Peter Kröger

Der dicke Victor

Meine Herz- und Pisspillen hatte ich geschluckt, die Luft war dumpf und schwül und ich stank nach Schweiß wie ein Maurer beim Richtfest. Der letzte Rote aus der Trinkpappe war am Abend zur Neige gegangen. Weiß Gott, ich hätte singen können. Oder Mücken erschlagen. Aber ich traf den Ton nicht, und die Mücken taten mir leid. Niemand mochte sie; es gab zu viele von ihnen und sie waren echte Quälgeister. Doch sie taten mir leid, für ihren Blutdurst konnten sie nichts, sie wollten leben, wie alle, die ich kannte. Bis auf Chuck vielleicht. Aber Chuck war verwahrlost und depressiv, er traf zwar den Ton, aber er sang fast nie und zählte insofern nicht. Sein Sprung in die eiskalte Saar im Januar war jedenfalls eine Idiotie sondergleichen, unerquicklich, gemein, Verwahrlosung hin oder her.

Aber wo war ich? Richtig, ich ließ die Mücken links liegen und machte mich auf den Weg zur nächsten Buchhandlung. Der Händler, ein alter Bekannter, empfahl mir die Elenden, um mich für lange Zeit loszuwerden. Ein Fuchs, dieser Faulpelz, selbst las er Sarah Kirsch und den jungen Bukowski, aber für mich war ein 1300-Seiten-Zauber zum Wegratzen gut genug. Ein Ladenhüter, was sonst. Ich dachte an Chuck. Vielleicht war doch alles nur Beschiss. Alles.1300 Seiten! Mit solchen Schinken war nicht zu spaßen. Andererseits: Bis November war ich versorgt, und die Saar momentan zu warm für Experimente. Ich schnappte mir den dicken Victor, rannte nach Haus und duschte. Die Mücken tanzten. Die Elenden tranken den Wein.

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