit weichen Knien taumelte er zu seinem Buick zurück, öffnete leise die Tür und setzte sich hinters Lenkrad. Nur mit Mühe konnte er sich beherrschen. Er schaute auf die Uhr. Mitternacht war schon längst vorbei.

 

Er startete den Motor des Wagens, schaltete nur das Standlicht ein und fuhr ein Stück rückwärts bis zu einer freien Stelle, die es ihm ermöglichte, mit dem langen Buick zu wenden. Dann brauste er den gesamten Weg zurück, den er vorher gekommen war. Erst auf der Landstrasse schaltete er die Scheinwerfer ein und fuhr in Richtung Rosswell davon. Unterwegs dachte er darüber nach, dass er erkennen musste, dass er in eine Welt geraten war, die anders war als jene, die er zu kennen glaubte. Sein gesunder Menschenverstand war dahinter gekommen, dass der Mensch nicht allein im Universum lebte und vielleicht nur eine Existenzform unter vielen zu sein schien. Es gab Außerirdische, die der menschlichen Kreatur allerdings in jeder Beziehung weit überlegen waren und bereits eine hochentwickelte Raumfahrt betrieben, von der eine ahnungslos gebliebene Menschheit nur träumen konnte.

 

Auf jeden Fall würde er in aller Herrgottsfrüh noch einmal zur Ranch zurückfahren, um den Anwesenden dort einige Fragen zu stellen. Dass er dabei mit der entsprechenden Vorsichtig zu Werke gehen musste, war ihm klar. Niemand sollte vorerst erfahren, was er gesehen hatte. Jetzt aber wollte er nur noch zurück ins Hotel, damit er endlich schlafen gehen konnte. Die bisherige Anspannung legte sich langsam und wich einer steigenden Müdigkeit, die ihn zu übermannen drohte. Um nicht am Steuer einzuschlafen, rauchte Dr. Stavanger eine Zigarette nach der anderen. Etwa eine knappe Stunde später war er endlich angekommen, stellte den schwarzen Buick auf dem hoteleigenen Parkplatz ab und schlich sich auf sein karg eingerichtetes Zimmer, das im zweiten Stock lag. Offenbar hatte niemand seine Rückkehr bemerkt. Todmüde ließ sich der Forscher aufs weiche Bett fallen, streifte mit letzter Kraft seine schmutzigen Cowboystiefel ab und schlief mit verstaubter Jacke und Jeanshose schnarchend ein.

 

***

 

Draußen war es schon lange hell geworden. Das Sonnenlicht schien gerade zum Fenster hinein, als der Astrophysiker benommen aufwachte und verschlafen mit halb geöffneten Augen im Zimmer herumblickte. Er schaute auf die Uhr. Es war kurz nach zehn. Wie von der Tarantel gestochen sprang Dr. Eliot Stavanger laut fluchend aus dem Bett, als er sah, dass er mit voller Bekleidung schlafen gegangen war. Missgelaunt verschwand er schließlich im Badezimmer und kam erst eine Stunde später, allerdings frisch gewaschen am ganze Körper, wieder daraus hervor. Auch Jacke und Hose sahen jetzt besser aus als vorher, die er sorgfältig ausgebürstet hatte. Zu guter Letzt schlüpfte er noch in saubere Cowboystiefel und spazierte gelassen runter ins Hotelrestaurant.

 

Nach einem verspäteten Frühstück ging er zum Hotelparkplatz, stieg in seinen schwarzen Buick, startete den Motor und fuhr in Richtung Landstraße davon. Die Ranch, die er gestern Nacht einen heimlichen Besuch abgestattet hatte, war sein Ziel. Ein Person, die dort lebte, kannte er bereits.

 

Die Fahrt dorthin dauerte diesmal nicht so lange. Dr. Stavanger fuhr den Staub aufwirbelnden Buick direkt bis auf den weiten Hof und stoppte erst vor dem Eingang des steinernen Wohngebäudes der Ranch. Dann stieg er aus und sah sich unauffällig um. Offenbar schien ihn niemand bemerkt zu haben. Oder vielleicht doch? Dem Doc war das egal. Als er an der Tür klopfte, hielt er für einen Moment den Atem an. Erst nach dem zweiten Versuch hörte er, wie sich drinnen schwere Schritte näherten.

