Mir ist, als wollte Anna nicht nach Hause und lade sie spontan zu mir ein. Beim Abendessen und Klavierspiel meiner Töchter unterhalten wir uns über Musik, Kino, Bücher. Wir entdeckten viele Gemeinsamkeiten. Angetan ist Anna von dem Eierlikör, den ich aus dem DDR-Urlaub bei meinen Verwandten mitgebracht habe. Beim Abschied schenke ich ihr eine wohlriechende Seife aus Deutschland. Der Duft in meinem Bad entzückt Anna.
So beginnt unsere Freundschaft. Anfangs treffen wir uns ausschließlich aus beruflichen Anlässen, mal bei den regelmäßigen Sitzungen der stellvertretenden Schulleiterin, der Hospitation des Deutschunterrichts in diversen städtischen Schulen, anderen öffentlichen Veranstaltungen. Dann kommen sporadisch private Treffen dazu. In unserer Stadt gibt es keine Cafés oder Restaurants zum Verweilen, wir treffen uns in heimischer Atmosphäre bei mir. Ich koche und backe für meine Kinder. Fertiggerichte gibt es nicht zu kaufen. Öfter lade ich zu hausgemachten Leckereien und deutschem aromatischen Kaffee ein, den Anna besonders genießt. Nicht der Kaffee und das Essen ziehen Anna an. Ich glaube, sie fühlt sich in meiner kleinen Familie ohne Mann sehr wohl bei Musik und Unterhaltung, den gleichen Interessen für Bücher. Wir sind beide Deutsche, unterrichten die Sprache, üben den gleichen Beruf aus. Frei von Eheverpflichtungen haben wir Zeit für gemeinsame kulturelle Veranstaltungen. Ich mag Anna, sie ist klug und hat Humor. Allmählich befreie ich mich von Vorurteilen, sie sei überheblich, unnahbar. Eine gewisse Distanz bleibt, Anna spricht nie über ihr Privatleben, oder nur bis zur gewissen Grenze. Einer ihrer Lieblingssprüche lautet: „Deine geheimen Gedanken vertraue niemandem an, auch dir selbst nicht.“ Ich rede viel über meine Eltern, Kinder. Bekannte, Lehrer. Freunde fragen mich: „Wie kannst du warmherzige, großzügige Frau dich mit der kalten, hochnäsigen Person anfreunden?“ Ich sage ihnen, dass sie Anna nicht wie ich kennen: klug, gebildet, belesen mit Sinn für Humor. Klar, ich rede mit ihr nicht so offen wie mit meiner besten Freundin Alexandra. Das ist normal. Man hat eben solche und solche Freunde. Der Grad der Bekanntschaft ist unterschiedlich. Und ich glaube, Menschen bestehen aus vielen Facetten. Nur die oberste zu sehen, ist zu einfach. Anna findet das in Ordnung, sie will nicht alles über mich wissen.
- Fortsetzung folgt -
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.01.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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