Klaus-Peter Behrens

Der Kater und der wilde Norden, 10

Kaum hatte der Troll die Worte ausgesprochen, kletterte das hässlichste Wesen, das ich je gesehen hatte, mit unglaublicher Behendigkeit über die Abbruchkante, fauchte, dass der Kater neidisch werden könnte und baute sich drohend vor uns auf. Mikesch fauchte so gleich zurück. Leider ließ sich die Konversation aber nicht vertiefen, da Gorgus dem Ankömmling mit einem Fußtritt den Ausgang zeigte. Mit rudernden Armen und immer noch fauchend verschwand unser Besucher in der Tiefe.

Stolz stellte ich fest, dass meine Schätzung gestimmt hatte, während ich den Sturzflug beobachtete. Die Zeit hätte locker für Gorgus sämtliche Verhaltensmaßregeln gereicht.

Mikesch hingegen hatte wie immer seine eigene Art, die Dinge zu sehen.

Das ist doch kein anständiger Schraubensprung! So wird das nie was mit Olympia“, rief der Kater dem Unglückseeligen hinterher.

Ich hatte andere Probleme.

Was sind das für Viecher?“, wollte ich wissen.

Goblins“, beantwortete Gorgus meine Frage. „Gefährlich, äußerst zäh und geschickt.“

Nicht beim Turmsprung“, urteilte Mikesch. „Definitiv nicht ihre Disziplin.

Ich bewunderte den Kater für seine lockere Art. Für mich hingegen klang Gorgus Einschätzung nicht gut. Gar nicht gut, um genau zu sein.

Was der Troll für gefährlich hielt, war für mich und den Kater bestimmt alles andere als gesund.

Wir sollten jetzt dringend abhauen“, gab ich daher kurz entschlossen von mir.

Leider war es dafür zu spät.Zu viele der unheimlichen Wesen wollten uns inzwischen ihre Aufwartung machen.

Trotzdem probierten wir es und stürmten wie die Besessenen durch das Dickicht auf den freien Platz hinaus.

Der hatte sich erschreckend gefüllt. Von allen Seiten kamen sie nun auf uns zu. Hektisch wogen wir unsere Chancen ab. Das Ergebnis war niederschmetternd.

Wir hatten keine.

Also stellten wir uns Rücken an Rücken der heranbrausenden Bedrohung, und die war alles andere als schön anzusehen. Der Größe nach ähnelten die Angreifer Menschen. Allerdings war ihre Haut dunkelgrün und schorfig. Ihre Arme reichten fast bis zum Boden und endeten in mörderischen Klauen. Auch die Zähne sahen nicht danach aus, als seien sie zum Lächeln erfunden worden. Angesichts der geschlitzten Augen, der borstigen, abstehenden Haare, Warzen, Buckel und ausgefransten Ohren hatten sie dazu vermutlich ohnehin selten Gelegenheit. Dafür waren sie schnell, höllisch schnell, um präzise zu sein und ihre Waffenkammer schien deutlich besser bestückt zu sein als Ignaz'.

Entsprechend schnell waren wir eingekesselt und blickten in einen Phalanx gut gepflegter Waffen. Ich versuchte das Positive zu sehen, sie hatten uns noch nicht mit Pfeilen gespickt,

- 7 

Ich mußte mir eingestehen, dass mir noch nicht mal mehr mein Zweikampf mit Gorgus anlässlich unserer Aufnahmeprüfung in Hillys wilde Schar mehr Angst eingeflösst hatte als diese Bande von grottenhässlichen Halsabschneidern, die uns in wenigen Metern Abstand im Halbkreis umringten. Der längste und hässlichste Goblin trat schließlich vor.

Ich bewunderte die an tödliche Dolche erinnerten Krallen seiner behaarten, breiten Füße, als diese bei jedem Schritt gefährlich auf dem harten Boden klickten. Der stämmige, untersetzte Körper entsprach von der Länge her ungefähr dem eines Menschen. Damit endet die Ähnlichkeit aber auch schon. Wie schon der Angreifer an der Steilkante verfügte auch dieser Goblin über eine tiefgrüne, ledrig wirkende Haut. Erstaunlich große Augen in schwefelgelb ließen den Schluss zu, dass dieses Wesen über eine gute Nachtsicht verfügen musste. Große, zerfranst wirkende Ohren auf einem kahlen Kopf sprachen für einen guten Gehörsinn, und was dieser Unhold mit der eindruckvollen Phalanx spitzer Zähne, von denen zwei Fangzähne über die Unterlippe reichten, so alles anstellen konnte, wollte ich lieber nicht nachdenken. Die derbe, schwarze Lederbekleidung und die mit Nägeln bestückte Keule in seiner rechten Klaue ließen auch keine Spekulationen hinsichtlich der Frage zu, ob wir es hier mit einer friedvollen Spezies, die gerne Pilze im nahen Wald sammelte, zu tun hatte.

