Helmut Hartl

Saumarktgschichtn Teil4

Normalerweise bot ja der Heigl- Müller auf dem Saumarkt nur seine Bibgockel feil.

Doch hin und wieder, hatte er auch ein anderes Geflügel im Angebot.

Einen Pfauenvogel, der auch schnell einen Abnehmer fand, was dem Scheiferl, einem Hungerleider mit chronischem Magenknurren, kaum einleuchten wollte, weil ein solcher Vogel einen Batzn Geijd kostete, und sich trotzdem nicht verspeisen ließ. Angeblich war so ein Pfau ein unglaublich zachs Viech, was ein Bibgockel nicht sein sollte.

Aber, zach oder nicht, dem Scheiferl, dem ging es um Gotteswillen nicht darum, sich so einen prächtigen Pfauenvogel einzuverleiben.

So ausgeprägt wäre sein Hungergefühl nun auch wieder nicht gewesen.

Nein, es ging ihm einzig und allein um dessen Federkleid. Genauer gesagt, um eine dieser bunt schillernden Federn.

Droben am Lins, gegenüber vom Stadler-Bauern, da stand er wieder einmal, der Bruckwagen vom Heigl-Müller.

Beim mächtigen Manitu! So eine Pfaufedern!

Das wäre nicht nur für den Scheiferl die absolute Krönung seines Komantschendaseins gewesen.

Ja, um so ein Kleinod, da bettelten die Stammesbrüder oft schmachvoller als jedes nichtswürdige Bleichgesicht um seinen lausigen Skalp, was eine schier unverzeihliche Selbsterniedrigung bedeutete, zu der sie sich auch diesmal herabließen.

Aber wieder einmal wimmelte sie dieser ausgschamte Mehlsack eiskalt ab.

„Nix do, schauts dass eijch schleichts es Rotzleffen es dreckadn!“

Eine geradezu niederschmetternde Abfuhr, in der sich die unermessliche Hilflosigkeit des niederbayrischen Kindseins in all ihren qualvollen Facetten widerspiegelte.

Schier unerträglich aber, war die Gewissheit, dass der Heigl-Müller im Besitz jeder Menge solcher Kostbarkeiten war, die er hier stückweise zu Geld machte.

Dort, auf seinem Bruckwagen, inmitten der Bibgockelkäfige, dort schillerten sie so nah und doch so unerreichbar, aus einer großen, offenen Babbadecklschachtl.

Ein Behältnis, das er quasi mit Argusaugen bewachte.

„Der oide Geizkrong, der hundsmiserablige!“

Im Augenblick wünschten ihm die zutiefst enttäuschten Bittsteller nur eins, - dass ihn sofort, - auf da Steij, da Deife hoijt.

Doch selbst die schwärzesten Gedanken brachten sie nicht weiter.

Wie es aussah, würde es wieder nichts werden mit einer Pfaufeder.

 

Doch schien es, als sollte es an jenem Saumarkttag jemanden geben, der ein Einsehen hatte.

Und das, kann nur der große Manitu höchstpersönlich gewesen sein!

Jawohl, nur der kann es gewesen sein, der in seiner unermesslichen Güte, ein einmaliges Bündnis mit den bedauernswerten Stammeskriegern einging.

Bestimmt wird er sich gesagt haben, was um Himmelswillen, wäre so ein Masslkofener Lobachkomantsche ohne eine Pfaufeder.

„Des konn ma doch dene arma Hund ned odoa, - des waar ja no schlimma, wia a Ross ohne Schwoaf!“

Also schickte er den leidgeprüften Kriegern, die fieberhaft drüber nachdachten, auf welche Weise man doch noch an diese kostbaren Trophäen herankommen könnte, den Säcklermeister Pollack.

Und der wiederum, lenkte den Heigl-Müller ab, weil er mit ihm um den Preis eines ganzen Pfaufederbüschels feilschte, das er für die Federkielstickereien brauchte, mit denen er seine handgeschneiderten Hirschlederhosen und Hosenträger verzierte.

… und Manitus Rechnung ging auf…

Nachdem er den Stammesbrüdern heimlich still und leise dazu geraten hatte, den Ort der Versuchung möglichst lautstark zu räumen, half er dem Scheiferl hinter Heigls Rücken, auf den Bruckwagen und empfahl ihm, einmal kurz hinzulangen.

Was der sich auch nicht zweimal sagen ließ.

Blitzschnell schnappte er sich ein gutes halbes Dutzend der begehrten Objekte und kratzte damit die Kurve!

 

Der knickrige Mehlwurm bemerkte nicht das Geringste. Der war viel zu sehr mit seiner Schacherei beschäftigt. Aber der Säcklermeister Pollack!

Selbstverständlich sah der den Pfaufederndieb, war aber im Gegensatz zu Scheiferls Seilschaft, ein Ehrenmann bis aufs I-Tüpferl.