 

Die Tür ging auf.

 

Dr. Eliot Stavanger machte unwillkürlich einen Schritt zurück, als ein ziemlich großer Mann mit kräftigen Schultern erschien und zwischen Tür und Angel stehen blieb. Jedenfalls überragte er ihn um mindesten eine Kopflänge. Sein Gesicht hätte nicht biederer und harmloser aussehen können. Er trug einen Hut und seine Kleidung war typisch für diese Umgebung – ein leichtes Hemd mit offenem Kragen, eine verdreckte Arbeitshose und Gummistiefel. Zudem war er schlecht rasiert.

 

Eine gut gelungene menschliche Imitation, dachte Dr. Stavanger so für sich, als er den Kerl von oben bis unten mit unauffälligen Blicken kurz musterte.

 

Guten Tag!“ sagte der Forscher freundlich. Er sprach langsam und mit ruhiger Stimme.

 

Guten Tag!“ antwortete der kräftige Mann und fragte ebenso freundlich zurück: „Was kann ich für Sie tun Mister...?“

 

Äh, Eliot Stavanger, Dr. Eliot Stavanger, um genauer zu sein“, stellte sich der Astrophysiker schnell vor.

 

Ich würde gerne ein paar Fragen an Mister Phil Lexington richten. Er ist der Besitzer dieser Ranch, wie mir in der Stadt gesagt worden ist."

 

Ruhe bewahren! Nur nicht aufregen, hämmerte sich der Doktor immer wieder in Gedanken ein.

 

So? Sie wollen ihm wirklich nur ein paar Fragen stellen? Mehr nicht?“ fragte der Kerl leicht grinsend zurück.

 

Eigentlich ja. Nicht mehr und nicht weniger“, antwortete ihm Dr. Stavanger mit ruhiger Stimme.

 

Dann kommen Sie herein, verehrter Herr Doktor“, forderte der Mann ihn auf. „Sie können derweil im Büro von Mr. Lexington Platz nehmen. Ich sage ihm nur schnell Bescheid, dass er Besuch bekommen hat. Bitte haben Sie etwas Geduld!“

 

Als der Forscher eingetreten war, schloss der Hüne hinter sich die Tür ab. Der Doc versuchte, diese komische Tatsache zu ignorieren. Warum sollte man eine Tür nicht abschließen dürfen? Warum sollte ein so kräftiger Mann dies nicht tun dürfen...?“ Der Wissenschaftler wehrte sich gegen diese Gedanken, die ein ziemlich mulmiges Gefühl in ihm hochkommen ließen.

 

Der Mann verschwand und ein paar Minuten später erschien Mr. Lexington auf der Bildfläche, dessen Körper klein und korpulent war. Er begrüßte den Doktor freundlich.

 

Sieh mal einer an! Unser lieber Herr Doktor Stavanger gibt sich die Ehre und stattet uns einen Besuch ab. Was führt Sie denn in diese gottverdammte Gegend, mein Guter? – Aber was sage ich denn da? Folgen Sie mir einfach in mein Büro! Kommen Sie nur, Doktor. Kommen Sie nur mit!“

 

Im Büro angekommen, nahmen beide Platz vor einem wuchtigen Schreibtisch mit einer dunklen Rauchglasplatte.

 

Kaffee?“ fragte Mr. Lexington den Doc.

 

Ja, bitte!“ sagte dieser und nickte kurz mit dem Kopf.

 

Der Ranchbesitzer ging zu einem länglich geformten Gerät an der Wand und drückte auf einen rot blinkenden Knopf in der Mitte. Ein weißer Pappbecher fiel plötzlich von oben aus einer dampfenden Öffnung des Gerätes, der auf einer kleinen, runden Abstellplatte zum Stehen kam. Zwei schmale blanke Edelstahlröhrchen senkten sich hinab in den Becher und füllten ihn mit Kaffee. Dann folgte eine abgestimmte Portion Milch und etwas Zucker.