Sein Anblick veranlasste mich jedenfalls dazu, mein Gedächtnis nach einer drastischen Steigerung des Wortes hässlich zu durchforsten, um seiner Erscheinung gerecht zu werden, mußte aber feststellen, dass mein Wortschatz dafür nicht ausreichte.

Mikesch hatte da weniger Probleme.

Du siehst echt oberkrass aus“, maunzte der Kater. „Schon mal beim Casting für The walking dead gewesen?“

Statt einer Antwort folgte ein Tritt der Kreatur, der den Kater unter normalen Umständen getötet hätte. Wenn man einen Troll an seiner Seite weiß, braucht man sich um solche Dinge allerdings keine Sorgen zu machen; denn Trolle waren entgegen ihrer massigen Erscheinung unglaublich flink. Wie eine zuschnappende Viper packte sich der Troll daher das Bein des zutretenden Goblins, bevor dieser dem Kater auch nur nah kommen konnte. Den Schwung gegen den Goblin ausnutzend beförderte Gorgus diesen sodann mit bewundernswerter Lässigkeit über seine Schulter. Nach einem kunstvollen halbherzigen Salto und aus vollem Halse kreischend endete die vielversprechende Flugkarriere des Bedauernswerten mit dem Gesicht voran an einem besonders solide wirkenden Baumstamm. Die Abruptheit, mit der der Schrei abriss, ließ darauf schließen, dass er in nächster Zeit kein weiteres Interesse an der Beeinträchtigung unserer Gesundheit anmelden würde. Das gab unseren Gegnern zu denken.

Kater was tun ist ungesund“, stellte Gorgus für die besonders Begriffsstutzigen klar.

Mikesch sah dankbar zu ihm auf.

Schnapp sie dir mein Großer. Der da vorn sieht doch sehr schmackhaft aus“, schlug er dem Troll vor, was unsere Gegner ins Grübeln und auf ein wenig mehr Distanz brachte.

Wer landete schon gerne auf der Speisekarte?

Ich wollte gerade mit ein paar schlichtenden Worten die Situation entschärfen, als der so unverhofft von uns Gegangene sich zurück meldete.

Feftnehmen“, ertönte es in einer Stimmlage, die klang, als habe der Sprecher gerade den Mund voller Baumborke.

Mit vollem Mund spricht man nicht“, tadelte Mikesch. Die Antwort ging im Klicken unzähliger Klauen unter, als die Goblins ihren Mut zusammen nahmen und uns mit gesenkten Lanzen einkesselten. Noch ein paar Zentimeter weiter und wir würden aussehen wie ein gut gereifter Lochkäse.

Schon mal was von Respektierung der Komfortzone gehört“, miaute der Kater angesichts von soviel Nähe. Inzwischen hatte sich der flugbegeisterte, arg in Mitleidenschaft gezogene und um etliche Zähne ärmer gewordene Anführer aus dem Dickicht befreit und kam wutentbrannt auf uns zu.

Daff werdet ihr mir büffen“, zischte er hasserfüllt, worauf Mikesch mitleidig sein pelziges Haupt schüttelte .

Du musst an deiner Aussprache arbeiten“, erwiderte er in gewohnt nonchalanter Weise. „Ich hab in der Glotze mal ne gute Doku über die Heilung von Sprachbehinderungen gesehen. Solltest du dir mal reinziehen.“

Er keine Zähne mehr“, nahm Gorgus den sprachlosen Goblin in Schutz.

Stimmt, auch noch nachlässig bei der Zahnpflege.“

Das Schande.“

AAAHHRRRR, hört fofort auf fo über mich fu fprechen alf fei ich nicht da oder ihr ftrerbt auf der Ftelle“, tobte der Zahnlose, der aussah, als würde er gleich am Herzinfarkt versterben.

Ts, ts ts“, tadelte Mikesch. „Du solltest dringend auch noch n Antiaggressionsseminar buchen.“

Lass ihn in Ruhe, er hatte einen harten Tag“, schaltete ich mich ein um unsere sich anbahnende Execution zu verschieben.

Leider umsonst.

Wegfperren!“, tobte der Zahnlose außer sich vor Wut, und diesmal wurde sein Wunsch erfüllt. Umgeben von einer waffenstarrenden Ansammlung der größten Scheusale dieses Planeten betraten wir den Staudamm, der breit genug war, um einem halben Dutzend Fuhrwerke bequem nebeneinander Platz zu bieten.

Wird fortgesetzt...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.09.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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