Obwohl er haargenau wusste, dass sich diese hinterlistige Schar immer wieder an den Früchten seiner Rebstöcke vergriff, hat er sie mit keinem Wort verraten. 

Die Freude der Lobachkomantschen war gigantisch, endlich durften sie sich mit einer dieser prächtig schillernden Pfaufedern schmücken. 

Und Scheiferls Ansehen, das stieg an jenem Spätsommertag, an dem jetzt die Sonne noch herrlicher vom weißblauen Bayernhimmel zu strahlen schien, in ungeahnte Höhen.

 

Genauso, wie sich die Lobachkomantschen über ihre Pfaufedern freuten, so dürfte sich damals der Dirscherl Schmied über den regen Zulauf gefreut haben, den ihm so ein Saumarkt bescherte. 

Doch dafür, musste auch der hinlangen.

Was aber für einen aufrechten Niederbayern kein Problem war, – wenn dabei was hängen blieb.

Wobei selbstverständlich vorausgeschickt werden muss, dass es bei diesem Hinlangen nicht um das Krampfln von Pfaufedern ging, sondern um das Arbeiten mit dem Schmiedehammer.

 

An so einem Saumarkttag dauerte es nicht allzu lange, bis die ersten schwefelgelben Rauchwolken aus Dirscherl‘s rußgeschwärztem Wirkungsbereich zogen, was zur Folge hatte, dass sich zu dem ätzenden Stallgeruch, der über halb Masslkofen lag, noch ein weiterer gesellte.

Der von verbranntem Pferdehuf.

Wie der Scheiferl durchs offene Werkstatttor erkennen konnte, gehörte der Dirscherls erster Kundschaft.

Dem Hansi vom Schreierbauern, - einem ziemlich lebhaften Rappen, der neu beschlagen werden musste. Eine Angelegenheit, die sich auch diesmal wieder als eine geradezu unbeschreibliche Tortur herausstellte.

Obwohl ihm der Dirscherl Toni schon x-mal versichert hatte, dass ein Pferd so was nicht spüre, konnte der Scheiferl vor lauter Anteilnahme kaum hinschauen.

Schon als der Schmiedemeister mit einem mordstrumm Messer den Huf ausschnitt, hatte der Geselle, der Buxbaum Willi, ein „Prackl von einem Mannsbuid“, seine liebe Mühe, den zuckenden Pferdehaxn festzuhalten.

Der Scheiferl, er konnte einfach nicht begreifen, wie ein Pferd so was aushalten konnte, wo ihn doch das „Zehennägelschneiden“, schon jedes Mal fast umbrachte. 

Und dann, - dann nagelte man so einer hilflosen Kreatur auch noch glühend heiße Hufeisen auf die Fußsohlen!

Was nicht nur furchtbar qualmte und stank, sondern, - und da konnte der Toni behaupten, was er wollte -, auch ganz sakrisch weh tun musste!

Jedenfalls ging dem Scheiferl die Prozedur geradezu durch Mark und Bein. 

Und heraußen neben dem Werkstatttor, da warteten, festgebunden an eisernen Mauerringen, noch mehr so arme Viecher, denen das gleiche bevorstand.

Mein lieber Scholli, was war der Scheiferl in dem Moment froh, dass er kein Pferd war.

 

Jawoij, so einem niederbayrischen Gaul, dem ging es nicht allzu gut.

Nicht nur, dass so ein Viech den ganzen Tag schuftete wie die Sau und sich dabei stundenlang von blutgierigen Bremsen drangsalieren lassen musste, - nein, es landete, wenn es zur Feldarbeit nicht mehr taugte, auch noch beim Roßmetzger.

Und zum Schluss sogar in der Wurscht.

Nur ein paar Schritte weiter, an „Riedls Wurststandl“, da schwammen sie zu hunderten in einem großen Kessel mit heißem Wasser.

Warme Rossknacker, - das Stück für ein Zwanzgerl.

Die gingen an so einem Saumarkttag weg wie die warmen Semmeln, die übrigens ein Fünferl kosteten.

Wahrscheinlich mussten da ganze Pferdeherden dran glauben, weil es, wie der Scheiferl mit eigenen Augen gesehen hatte, unter diesem Viechhandlerhaufen einige dabei waren, die auf einen Sitz zehn Stück davon fressen konnten. 

Mein lieber, die hatten aber auch entsprechende Wampen.

Da hätte in so manch eine ein halberter Kessl voll hineingepasst.

Er selber, er hielt sich da zurück, - der Scheiferl aß keine Wurscht.

So eine Rosswurscht, - ja nie im Leben! 

Ja, noch nicht mal im Traum wäre ihm, diesem einfühlsamen Tierfreund eingefallen, ein Pferd zu verspeisen.

Na, na, da hätte er schon lieber in ein Wienerwürschtl, oder in ein Bratwürschtl gebissen. Ja meij, ganz ohne Wurscht, soweit war’s dann auch nicht her mit dem Tierfreund.

Aber Schwamm drüber… Fortsetzung folgt...

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