Von da an schockierte sie mich immer öfter. Anna lud sich bei mir ein. Ja, meine Tür stand immer offen. Und ja, ich verstand Anna, wenn sie meinte: „Du hattest Gäste, also leckere Reste, und die sind am besten. Ich komme abends vorbei.“
Ich konnte nicht Nein sagen, auch wenn es mir nicht passte. Einmal traute ich mich, an meinem freien Tag, an dem ich Besuch erwartete zu sagen: „Anna, ich habe Besuch!“ – „Na und?“ – „Der Mann ist gerade gekommen. Könntest du nicht morgen kommen?“, erwidere ich. „Dein Besuch kann doch morgen kommen oder gehen, wenn ich komme. Muss der so lange bleiben? Wann geht der?“– „Anna, er hat vor, länger zu bleiben, ich kann ihn nicht einfach wegschicken.“ – „Na dann sitze ich eben so lange, bis er eher geht.“
Und sie tat es. Sie kam, aß und saß bis in die späten Stunden. Der Mann verabschiedete sich, ohne, dass wir uns aussprechen konnten. Anna blieb ohne ein schlechtes Gewissen. Das hatte ich. Aber für sie setzte ich mein wie immer freundliches Gesicht auf. Sollte ich sie beleidigen und sagen, weil du nichts Besseres mit dir anzufangen weißt, ignorierst du meine Bedürfnisse? Im Stillen sagte ich mir: Das könnte ich nie! Welch grenzenloser Egoismus, welche Rücksichtslosigkeit!
Ich habe mir nach meiner Scheidung geschworen, weniger Rücksicht darauf zu nehmen, was andere wollen oder brauchen, sondern offen und direkt zu zeigen, was ich will. Und ich habe mir geschworen, mich nie wieder verletzen zu lassen. Ich war wohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht soweit. Ich versuchte die Beziehung zu retten, selbst wenn ich feststellen musste, sie ist eigentlich wertlos geworden. Immer noch machte ich einen schwierigen Lernprozess durch, um zu erkennen, dass manche Menschen nicht fürs ganze Leben, sondern eben nur für eine bestimmte Zeit in dein Leben treten.
- Fortsetzung folgt -
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.01.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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Diese Augenblicke - Lyrische Sichtweisen
von Rainer Tiemann
Aneinander gereihte Augenblicke sind es, die letztlich das ausmachen, was man Leben nennt. Es gibt die schönen und die weniger schönen Augenblicke. Alle jedoch tragen dazu bei, dass sich Menschen erinnern. An manches gern, an manches weniger gern. Oft sind es die schönen Augenblicke, die uns Mut machen und nach vorn schauen lassen. In "Diese Augenblicke" setzt Rainer Tiemann seine Gedankenspiele des Lebens facettenreich durch diverse, unterschiedliche lyrische Formen um. Neben Prosa und Reimen in deutscher Sprache sind in diesem Lyrik-Band erstmals auch einige seiner fremdsprachlichen Gedichte zu finden. "Diese Augenblicke" ist Tiemanns drittes Buch, das im Engelsdorfer Verlag erscheint.
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