Gherkin

Die JA Sager

Das sinnfreie, eingeschobene Verlegenheits-JA

 

 

Das gab es vor etlichen Jahren noch nicht. Die Unsitte stammt aus dem Sport, genau gesagt, aus dem Bereich Fußball. Hier haben vor einiger Zeit Trainer, und gleich danach die Spieler, damit begonnen, das eingeschobene JA zu zelebrieren, zu zementieren, ja, zu zentrieren. Rund um den meist belanglosen Satz („Wir waren die, ja, deutlich überlegenere Mannschaft, und dann, ja, fiel dieses, ja, irgendwie vollkommen unerwartete, ja, äh Gegentor…“) wird nahezu wahllos dieses entsetzliche „JA“ eingeschoben. Penetrant, inflationär eingestreut, enervierend, stark deplatziert wirkend – und den natürlichen Satzfluss unnatürlich hemmend.

 

Warum macht der Sprecher das? Ist es ein Ersatz für „ähm“ oder „äh“, vielleicht auch ein Ersatz für das früher gern gebrauchte „oder“, das ans Satzende gepackt wurde? Oder was? Es greift um sich. Wer einmal damit anfängt, tritt meist eine Lawine los, erinnern Sie sich nur an das unselige „Das macht Sinn“. Natürlich kann nichts wirklich Sinn machen, höchstens ergeben, aber brav blubbern alle Zuhörer den Unsinn nach. Heute macht nahezu alles Sinn, das keinen Sinn ergibt.

 

Politiker aller Couleur schieben das JA ein, ich könnte dutzende Namen nennen, das schiebt sich, leider, brutal durch alle politischen Lager, Moderatoren, interviewte Mütter, Kleinkriminelle oder Kontrolleure im öffentlichen Nahverkehr. Alle tun es, und keiner weiß um die Peinlichkeit des, ja, Gesagten! Nur Kinder sprechen nicht so! Dafür seien sie, u.a., heftig umhalst. Auch hörte ich noch keinen Prediger von der Kanzel rufen: „Geht ja in Euch, bewahrt die ja reine Seele, schwört dem Teufel ja ab, sprecht ja mehr ja Gebete, rufet den ja Herrn an!“

 

Was wissen wir also? Der Unsinn wurde, wie so vieles in den letzten Jahrzehnten, stets multimedial, viral und grassierend geboren, um dann in ja „aller Munde zu enden“. Das dummdreist eingeschobene, entsetzlich sinnfreie JA ist heute fester Bestandteil aller Antworten. Es wurde leider auch schon in den Fragestellungen gehört: „Du hast auch schon ja den ja Aufpreis für ja Butter bemerkt?“ Corona ist ein Dreck dagegen. Es wird eine Seuche, es wird zum Laster wie Nikotin oder Alkohol. Es wird zum Ärgernis. Niemand kann diese Welle aufhalten. Die Ja-Seuche.

 

Was das mit den Menschen macht? Man kann es nur vermuten. Höchstwahrscheinlich werden wir alle daran zugrunde gehen. Irgendwann sitzen wir alle in Fetzen am Straßenrand und murmeln ein leises JA vor uns hin. Diese Aussicht ist erschreckend. Da JA an und für sich ist positiv zu bewerten (aber der inflationäre Gebrauch mildert jeden Effekt deutlich ab).

 

Damit wenigstens SIE dieser Seuche nicht anheim fallen, geben Sie doch bitte dieser sicherlich sehr hilfreichen Gegenströmung eine Chance: Packen Sie für jedes JA ein NEIN in den Satz. Das klingt so sinnfrei und bescheuert, dass Ihr Gegenüber es bemerken muss: Ich labere Dünnpfiff. Was muss man tun? Den Satz des Gegenübers deutlich und klar wiederholen, aber anstelle all der JA - Füllsel einfach ein NEIN einschieben. Das klingt wirr und befremdlich, merkwürdig und absurd. Tun Sie es bitte unbedingt. Auch, wenn Sie Ihren Chef vor sich haben, tun Sie?s:

 

„Sie haben in den ja letzten Monaten einen ja recht ordentlichen ja Job gemacht, Müller, Meier oder Schmidt, und daher kann ich Ihnen heute ja durchaus eine ja ordentliche Weihnachtsgratifikation in ja Aussicht stellen, ja!“ Schieben Sie für jedes sinnfreie JA ein NICHT? Ihrerseits ein und wiederholen Sie den Sermon deutlich. Im obigen Fall hieße der Satz dann:

 

„Sie haben in den, nicht?, letzten Monaten einen, nicht?, recht ordentlichen, nicht?, Job gemacht, Schmidt, Meier oder Müller (oder ä.), und daher kann ich Ihnen heute, nicht?, durchaus eine, nicht?, ordentliche Weihnachtsgratifikation in, nicht?, Aussicht stellen, nicht?!“

 

Ob die Bundestrainerin der Fußball-Frauen („Das war eine ja schöne ja Niederlage gegen die ja Engländerinnen gestern…“, und trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Frankfurt ein), ob Habeck, Lanz, Hinz oder Kunz, die Seuche grassiert, greift massiv um sich. Sind Sie auch schon befallen? Dann wehren Sie sich. Kontrollieren Sie sich während des Satzes, den Sie sprechen, greifen Sie, vielleicht, auf die alten Unsitten zurück: äh, tja, ähm, öhm oder auch das langgezogene „hmmm“, aber lassen Sie diesem eingesprungenen JA keine Chance. Was immer hilft – eine Satzpause! Aber bloß kein sinnfreies JA-Geplapper. Einmal pro Satz ist hinnehmbar, aber 7 JA in nur einem Satz? Peinlich!

 

Die Psychologie dahinter:

 

Ihr Gegenüber bietet Ihnen persönlich das Recht zur Einrede an. Wollen Sie sie, ja, ergreifen?? Sprechen Sie dagegen! Weitere mutmaßliche Gründe: Unsicherheit, der Mensch muss sich jetzt gerade sammeln, weiß den Fortgang des ja Satzes noch nicht sicher, formuliert ihn im Kopf vor, schiebt das JA als Denkpause oder Formulierungshilfe ein, ist vielleicht nervös, ist überfordert, kann sich schlecht konzentrieren oder hat schlicht das Gefühl, dieser Thematik nicht gewachsen zu sein. Was auch immer die Gründe sind, sie sind vielfältig und komplex.

 

Das JA rettet und schiebt, das JA lässt dir die Zeit zum Nach- und Überdenken, aber, merke, das JA ist immer, und nochmal (auch eine neudeutsche Unsitte, dieses nochmal, ähnlich dem intellektuell angehauchten „Sprich“), klar und deutlich sinnfrei. Ich ja bin ja infiziert, kann es ja nicht mehr ja stoppen, bin ja rettungslos ja verloren… retten ja Sie sich ja wenigstens ans ja rettende Ufer. Hilfe! Ja!

 

Da wünscht man sich doch das uralte TJA wieder zurück! Da steckt auch viel JA drin, aber schiebt lange nicht so entsetzlich schief in den Gehörgang hinein. Gehaben Sie sich, ja, wohl!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.08.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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