Vorne, beim Pangerlbauern, Hundegekläff…
Der weiße Spitz vom Achatz-Mauerer!
Obwohl sie ja wissen musste, dass ihr Hundsköter ganz scharf darauf war, auf dem Saumarkt sein Unwesen zu treiben, schien die alte Achatzin wieder einmal vergessen zu haben, den lästigen Trackn wegzusperren.
Wegen dem, da wäre es vorne am Postberg, einmal um ein Haar zu einer Katastrophe gekommen, weil dieses kläffende Hundsviech wie ein tasmanischer Teufel durch die Haxen der Rindviecher raste.
Ja, es hätte damals nicht viel gefehlt, und die Viecher wären durchgegangen.
Diesmal hatte es der Achatz-Spitz auf ein paar staksige Jungfohlen abgesehen, denen es momentan überhaupt nicht zu passen schien, dass man sie beim Pangerl an den Lattenzaun gebunden hatte.
Was aber kein Wunder war. Hätte natürlich keinem Viech gefallen, wenn ihm so ein mistiger Kläffer zwischen den Haxen herumgetanzt wäre.
Auch nicht dem Scheiferl, der es aber, - was er auch offen und ehrlich zugeben musste,- niemals gewagt hätte, dazwischen zu gehen.
Aber die Pangerlmagd, die Gallinger Res, ein stämmiges, ausgesprochen resolutes Frauenzimmer, das gerade dabei war, die „Gred“ abzukehren, hatte da weniger Respekt.
Die hätte fast das ganze Hoftürl mitgenommen, so wild stürmte sie mit ihrem Reisigbesen raus auf die Straße!
„Ja du Drecksviech, du meineidigs! Ob’st eijtz du de Heijssn in Ruah lasst!“, plärrte sie, und zog ihm den Besen dermaßen über das Fell, dass er sich fast überschlagen hätte.
Doch, anstatt das Weite zu suchen stemmte der Achatz-Hund seine Vorderpfoten in den Straßensand und bellte sie zähnefletschend an.
- Da traf ihn der Besen ein zweites Mal. -
Und als er ihn zum dritten Mal von den Beinen holte, kam auch schon die asthmatische Achatzin angewatschelt.
„Jessas na“, keuchte sie, „daschlog ma du mein Hund ned“, drosch ihm aber im selben Atemzug die Hundeleine über den Buckel, dass es nur so klatschte.
„Schaust ned glei dass’d hoam kimmst, - du Mistdeife du elendiger!“
Ja, und schon war ausgekläfft.
Der Achatz-Spitz jaulte auf, zog seinen Schwanz ein, und sprang Richtung Heimat.
Dem war diesmal der Spaß am Masslkofener Saumarktgeschehen gründlich vergangen.
Dafür aber, schien sich das Heer der feilgebotenen Spanferkel, die drüben auf der anderen Straßenseite in ihren strohgepolsterten Holzkisten um die Wette quiekten, umso mehr zu freuen.
Zum Glück kannten die den Kagermeier-Metzger nicht, der wie immer in seiner weißen Schlachterschürze unterwegs war, und großes Interesse an den Jungrüsslern zeigte.
Ja, und auch an einigen der fetten Mastsauen, die vorm alten Buchner-Haus in provisorischen Lattenverschlägen flackten, und gleichgültig vor sich hin grunzten.
Mein lieber, wenn die geahnt hätten…
Dazu fiel dem Scheiferl nur eines ein, - „Schwein gehabt, kein Schwein zu sein!“
Schräg gegenüber, unter dem Vordach des Reichenederstadels, ging es wie immer mächtig zu. Dort standen die Bänke und Biertische des bayrischen Bauernverbands, an denen Fassbier getrunken, diskutiert, und Brotzeit gemacht wurde.
Und drinnen im Stadel, da wurden Pferde gehandelt.
Ganz klar, dass dort der siemgscheite, protzade Vorstand vom hiesigen Trabrennverein, der junge Ketterl-Bräu auch herumschleichen musste.
Ein Angeber vor dem Herrn!
Für den Scheiferl war das überhaupt kein Niederbayer, wenn, dann allerhöchstens eine niederbayrische Evolutionskatastrophe.
Wahrscheinlich war de routhoorade Blunzn, wieder einmal auf der Suche nach einem Rennpferd.
Ja genau!
„Des arme Viech!“ Das konnte einem jetzt schon leidtun.
Nur damit er es samt Sulky wieder in der Lobach versenken konnte.
So wie er es beim letzten Kirchweihrennen, draußen auf den Auwiesen fertiggebracht hatte, weil er die Technik des Trabrennfahrens noch saumäßiger beherrschte, wie der Daschner Franze das „Radlfahrn“ auf dem Drahtesel seines Großvaters.
Gott sei Dank, dass das Pferd mit dem Schrecken davonkam, - leider auch der Ketterl Klaus Dieter!
Obwohl ja so ein miserabliger Trabrennfahrer was anderes verdient hätte, hod a se denkt, da Scheiferl.
Ja meij…er konnte halt diese routhoorade Doagbirn nicht verputzen…
Was ihm aber in diesem Stadel umso gefälliger in die Augen stach, das waren zwei gigantische Rösser.
Ein Rotschimmel und ein Fuchs.
Wie der Scheiferl mitbekam, gehörten die einem grobschlächtigen, wandelnden Würfel mit O-Haxen, einem Menschen, der quasi genauso breit wie hoch war, - dem Masslkofener Fuhrunternehmer Daschinger.
Am Saumarkttag da ruhten seine Pferdefuhrwerke, die tagsüber von früh bis spät unterwegs waren, um die umliegenden Sägewerke, - drei davon gab es allein in Masslkofen - mit Baumstämmen zu beliefern.
