Hans K. Reiter

Warum Frauen weniger verdienen und beim Frisör mehr zahlen

„Ja, Frau Schmalbreit, ich kann mir sehr gut vorstellen, Sie in unserem Team zu sehen.“

Franziska Schmalbreit hatte die Worte des Personalchefs noch im Ohr, als sie nur wenig später, von der Wirklichkeit eingeholt, das Gebäude verlässt.

 

Dabei hatte alles doch so wunderbar begonnen!
 

Das Jobangebot im Portal eines Business Netzwerks, Bewerbung, Auswahl, persönliches Vorstellungsgespräch, und nun sitzt sie in diesem modernen, eine Spur zu nüchtern, wie sie fand, ausgestatteten Büro einer Frau gegenüber, die ausweislich des Namensschildes an der Tür Referentin für Personalfragen ist.

„Sehen Sie, Frau Schmalbreit, Frauen werden in unserer Gesellschaft leider für gleiche Arbeit und Leistung immer noch schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Das ist historisch gewachsen und nur schwer auszuräumen, jeglichen gesetzlichen Bestimmungen zum Trotz.“

Was wollte die Frau ihr sagen? Dass sie sich gefälligst damit abfinden solle, weil die Dinge nun mal sind, wie sie sind? Sich unter Wert verkaufen, meinte sie das?

 

Am Abend nach ihrer Flucht zu dieser Organisation, die vorgab, die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten, also ihre, war sie bei Freunden eingeladen. Ein wenig halbherzig folgten sie Franziskas Ausführungen, bis schließlich einer der anwesenden Männer das Wort ergriff, Beruf Jurist, angestellt bei einem global operierenden Unternehmen in München.

„Sieh’s doch mal positiv! Dir ist passiert, was jeden Tag Tausende erleben. So what?“

„So what?“

„Na klar. Ich will es mal etwas philosophisch versuchen, aus dem praktischen Leben gegriffen.“

„Aus dem praktischen Leben? Da bin ich aber gespannt!“

 

Was Franziska zu hören bekam, war unglaublich, verschlug ihr die Sprache. Dann aber raffte sie sich auf und sagte: „Du chauvinistischer Vollarsch, Macho, danke, das reicht mir für heute!“

 

Wenn in den Köpfen der Männer verankert war, was dieser Juristenverschnitt von sich gegeben hatte, dann gute Nacht, nichts würde sich jemals wirklich ändern.

 

Er hatte auch noch die seltene Begabung, strukturiert vorzutragen, als hätte er solche Themen längst fix und fertig in seinem Gedankenkoffer abgespeichert. Schalter an, Thema auswählen, abspulen.

 

„Fangen wir mit einem einfachen Beispiel an“, hatte er begonnen. „Du lernst einen Mann kennen, ihr versteht euch, er lädt dich zum Essen ein. Wer zahlt meist die Rechnung? Er natürlich. Weil sich das durchgängig ständig wiederholt, hat unser Beispielmann doch deutlich höhere Ausgaben, also Kosten zu bestreiten, als du, als unsere Beispielfrau, nicht wahr? Und, er zahlt immer, wenn ihr ausgeht, egal wohin! Er zahlt, wenn ihr in den Urlaub abdüst, er zahlt für alles Mögliche, zum Beispiel, wenn du Lust auf Shoppen hast, ins Kino oder Theater willst und ähnliches. Er ist der Zahlemann. Ist es nicht so? Er braucht also für seinen Lebensunterhalt, der einen gehörigen Teil deines Unterhaltes miteinschließt, folglich ein höheres Einkommen als du. Niemand wird das wirklich bestreiten, oder?“ Wohlgefällig hat er sich dabei umgesehen, aber niemand widersprach.

 

„Ich gebe dir noch ein Beispiel: Sagen wir, euer trautes Beisammensein hält nicht ewig. Wer zahlt fortan bis zum Sankt Nimmerleinstag Unterhalt für dich? Natürlich er! Sollten auch noch Kinder da sein, kann sich der Mann eigentlich am besten gleich einen Strick anschaffen, das wird ihn ruinieren, fertig machen, ihn elend zugrunde gehen lassen. Freiheit oder ein selbstbestimmtes Leben ist für ihn dahin. Du dagegen suchst dir einen neuen Gefährten. Heiraten auf keinen Fall, denn du willst ja deine Pfründe nicht verlieren. Habe ich nicht recht?“ Und wieder klotzt er blöde in die Runde.