 

 

Ich hoffe, dass er Ihnen schmecken wird, Doktor“, sagte Lexington. Aber mit unserem Kaffee ist nicht viel los. Wir trinken ihn lieber lauwarm und etwas schwach mit wenig Koffein. Trotzdem, probieren Sie einfach mal!“

 

Ich bin nicht allzu wählerisch, Mr. Lexington“, sagte der Astrophysiker und nahm mit beiden Händen die Tasse entgegen. Während er trank, überlegte er krampfhaft, wie er mit der Sache anfangen sollte. Vielleicht mit der Frage, ob auf der Ranch Marsmenschen arbeiten und regelmäßig Besuch aus dem All bekämen?

 

Der Ranchbesitzer kam ihm zuvor.

 

Nun Dr. Stavanger, Sie sind doch hier her gekommen, um mir ein paar Fragen zu stellen. Also, bombardieren Sie mich damit. Oder glauben Sie vielleicht, dass ich Gedanken lesen kann?“

 

Der Forscher sah sein Gegenüber scharf an, dessen Gesicht aber freundlich blieb. Sogar ein kleines Lächeln setzte Lexington plötzlich auf.

 

Die Bürotür stand offen. Im Haus selbst war es ruhig. Die große Uhr an der Wand über dem Schreibtisch tickte laut. Mindestens neun oder zehn Personen waren aus dem Miniraumschiff ausgestiegen. Es war mitten auf dem Hof draußen vor dem Eingang gelandet, wo jetzt sein Buick stand, bevor es auf einer gut getarnten Plattform im Boden versank.

 

Wo befanden sich diese Leute jetzt, die buchstäblich vom Himmel gekommen waren? Versteckten sie sich irgendwo in einem der vielen Räume auf der Ranch und warteten nur darauf, endlich von hier weg gebracht zu werden, um der Invasionsarmee beizutreten?

 

Der Doktor benetzte mit dem Kaffee seine trocken gewordenen Lippen. Eigentlich hatte er es satt, sich an der Nase herumführen zu lassen. Obwohl er sich ehrlich gesagt zum ersten Mal in seinem Leben richtig fürchtete, unsicher und verwirrt war, wusste er trotzdem genau, dass es für ihn nur zwei Möglichkeiten gab.

 

Er musste in Rosswell und hier auf der Ranch sein Spiel weiterspielen, weiterhin unauffällig Beweismaterial zusammenstellen, von dem er wusste, dass es möglicherweise von niemandem geglaubt wird, weil es als dumme Spinnerei eines alternden, erfolglosen Wissenschaftlers abgetan würde. Damit musste er zumindest rechnen. Die andere Möglichkeit wäre die, dass er den ganzen Kram einfach hinschmeißt und so schnell wie möglich die Stadt wieder verlässt, ohne seine Arbeit hier zu beenden. Das wäre sicherlich die einfachste Lösung, dachte sich der Astrophysiker. Tief in seinem Innern jedoch wehrte er sich dagegen. Er wusste, dass es falsch war, die Flinte ausgerechnet jetzt ins Korn zu werfen. Er musste weitermachen, gleichgültig, wohn ihn das führen mochte.

 

Der Doktor lächelte auf einmal. Es gab für ihn nur einen einzigen Weg, und den musste er jetzt und hier gehen.

 

Wissen Sie, Mr. Lexington“, sagte er mit ruhiger Stimme, „ich brauche Ihre Hilfe“

 

Der Ranchbesitzer schenkte sich Kaffee nach und füllte auch Dr. Stavangers Tasse wieder auf.

 

Ich freue mich natürlich, wenn ich Ihnen helfen kann, Doktor“, sagte Lexington mit freundlicher Stimme. „Ich nehme zwar für mich nicht in Anspruch, dass ich Ihren ganzen Schreibkram verstehe, aber ich kenne die Kleinstadt Rosswell besser als jeder andere. Schießen Sie also los und fragen Sie mich alles, was Sie so auf dem Herzen haben. Ich versuche Ihnen ehrlich und offen zu antworten.“

 

Der Doktor nickte und machte sich seine Gedanken. Wie sollte er nur anfangen?

