Angie Pfeiffer

Besser spät als nie

Genüsslich räkelte ich auf meinem Bett, schaute mich fast ungläubig und gleichzeitig glücklich in meiner kleinen Butze um. Ich hatte es geschafft! Die erste eigene Wohnung! Na gut, es war eher nur ein Zimmer mit eingebauter Junggesellenküche … aber trotzdem! Schließlich war es nicht einfach, akzeptablen Wohnraum in Münster zu finden. Auch mit dem neuen Job hatte ich Glück gehabt. Gleich die erste Bewerbung war erfolgreich gewesen.
Jetzt fehlte nur noch der Kuschelfaktor und mein Leben wäre perfekt. Aber auch hier hatte ich einen Plan. Am heutigen Samstag würde ich DIE angesagte Disko besuchen. Der ‚Elefant‘ im Zentrum von Münster war im Moment absolut in. Hier würde ich sicher fündig werden.

Gegen 24 Uhr betrat ich die Lokalität und ließ meinen Blick schweifen. Einzelmänner gab es genug. Aber die Auswahl ließ zu Wünschen übrig. Zu dick – zu klein – zu wenig Haare – zugedröhnt – zu schwitzig – zu tanzmuffelig … Das würde schwierig werden.
Stop – wer war das!!!
Auf der Tanzfläche bewegte sich ein richtig guter Typ!
Fasziniert beobachtete ich ihn. Er bewegte sich im Einklang mit der Musik, schien ganz darin versunken zu sein.
„Der oder keiner“, fuhr es mir spontan durch den Sinn. Also betrat ich die Tanzfläche, schlängelte mich in seine Richtung und suchte zunächst einmal den Blickkontakt. Mist – er hatte seine Augen geschlossen. Also tanzte ich ein wenig um ihn herum, um ihn auf mich aufmerksam zu machen, was mir irgendwie nicht gelang. 
Als die Musik langsamer und schmusiger wurde, verließ der Traumtyp die Tanzfläche und ging zur Theke. Ich folgte ihm in gebührendem Abstand, wobei ich überlegte, wie ich ihn ansprechen könnte.
Er bestellte sich ein stilles Wasser. Eigentlich wäre mir ein anspruchsvolleres Getränk (also wenigstens ein Krefelder) lieber gewesen, aber hier ging es um eine Eroberung. Also folgte ich seinem Beispiel.
„Nach der tollen Tanzsession ist so ein Wasser erfrischend“, begann ich das Gespräch.
"
Ähm, jaha“, er musterte mich ein wenig kritisch, aber wenigstens nahm er mich zur Kenntnis. Jetzt aber! „Du bist mir gleich aufgefallen. Du bewegst dich nicht schlecht zur Musik. Ich suche einen Tanzpartner für … einen … Tanzkurs …“, improvisierte ich. Blitzte Interesse in seinem Blick auf? Auf jeden Fall zückte er eine Visitenkarte, drückte sie mir in die Hand. „Sorry, ich wollte gerade gehen. Aber du kannst mich gern anrufen“, sagte er und sah mir direkt in die Augen. Dieser Blick …

Aus taktischen Gründen wartete ich ein eine ganze Woche, bevor ich mich bei ihm meldete. Tatsächlich verabredeten wir uns in einem Eiscafé. Das ‚Milano‘ lag gar nicht weit entfernt vom Rüschhaus, in dem Anette von Droste-Hülshoff gelebt hatte. Ich stellte mir einen romantischen Spaziergang zum ehemaligen Domizil der Dichterin vor.

Er verspätete sich nur wenig. „Sorry, ich bin aufgehalten worden“, erklärte er ein wenig atemlos, als er sich zu mir an den Tisch setzte. „Das macht doch nichts. Ich habe Zeit“, erklärte ich souverän. Schließlich wollte ich den Mann nicht durch unnötige Zickereien vertreiben. Ich war glücklich, als er sich bereit erklärte, mit mir durch den Garten am Rüschhaus zu schlendern, der gut besucht war. Wie zufällig nahm ich seine Hand, was er geschehen ließ. Und nicht nur das, er hielt auch meine Hand mit sanftem Druck fest.
Dann geschah es: Er versuchte, einem Hund auszuweichen, der unseren Weg kreuzte. Dabei kam der ins Straucheln und hielt sich an mir fest. Einen Arm legte er dabei um meine Taille. Der andere Arm fand sich auf meiner Schulter wieder. Und nicht nur das … unsere Gesichter näherten sich. Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen.
„Tschuldigung, der Köter hört einfach nicht“, erklang es neben uns und der Zauber war verflogen. Er nahm seine Hände von mir. „Ich muss dann mal …“, mit diesen Worten drehte er sich um und ließ mich einfach stehen.
Was soll ich sagen. Ich habe mich nie wieder bei ihm gemeldet.

 

Inzwischen sind über 30 Jahre vergangen. Ich habe ein paar Lieben mit wunderbaren Momenten, eine schmerzhafte Trennung und eine Scheidung hinter mir. Wieso ich in der letzten Zeit so oft an ihn denken muss, weiß ich selbst nicht so genau. Auf jeden Fall gibt es da noch etwas, dass ich klären muss.
Es war gar nicht so schwer ihn zu finden.
„Es ist gut 30 Jahre her. Der ‚Elefant‘ in Münster. Eiscafé, Rüschhaus … fast ein Kuss …hättest Du …“ Mehr habe ich gar nicht gesagt. Die Antwort kam prompt und ausführlich. Er war damals in einer nicht glücklichen Beziehung und trotzdem nicht in der Lage sich zu lösen, hatte inzwischen paar Lieben mit wunderbaren Momenten, eine schmerzhafte Trennung und eine Scheidung hinter sich.
Wir haben uns getroffen. Natürlich am Rüschhaus. Dieses Mal ist uns kein Hund zwischen die Beine gelaufen und wir haben uns geküsst … Ich sag‘ mal so – besser spät als nie.

Nachtrag: Und inzwischen trinkt mein Traumtyp auch mal ein Krefelder …

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.06.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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