 

Und dann kam noch, was nicht zu verhindern war, weil es in dieser schwachsinnigen Rhetorik wie die Faust aufs Auge passte. „Du bist irgendwo angestellt und lächelst mitleidig auf deine männlichen Artgenossen herunter. Ständig schieben sie Überstunden wie blöd. Du hast das nicht nötig, du kennst ja deine Rechte und lässt es auch jeden spüren, wenn es gerade passt. Drei vier Jahre später bist du am Jammern, weil du schon wieder bei einer anstehenden Beförderung übergangen wurdest. Dass es da einen Zusammenhang geben könnte, auf die Idee kommst du nicht, weil, du hast ja Rechte. Der Mann schluckt es als Teil des Systems und lernt, entsprechend damit umzugehen. Irgendwann, wenn er nicht gerade eine Oberpflaume ist, ist er dran. Du dagegen wunderst dich, rennst zum Betriebsrat, machst Stunk und fällst noch weiter hinten ab. So ist es eben. Es gefällt dir nicht, okay. Aber beklage dich nicht darüber, warum man dir weniger bezahlt. Alles hat seinen Preis, ist es nicht so?“
 

Diesmal kam sie ihm zuvor: „Du chauvinistischer Vollarsch...“

 

Ein scheiß Spiel ist das! Franziskas Gedanken wirbelten durcheinander und blieben schließlich an einem Punk hängen. Banal, was da so in ihre aufgewühlte Denkstruktur hineinbrach. Ja, es war banal, aber dieser Anwaltfuzzy, auch noch der Freund einer Freundin, wie konnte sie das ständig schlucken? Der Gedanke fing an zu bohren, ließ sie nicht mehr los. Sie musste ihm Platz machen.

 

Warum zahlen wir Frauen beim Frisör mehr als die Männer? Ich meine jetzt nicht für irgendeine komplizierte Frisur, Färben oder was weiß ich, sondern einfach nur für simples Waschen und Schneiden. Keine Extras!

 

Was hätte der Anwalt geantwortet? „Weil man es mit euch machen kann!“ Ja, genau, das hätte er gesagt. Weil man es mit uns machen kann! „Von Ausnahmen abgesehen“, hätte er schwadroniert, „würde kein Mann jemals siebzig oder achtzig Euro für Waschen und Schneiden hinlegen, niemals!“

Was, wenn er an diesem Punkt recht hätte?

 

Für Franziska liefen solcherlei gedankliche Auseinandersetzungen nicht gut. Es regte sie zu sehr auf. Verdammt, sie brauchte eine Lösung! Aber nicht mehr heute. Morgen in Ruhe, abseits vom Bürotrubel!

 

Heute war Samstag. Montag ein Feiertag, also volle drei Tage des Nichtstuns. Die gestrigen Gedanken schickten sich praktischerweise an, zu verblassen. Sie wollte am Dienstag darüber nachdenken oder am Mittwoch, wenn es eben passte.

 

Das Telefon! Ihre Freundin mit dem Anwalt! „Hast du Zeit? Machen wir einen Kurztrip? Zum Gardasee vielleicht? Was meinst?“

„Ja, schon, irgendwie, aber was ist mit deinem Rechtsberater? Ich weiß nicht...?“

„Ah, vergiss den. Der muss arbeiten, muss am Dienstag einen Vortrag halten. Scheint wichtig für ihn. Na, ja, du weißt ja, wie’s ist mit dem Weiterkommen, der Kariere und so.“
 

So fuhr Franziska mit Freundin zum Gardasee. Drei wunderbare Tage. Weder am Dienstag noch am Mittwoch kehrten ihre Gedanken vom Freitag zurück. Auch gut! Franziska war nicht mehr betroffen, ihr Frust vom Freitag verflogen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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