 

Na ja, Mr. Lexington. Ich weiß eigentlich nicht, wie ich anfangen soll. Es fällt mir nicht leicht, Sie das zu fragen, aber ist Ihnen je irgend etwas – äh – Seltsames oder Eigentümliches an Rosswell aufgefallen?

 

Lexington schaute plötzlich verdutzt drein.

 

Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie damit sagen wollen, Doktor. Ehrlich gesagt, kann ich Ihnen nicht folgen.“

 

Ganz bestimmt nicht?

 

Sie meinen, ob sich in unserer Kleinstadt schon mal Seltsames oder Eigentümliches ereignet hat? Aber natürlich! Jetzt fällt es mir wieder ein. Ein Mann sprang letztes Jahr nackt aus dem zweiten Stock des Hotels. Er überlebte den Sturz in die Tiefe wie durch ein Wunder ganz ohne irgendeine Verletzung. Er rappelte sich wieder auf und lief danach im Adamskostüm über die Hauptstraße, wo er prompt von einem Polizeiwagen überfahren wurde. Und das passierte alles am helllichten Tag. Wenn das nicht seltsam ist, Dr. Stavanger. Was sagen Sie dazu?“

 

Nein, das meine ich nicht, Mr. Lexington. Ich meine...“

 

Sie machen es aber spannend, Doktor. Was meinen Sie dann?“

 

Um Zeit zu gewinnen, griff der Forscher zu einem Hilfsmittel – zu einer Zigarette. Er fingerte in seiner Jackentasche herum und kramte schließlich seine verbogene Zigarettenschachtel hervor. Eigentlich rauchte er in letzter Zeit viel zu viel; doch so hatte er eine Chance, seine Gedanken etwas zu sammeln. Außerdem machte er einen beschäftigten Eindruck, ohne das sich etwas in der Sache tat.

 

Wenige Augenblicke später schob sich Dr. Stavanger eine Zigarette zwischen die Zähne und zündete sie an. Das Streichholz ließ er zerknickt auf die feuchte Untertasse fallen. Zischend ging die Glut am abgebrannten Holzkopf aus.

 

Nun, Mr. Lexington, ich versuche es noch einmal. Waren Sie schon mal irgendwo, wo sie das komische Gefühl nicht loswurden, dass irgend etwas nicht stimmte? Wo Sie vielleicht dachten, dass ein Vorgang oder Geschehen nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann oder so. Verstehen Sie mich richtig? Ich meine, wenn z. B. ein Pferd ohne jeden erkennbaren Grund scheut und unkontrolliert davonjagt, als würde es vom Teufel selbst geritten?“

 

Der Ranchbesitzer fing an zu lachen.

 

Pferde haben Angst vor Schlangen. Sie wittern sie und jagen davon. Das kommt häufiger vor, als Sie denken, Doktor.“

 

Und was ist, wenn es keine Schlange war, sondern ganz was anderes?“

 

Mr. Lexington beugte sich auf einmal vor und schaute dem Forscher tief in die Augen.

 

Verdammt noch mal, Dr. Stavanger, legen Sie die Karten auf den Tisch und erklären Sie mir endlich, was Sie hier eigentlich wollen.“ Dann schwieg er beharrlich.

 

Der Astrophysiker holte tief Luft. Dann platzte es aus ihm heraus.

 

Sie sind aus dem All gekommen“, sagte er. Gleichzeitig bemerkte er, wie absurd seine Worte im Büro des Ranchbesitzers klangen.

 

Der riss plötzlich die Augen weit auf und schaute den Doktor schweigend an, als säße vor ihm ein Geist.

 

Es dauerte eine Weile, bis er sich endlich gefangen hatte. Dann fing er an zu grinsen.

