Rolf Föll

Machopan - Der Brief, der den Empfänger nie erreicht hat

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

dafür, dass Sie mir meine Fehler der letzten 40 Jahre aufgezeigt und die Augen geöffnet haben, möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken.

Gleich nach der Schule habe ich dummerweise eine Lehre angefangen und danach auch noch unnötigerweise ein Studium. Und beides habe ich mit Auszeichnung beendet. Dazwischen war ich noch der irrigen Meinung, ich müsste meinem Dienst am Vaterland nachkommen und habe dafür achtzehn Monate meines Lebens verschwendet.
Dann habe ich auch noch den Fehler gemacht zu heiraten und zwei Kinder groß zu ziehen. Und Kindergeld habe ich als Besserverdienender gleich gar nicht erst beantragt.

Und dann war ich noch so verrückt und habe mich in einem kleinen Softwarehaus, heute würde man dazu Startup sagen, vom Wirtschaftinformatiker zum Geschäftsführer hochgearbeitet und mitgeholfen aus dem kleinen Softwarehaus einen großen Weltkonzern mit 30.000 Arbeitsplätzen aufzubauen.
Dass ich das alles nicht mit 40 Arbeitsstunden pro Woche geschafft habe, lag sicher an mir, oder daran, dass ich auf die verrückte Idee kam, nebenher auch noch ein Haus für die Familie bauen zu müssen.
Dann habe ich auch nicht auf meine Gesundheit geachtet, einige Jahr habe ich viel geraucht und manchmal sogar Alkohol getrunken.
Aber ich kann noch von Glück sagen, dass mich trotz dieser exzessiven Lebensweise kaum je eine Arztpraxis oder gar ein Krankenhaus von innen gesehen hat.

Selbst schuld bin ich auch, dass in meinem letzten Arbeitsvertrag mit einem New-Economy-Unternehmen die Berufsbezeichnung „Vorstand“ stand. Dass ich dann meine Arbeit verloren habe, lag sicher auch an mir und meinem Alter. Mit 57 Jahren ist man doch den Anforderungen einer modernen Kommunikationsgesellschaft, die man selbst mit aufgebaut und gestaltet hat, einfach nicht mehr gewachsen.
Arbeitslosengeld habe ich als „Vorstand“ dann auch nicht beantragt, obwohl ich 30 Jahre lang immer regelmäßig die höchsten Beiträge in diese Versicherung gegen Arbeitslosigkeit einbezahlt habe.

Jetzt erfahre ich aus den Medien, dass Sie mir erlauben werden bis zu meinem 67ten Lebensjahr weiterzuarbeiten, sofern es mir gelingt eine Arbeit zu finden, für die ich nicht überqualifiziert oder zu alt bin. Sicher finde ich auch deshalb seit zwei Jahren keine Arbeit, weil ich fälschlicherweise immer noch beabsichtige von meinem Verdienst auch leben zu können.

Und dass jetzt auch noch meine Rente in Gefahr ist, habe ich mir auch selbst zuzuschreiben. Zuerst hat sich meine Frau von mir scheiden lassen, da ich ja aus beruflichen Gründen sowieso nie zu Hause war. Dann habe ich ihr gerne noch die Hälfte meiner Rentenansprüche und das Haus abgegeben, damit sie da mit den Kindern weiterwohnen kann. Selbstverständlich habe ich dummerweise auch noch den Unterhalt für die Kinder bis zum Studium weiterbezahlt. Dennoch habe ich vollstes Verständnis dafür, dass meine eigene Studien- und Lehrzeit bei der Berechnung meiner Rente keine Berücksichtigung mehr finden wird und die Teuerungswellen durch Euroumstellung, diverse Steuererhöhungen und die Kostenexplosion im Gesundheitswesen durch Nullrunden bei Rente und Arbeitslöhnen gegenfinanziert werden müssen.

Und dann habe ich, so sehe ich das heute, auch noch den Fehler gemacht über viele Jahre in Deutschland treu und brav meine Steuern, -in den letzten Jahren laut Lohnsteuerklasse I, als Single ohne Kinder-, dazu noch Sozialabgaben, Beiträge und Gebühren gezahlt zu haben, statt dauerhaft ins Ausland zu wechseln. Oder zumindest mein sauer erspartes Geld dort in Sicherheit zu bringen.

Hätte ich das nur getan, dann hätten mir sicher die Schatzmeister der politischen Parteien, die mir bei den Banken in Luxemburg und Liechtenstein die Türklinke in die Hand gegeben hätten, den einen oder anderen heißen Tipp zur Geldanlage geben können.

Aber Herr Bundeskanzler, Sie haben recht, das alles ist Schnee von gestern.
Wir wollen jetzt nicht rumjammern, sondern müssen jetzt eben den Gürtel enger schnallen und endlich anfangen nicht mehr über unsere Verhältnisse zu leben.
Denn wer das tut und das auch noch über einen längeren Zeitraum, der hat es eben nicht anders verdient.

Für Ihren wohlverdienten Ruhestand nach der nächsten Bundestagswahl wünsche ich Ihnen und auch Ihrer Gattin alles Gute.

Für heute verbleibe ich mit freundlichen Grüßen


Rolf R. Föll

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.11.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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