Und diesen Ruhetag, den gönnte der grantige Leijtschinder neben seinen Pferden, ausnahmsweise auch seinen Holzknechten, die draußen auf den Bierbänken saßen, und soffen wie die Löcher.
Selbstverständlich durfte in dieser feuchtfröhlichen Runde auch der Landstorfer Hans nicht fehlen, ein ortsbekannter Säufer, der von den Holzern an einem Saumarkttag derartig abgefüllt wurde, dass er in seinem Fetzn Rausch die Welt zwei Tage lang für eine Bassgeige anschaute.
„Han äbba des deine Heiter“? wollte einer der Rosshändler vom Daschinger wissen.
Da wurde der gleich fuchtig, - wenigstens tat er so, als ob er es wäre.
„Dir gibe glei an Heiter, du Schofhiata du stingata“, fuhr er ihn an.
„Heiter, dat er song zo meine Ross’!“
„Mei liaba Mo, des san Belgier, - Brabanter san des, und koane Heiter!“
„Ja, ja, is scho rächt, mandld de ne a so af du windiga Hoizkrattla!“
Ja sauber, dachte sich der Scheiferl, dieser Mensch, der schien lebensmüde zu sein!
Der nannte den Daschinger einen Holzkrattler!
…jawoij, moch no so weida, dann werds bestimmt glei schewan…
Behäbig umrundete der Rosshändler das ins Auge gefasste Subjekt.
„Wos dastn volanga fürn Routschimme?“
Daschinger nannte den Preis.
„Wos sechshundatfuchzge? Ja bist dan eijtz du no ba Vostand, ja ham ‘san dir heijt in da früah ins Hirn eij gschissn?“
„Vierhundat, ollahöchstns, gib a da dafür, und koan Pfenneng mehr!“
„Woasst wos“, knurrte der Daschinger, „kaf da doch an Esl du Stoaweidler!“
„Um Vierhundat, do scheng en ja af d’Nacht liaba am Roßmetzga!“
Der Rosshändler: „Vierfuchzge!“
„Schlog eij, du Beijtlschneida, du ruachada, na host’n lous dein hatschadn Wallach!“
Nun hätte man angesichts derartiger „Freundlichkeiten“ wenigstens hier erwarten können, dass sie sich über den Haufen dreschen.
Aber auch diese zwei Hammeln, diese zwei nichtsnutzigen, taten dem Scheiferl keinen Gefallen.
Nein, auch die hauten sich nur ein paarmal gegenseitig auf die Pratzen.
Wie dann der Rosshandel ausging, erfuhr der Saumarktspaziergänger nicht mehr, weil man auf seine Anwesenheit, plötzlich keinen Wert mehr zu legen schien.
„He, du Krippe du langohrada, wos hostn du do herin voloarn?“ - Schau, dass de schleichst, bevor de a Ross datritt“, schnauzte ihn der Daschinger an.
Und da er auch noch Anstalten machte, den unerwünschten Besucher mit seinen schweren Lederstiefeln in den Allerwertesten zu treten, hielt sich der Scheiferl an Daschingers Empfehlung.
- Er machte sich umgehend vom Acker. -
Jetzt stand ihm auch keiner im Weg, so wie damals, bei diesem saumärktlichen Nachspiel, das an Peinlichkeit kaum mehr zu überbieten war.
Aber erst mal zurück zum Saumarkt…
Am späten Nachmittag, da sich die Rindviehreihen weitestgehend gelichtet hatten, neigte sich das Masslkofener Saumarktgeschehen dem Ende zu.
Noch einmal wurde es hektisch. Es wurde abgebaut, aufgeräumt, das restliche Vieh verladen und abtransportiert. Eine Arbeit, die in der Regel Sache der Dienstboten war.
Danach kehrte Ruhe ein. Postberg und Viehmarktplatz leerten sich zusehends.
Auch an den Biertischen des Bauernverbands, verstummten die letzten Debatten. Wie immer war dort das Bier ausgegangen, und im lauwarmen Brühwasser von Riedls Rosswurstkessel schwammen auch nur noch ein paar einzelne Wursthäute.
Während sich nun die Lobachkomantschen den Hinterlassenschaften der Rindviecher widmeten, machte sich die Mehrheit der Herrn Ökonomen und Viehhändler auf den Weg zum geselligen Beisammensein.
Man traf sich traditionsgemäß an Masslkofen’s Wirtshaustischen, um die letztlich doch recht guten Geschäfte ausgiebig zu begießen.
Frei nach dem Motto, - „Schwoam man owe, den Saumarkt!“
Und für dieses „Oweschwoam“, kam für einen alteingesessenen Niederbayern nichts Anderes in Frage als Gerstensaft, das süffige, goldgelbe Lebenselixier, das so manch einer Kübelweis saufen konnte, während der andere schon nach der fünften Maß unterm Tisch lag.
Wie damals dieser oberpfälzische Fremdkörper!
Ein Eiglbrunner Klauenputzer, der den niederbayrischen Urviechern, vermutlich in einem Anfall geistiger Umnachtung, seine Trinkfestigkeit unter Beweis stellen wollte, und sich in völlig ungewohnter Umgebung wiederfand.
„Ja meij, a weng an Gschpoaß den muaß oans scho votrong kinna, a sechana g’hert dazua zo am Saumarkt.“
Und dieser Ansicht waren nicht nur die beiden Spaßvögel, die in einer nächtlichen Aktion für den Spaß gesorgt hatten.
Eine Meinung, der sich auch der Scheiferl nur allzu gern angeschlossen hätte, wenn…ja, wenn ihn dieses saumärktliche Nachspiel, nicht um ein Haar um seinen ruhmreichen Komantschen-Ruf gebracht hätte! Fortzetzung folgt...
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.03.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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