 

Ah, jetzt verstehe ich Sie, Doktorchen. Sie haben gestern wohl zu tief ins Glas geschaut und erlauben sich nur einen Scherz mit mir. Das ist aber ziemlich unfair. Meinen Sie nicht auch?“

 

Lenken Sie nicht ab, Mr. Lexington! Sie wissen ganz genau, was ich meine. Ein Raumschiff aus dem All kam gestern Nacht herunter und setzte mit einem Beiboot mehrere Personen bei Ihnen ab. Ich habe das Ding gesehen. Es ist auf Ihrem Hof gelandet. Es muss noch hier sein, direkt unter der Oberfläche des Hofes.“

 

Die Augen des Ranchbesitzers bekamen auf einmal einen wachsamen Zug.

 

Was Sie nicht sagen. Aber wie Sie wollen, Doktor. Nun, da Sie jetzt alles wissen, kann ich Ihnen ja ruhig die Wahrheit sagen.“

 

Lexington verzog seinen Mund zu einem breiten Grinsen. „Ich habe eine ganze Reihe großer Rinderherden, die meine Männer mit fliegenden Untertassen überwachen. Einige von Ihnen düsen mit Raketenrucksäcken durch die Gegend und erzeugen einen Höllenlärm. So treiben wir die Rindviecher zusammen. Der einzige Nachteil ist, das man leicht herunterfällt, wenn man nicht aufpasst.“

 

Hören Sie auf, Lexington! Sie können mich nicht zum Narren halten. Ich weiß genau, was ich gesehen habe. Ihr seid Außerirdische. Sie und Ihre Männer hier auf der Ranch, die eine Start- und Landestation für eure Raumschiffe ist. Ich will nicht wissen, was sich unter dem Hof noch alles so befindet. Ihr wollt die Erde okkupieren und bereitet heimlich eine Invasion vor. Die Kleinstadt Rosswell dient euch nur als Umschlagplatz für eure Invasionsarmee. Alle zwanzig Jahre wird die Bevölkerung komplett ausgewechselt und durch neue Invasoren aus dem All ersetzt. Ich will nicht wissen, wie viele von euch in den letzten einhunderundzwanzig Jahren dort schon durchgeschleust worden sind. Ihr habt euch auf diese Art und Weise schon überall auf der Erde verteilt und unter die Menschen gemischt. Euer Plan ist meiner Meinung nach auf mehrere Hundert Jahre, wenn nicht sogar auf mehr als Tausend Jahre angelegt. Wenn es soweit ist und ihr eure Ziele erreicht habt, wird es zu spät für die Menschheit sein. Ihr werdet die Macht auf der Erde übernehmen und die Menschen unterjochen. Ihr werdet sie versklaven und für euch arbeiten lassen wie eine Herde von abgerichteten Tieren. So ist es doch, Mr. Lexington. Geben Sie es doch zu! Ich weiß es mittlerweile, weil ich es herausbekommen habe.“

 

Sie gefallen mir, Dr. Stavanger. Ja ehrlich, ich lüge Sie nicht an, wenn ich das zu Ihnen sage. Sie sollten Ihren Forscherkram aufgeben, ehe Sie verrückt werden, und lieber zu mir kommen und für mich arbeiten. Wir haben hier draußen viel frische Luft, tolle Pferde und eine herrlich weite Landschaft. Das Essen ist gut, der Whiskey ebenfalls. Auch die Frauen von Rosswell und Umgebung sind nicht die schlechtesten. Sie warten nur auf anständige, intelligente und gut situierte Männer wie Sie.“

 

Nun gut, Mr. Lexington. Vielen Dank für den Kaffee! Es hat wohl keinen Zweck, mit Ihnen über dieses Thema weiterzureden. Ich werde jetzt gehen und Ihre Ranch wieder verlassen. Wir werden uns nie wiedersehen. Das verspreche ich Ihnen. Noch heute reise ich ab und werde zu meiner Frau zurückfahren.“

 

Dr. Eliot Stavanger dachte sich jetzt, dass das Ganze hier wie ein Film in einem Alptraum war. Die Leute passten nicht zum Bühnenbild des Theaters, und der Dialog passte einfach nicht zur Handlung.

