Rolf Grebener
Eine merkwürdige Schweinefahrt
Die Gläser sind gefüllt.
Nachbarn und Freunde stoßen auf Onkel Walters 82. Geburtstag an.
Ob Onkel Walter wieder eine Geschichte aus seinem Leben erzählt?
Alle kennen seine Geschichten. Doch lachen wir gerne noch einmal über seine Erlebnisse. Habe ich euch schon die Geschichte von der Schweinefahrt erzählt, fragt Onkel Walter. Dabei schaut er über seine Nickelbrille. Nein, rufen die Gäste, erzähle!
Kichernd beginnt der alte Möbelhändler zu erzählen. Es geschah in meiner Anfangszeit als Möbelhändler. Die Zeit war schlecht. Nach einem verlorenen Krieg wurde gehamstert.
Stadtmenschen tauschten viele gute Gegenstände gegen Speck ein. Schwarzschlachtungen standen zwar unter Strafe, waren aber die Regel.
Auch ich hatte in der Nachkriegszeit schwer zu kämpfen.
Onkel Walter stöhnte.
Meine Ladenfläche war sehr klein. Ein Lager gab es nicht im Geschäft.
Gott sei Dank durfte ich einen Teil meiner Möbel beim Bauern Janssen unterstellen. Dafür war ich sehr dankbar.
Eine Hand wäscht die andere, sagte Janssen eines Tages zu mir.
Der Bauer hatte sich in Großwolde, einem 30 Kilometer entferntem Ort ein angeblich schwarz geschlachtetes Schwein gekauft.
Da nur ich im Dorf ein Auto besaß, bat Janssen mich, dass geschlachtete Tier abzuholen.
Nervös machte ich mich auf den Weg.
Zu meinem Schrecken stellte ich am Zielort fest, dass die Sau noch lebte.
Sie war quicklebendig und wog ca. 200 Pfund. Walter schaut in die Runde.
Stellt euch das mal vor, mein schönes Auto, sagte er mit ernster Miene.
Das Schwein wurde mit viel Gequieke auf die Rückbank geschoben. Unter einer alten Decke habe wir es versteckt.
Mit schlotternden Knien machte ich mich auf dem Heimweg.
Meine Unruhe hatte sich wohl auf das verängstigte Tier übertragen.
Das Schwein sprang über die Lehne.
Grunzend saß es neben mir auf dem Beifahrersitz, seufzt Onkel Walter. Und dann das!
Ein bekannter Polizist regelte an der Kreuzung Spier in Loga den Verkehr.
Und jetzt?
In meiner Not zog ich dem Tier meinen Hut über den Kopf.
Langsam rollte ich an die Kreuzung.
Der Polizist winkte mich durch.
Schweißgebadet lieferte ich das Schwein beim Bauern Janssen ab.
Am nächsten Tag traf ich den Polizisten an der Tankstelle.
Herr Möbelmann, sprach dieser mich an.
Wer saß denn gestern so leichenblass neben ihnen im Auto?
Es war mein armer Vater, sein Blinddarm ist geplatzt. Ich habe ihn ins Krankenhaus gefahren, meldete ich mit Trauermiene dem Polizisten.
Der Wachmeister schaute mich mitleidig an, nickte und wünschte meinem Vater eine gute Besserung.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.12.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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