Helmut Hartl

Saumarktgschichtn Teil1

 

 

Es war die Zeit des Wiederaufbaus, die Zeit des beginnenden Wirtschaftswunders, und doch schien beides, mehr oder weniger spurlos an der niederbayrischen Landbevölkerung vorbeizugehen.

Ja, es tat sich nicht allzu viel in der Richtung.

Auch nicht in Scheiferls Wohnsitz Masslkofen.

Zum Aufbauen gab es dort nichts, zumindest nichts, was der Rede wert gewesen wäre, und das Wirtschaftswunder, das kehrte dort eher in den beiden Brauereien, und den acht, oder gar neun Wirtshäusern ein, die allesamt recht passable Zahlen schrieben.

Und ein gutes Stück dazu, trug der Saumarkt bei, der sich allseits größter Beliebtheit erfreute.

Es war die Stunde der Ökonomen und Viehhändler, die viermal im Jahr von nah und fern herbeiströmten, und die beschauliche Ortschaft, einen Tag lang, zum Mittelpunkt des Gäubodens machten.

Ganz zu schweigen vom enormen Trubel, der kaum ein Ende zu nehmen schien, präsentierte sich das derb bäuerliche Gepräge der einheimischen Bevölkerung zu keiner anderen Gelegenheit ursprünglicher als an so einem Markttag. Und nicht zu vergessen, die Schlitzohrigkeit des niederbayrischen Ureinwohners, die sich in nichts abgefeimter widerspiegelte als bei so manch einer Viechhandelsdebatte.

 

Ja, do iß’ ganz schee zua ganga in Masslkofen, - so ein Saumarkt, der hatte allerhand zu bieten.

Wobei ja der Begriff „Saumarkt“ eher der falsche gewesen ist, weil dort bedeutend weniger Sauen als Rindviecher, - und da sprechen wir jetzt von den „Vierbeinigen“-, feilgeboten wurden, die dicht gedrängt, links und rechts des sanft ansteigenden, kopfsteingepflasterten Postbergs bis hinauf zum Fischerwirt standen, bei dem dann die „Zweibeinigen“, spätabends, die Hälfte ihrer Einnahmen versoff.

Jawoij, - de warn tatsächlich so däppat!

Da floss so mancher Reibach zum einen in die Taschen der hiesigen Gastwirte, und zum andern, über die Blechrinnen der Pissoirs hinein in die Versitzgruben, um von dort aus das Masslkofener Grundwasser zu verfeinern, das, nach so einer Wirtshausnacht, in Flaschen abgefüllt, durchaus als „Lobachtaler Hopfenauslese“ durchgegangen wäre.

 

Schon in aller Herrgottsfrüh, als der Viehauftrieb begann, hockte der Scheiferl auf dem breiten Fensterbrett der Scheiflberger’schen Dachkammer und kam aus dem Staunen kaum noch heraus.

Der Blick von dort droben, hinunter auf den Viehmarktplatz, war gigantisch.

Das ganze Saumarktgwurl lag ihm quasi zu Füßen. 

Rindviecher über Rindviecher, - soweit das Auge reichte!

Welch ein drunter und drüber! Was für ein Stimmengewirr. Ein Grunzen ein Gackern ein Muhen und Wiehern. Mensch wie Vieh, alles plärrte und rannte kreuz und quer durcheinander.

In aller Eile wurden Fuhrwerke entladen, mordstrümmer Kisten und Babbadecklschachtln gekarrt, es wurde um Standplätze gestritten, und dabei gschoitn, dass sich sogar der Leibhaftige die Ohrwaschl zugehalten hätte.

Es wurden Lattenverschläge zusammengenagelt, ausgebüxtem Federvieh hinterhergejagt, und natürlich, wie es sich für einen traditionsbewussten Saumarktler gehörte, beim Vortaxieren des Angebots, das selbige erst einmal schlecht geredet.  

Was der Scheiferl in der Folge oft hautnah mitbekam, weil er es auf seinem Logenplatz nicht allzu lange aushielt.

So bald als möglich, mischte er sich unters gemeine Volk.

 

„Ja wos glotzt men eijtz do o“, lästerte ein krummhaxada, rotgsichtiger Viechhandler über eine der akkurat gestriegelten, braun gflecktn Muichküah vom Stierstorfer-Bauern.

„O meij, Stiawal, wos hostan eijtz do dabei!“

Mit provokantem Grinsen schob er sein speckiges Lederkappl in den Nacken.

„Glaum mächst as ja ne, mit sowos trauat se er am Viechmarkt“, lachte er, dass sein vollgfressna Ranzn auf und ab hüpfte, wie ein prallvolles Kuheuter.

„Ja buidstan du äbba goar eij, dass du den Boanahauffa lous werst?“

„Stiawal, do moane konnst woatn bis’d grea bist! Der taugat ja no ned amoi für a gscheide Rindssuppn!“

 

„Ja schau ma ned eahm o! Er, da anda, da ganz anda!“, konterte der Stierstorfer Gustl, und zwirbelte unter wissendem Schmunzeln an seinem mächtigen, eisgrauen Schnauzbart.

„Ja moanst’n du i bin bled“ „De dat da wohl aussahenga, geij du Hodanlump, du gwapplta! Owa do, do werd da da Schnowe sauba bleim Grassinger! Für meij Stasi do deafat deij Geijdbeitl ned glanga.“

„Ba weitm ned, du Leitbscheissa du hintakünftiga!“

Eine Wortwahl, zu der gesagt werden muss, dass es sich hierbei um eine ganz normale, ausgesprochen kollegial gehaltene, saumärktliche Mitteilungsform handelte, womit ihm der Krahburger Altbauer nichts anderes, als seine Verhandlungsbereitschaft signalisierte.

Fortsetzung folgt...

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