Hans Fritz

Submarin ans Ziel

Submarin ans Ziel

Wir befinden uns auf dem Halbkontinent Cis-Okeania. Der auf allerlei prachtvollen Prospekten angepriesene Rundblick von hier oben ist in der ansonsten hügelarmen Gegend eine kleine Sensation.

Die Anhöhe ist kein Indiz geomorphologischer Aktivität. Es handelt sich um reinstes Menschenwerk, das vor gut achtzig Jahren aufgeschichtet wurde. Als Abraumhalde. Denn Millionen Tonnen Gesteinsfragmente mussten irgendwo gelagert werden. Einbringen ins nahe Meer oder Auffüllen des Strandes wurde vom Volk mit knapper Mehrheit abgelehnt. Mit 53 % der Stimmen wurde gemäss Vorschlag einer Landschaftsgestaltungskommission das Errichten jenes imposanten Hügels gutgeheissen. Doch woher stammt die enorme Schuttmasse?

Drohenden Gefahren eines ungebändigten Ozeans mit seinen immer häufiger auftretenden Monsterwellen zu trotzen ist seit eh und je ein frommer Wunsch. In neuerer Zeit kommen immer wieder selbst ‘Personenschiffe’ der Kategorie de luxe ins Schlingern und unter Passagieren und Mitgliedern der Besatzung kommt es dabei oft zu Verletzungen. Auch der Luftraum wird zunehmend unberechenbar und birgt Gefahren für Flugreisen. Da bringt die Presse essayistisch getönte Nachrichten über den bevorstehenden grössten Tunnelbau aller Zeiten. Was hat es damit auf sich?

In einer vom Volk kaum beachteten Diskussionsrunde des staatlichen Sicherheitsdienstes kommen die Teilnehmer aus Regierung und Grossindustrie zu folgendem Schluss. Eine untermeerische Trasse muss her. Technisch durchaus möglich, finanziell schon von vornherein ein Desaster. Weniger mit Blick auf die zu erwartenden hohen Kosten, sondern wegen der Verteilung der Kosten zu gleichen Teilen auf beide betroffenen Länder, nämlich Cis- und Transokeania. Die Frage ob ein- oder zweispurig wird heftig diskutiert. Aus Erfahrung (?) plädieren die Initiatoren des Projekts schliesslich für die Zweispurigkeit, das heisst eine Gleitschiene pro Richtung. Letzten Endes geht es um die Überwindung von 6400 Kilometer (!), nach vorsichtigen Berechnungen in 14 Stunden zu bewältigen. Die Trasse soll in einer Tiefe von 60 Metern unter dem Meeresboden verwirklicht werden. Da taucht die vollberechtigte Frage auf: Wie steht es mit der Versorgung des Personals und der Passagiere mit Frischluft. Dafür sind vierzig Kamine vorgesehen, von jeweils 250 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Die Kosten werden auf etwa ein Drittel des enormen ‘Endpreises’ des Gesamtprojekts geschätzt.

Mit dem Tunnelbau soll zur gleichen Zeit in beiden Küstenregionen begonnen werden. Im Glücksfall sollen beide Tunnelhälften in der Mitte der Strecke zusammentreffen, was eine ähnliche Struktur, sprich Härte, der zu durchbrechenden Gesteinsschichten voraussetzt. Probebohrungen sollen Klarheit verschaffen.

Nach fünf Jahren intensiver Planung startet die Verwirklichung des Projekts. Nach acht Jahren intensiver Bautätigkeit ist es dann soweit: Der Tunnelbau ist abgeschlossen! Die riesigen, vollautomatischen Bohrmaschinen sind ihrer Aufgabe mit Bravour nachgekommen. Von beiden Küstenstationen startet jeweils ein Bauzug mit je acht Technikern an Bord. Entgegen einiger der Tagespresse anvertrauten Bedenken verläuft die Sache glatt und gut. Bis zur endgültigen Inbetriebnahme der Strecke verstreichen sieben Monate. Ein Wassereinbruch erfordert aufwendige Reparaturarbeiten. Nicht an der Tunnelwand, sondern am unteren Ende des Kamins Nummer einunddreissig. Dann verläuft alles glatt, ganz so wie erwartet. Von nun ab konkurrenziert die Fahrt durch den Tunnel mit dem Verkehr von Flugzeugen und Schiffen.

Jedes der 18 Zugteile ist, um dieses alles wie nichts sagende Wort Komfort zu gebrauchen, mit einem solchenausgestattet. Komfortable, in Höhe und Neigung verstellbare Sitze vor nicht weniger komfortablen Tischen gehören zur ebenso zweckmässigen wie praktikablen Einrichtung der Abteile. Die zu bestimmten Zeiten aufgetischten Snacks sind, wie es ein Prospekt eines bekannten Reiseunternehmens verkündet, durchaus schmackhaft. Bleibt zu bemerken, dass in so genannten Ausnahmefällen das Mitführen von Kleintieren bis Neufundländer- beziehungsweise Rehkitzgrösse gestattet ist. Unter den Sitzreihen sind mehr oder weniger komfortable Boxen installiert. Einmal wurde eine junge Dame mit roter Mütze von einem jungen Wolf begleitet, wohl auch beschützt.

Ist die ganze Geschichte ein Ausbund an Utopie? Zumindest bautechnisch wird irgendwann alles möglich sein, wenn auch kaum finanzierbar. Wenn auch noch so pompös, technisch ausgereift, mit einem Wort gigantisch, ruft das Projekt Strategen auf den Plan, die die Öffentlichkeit mit teils nachvollziehbaren Überlegungen überflutet. Wie liesse sich im konkreten Konfliktfall das Objekt schützen? Es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass einige Regime bereits mit Feuereifer Pläne zur Sabotage der Trasse schmieden. Denn es könnten sich auch hier beide Grundprinzipien des Seins bemerkbar machen, nämlich Auf- und Abbau.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.04.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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