 

Okay Doc, wie Sie wollen. Sie haben die ganze Sache selbst losgetreten und tragen dafür die Verantwortung. Was soll ich dazu sagen, außer, dass ich Mitleid für Sie empfinde. Passen Sie in Zukunft gut auf sich auf! Männer wie Sie, die sich einmal in eine fixe Idee verbissen haben, enden entweder in der Klapsmühle oder begehen irgendwann Selbstmord.“

 

Der Ranchbesitzer erhob sich nach seinen bedauernden Worten vom Platz hinter seinem Schreibtisch und begleitete Dr. Eliot Stavanger nach draußen bis zu seinem alten Buick.

 

Der Wissenschaftler stieg wort- und grußlos ein, startete den Motor seines Wagens und fuhr zum Hof hinaus. Dann bog er auf den kiesigen Feldweg in Richtung Landstraße ab, die ihn zurück nach Rosswell bringen sollte.

 

Er fuhr schnell und schaute sich nicht um.

 

***

 

Am nächsten Tag gegen Mittag. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel herunter. Die Kleinstadt Rosswell lag wie ausgestorben da. Keine Menschenseele war zu sehen.

 

Dr. Eliot Stavanger stand nackt am offenen Fenster seines Hotelzimmers im zweiten Stock und schaute mit wirrem Blick hinunter auf den Parkplatz, wo sein schwarzer Buick einsam und verlassen in einer abseits gelegenen Parkbucht stand. Ein lauwarmer Wind wehte um seinen Körper, der mit seinen Haaren spielte. Er hatte nicht die Absicht zu springen, aber ein destruktiver innerer Zwang trieb ihn dazu an, gegen seinen eigenen Willen zu handeln. Er lächelte jetzt verkrampft, wie ein kleiner Junge, der sich trotz der Schmerzen nichts anmerken lassen wollte. Dann setzten sich seine Füße wie von selbst langsam in Bewegung. Vom ewigen Frieden trennte ihn nur noch ein letzter Schritt nach vorn. Dann ließ sich der Forscher kopfüber in Tiefe fallen. Ein tödlicher Sturz, den er nicht wollte.

 

Auf dem Hotelparkplatz erschien plötzlich, wie aus heiterem Himmel, ein Polizeifahrzeug, das neben dem Buick mit eingeschalteter Sirene stoppte.

 

Zwei Beamte stiegen aus, gingen hinüber zu Dr. Eliot Stavangers blutüberströmter Leiche, deckten sie mit einer leichten Plane sorgfältig ab und marschierten dann zurück zum Wagen. Ein dritter Mann saß hinten im Fond des Einsatzfahrzeuges, der mit erstarrten Gesichtszügen hinüber zum Ort des schrecklichen Geschehens blickte. Mr. Lexington ließ die Scheibe elektrisch herunterfahren.

 

Schafft den ekligen Kadaver des Doktors auf meine Ranch! Dort soll er vorläufig im Kühlraum liegen bleiben, bis wir ihn später sezieren. Die intakt gebliebenen Organe werden dem Körper zu Forschungszwecken entnommen. Das ist eine direkte Anweisung des Oberkommandos! Alle weiteren Einsatzbefehle erhalten sie von mir persönlich. Halten sie sich also bereit! Das nächste Raumschiff ist bereits mit mehr als sechstausend Invasoren unterwegs und wird heute um Mitternacht eintreffen. Alles andere regeln die eingeteilten Einsatzkräfte direkt vor Ort. Die Bewohner von Rosswell werden auf drei kleine Ortschaften im Süden der USA mit jeweils zweitausend Einwohner verteilt. Wir haben alle menschlichen Einwohner, die in diesen Orten leben, identisch kopiert. Der lautlose Austausch beginnt in weniger als zwei Stunden und muss bis Tagesanbruch abgeschlossen sein. Die menschlichen Körper werden, bis auf einige wenige Ausnahmen, in den bereit gestellten Strahlenkonvertern spurlos dematerialisiert. Steigen sie ein und fahren sie los! Es gibt noch viel zu tun, Männer.“

 

 

©Heinz-Walter Hoetter

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.05.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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