Die Liesa, mein geliebter Fluss,

begleitet mich durchs Leben.
War ich an einem anderen Ort,
hab‘ ich sie nicht vermisst,
und war sie eines Tages fort,
dann fehlte sie mir sehr.
Die Quelle wurde abgefangen,
den Stausee im Gebirge zu speisen.
Sein Wasser wird abgeleitet
ins nächste Tal zur Stromerzeugung.
Für Jahre war sie verschwunden
und ihr Geräusch verstummt.
Ihr Flussbett trug dann wenig Wasser
von Zuflüssen aus kleineren Bächen
auf der Strecke durchs Tal,
das zwischen hellen und dunklen Steinen
sich kaum noch bewegte.
Ihr Grund färbte sich dunkel,
das Wasser faulte, die Fische starben
und Braunalgen wuchsen in ihr.
Da war die Liesa so gut wie tot.

Die Liesa, mein geliebter Fluss,
fließt heute wieder besonders laut
mit hohem Tempo,
dank Regenfälle, Schneeschmelze
und abgelassenem Wasser vom Stausee.
Sie flüstert nicht und plätschert nicht,
sie tost und rauscht und kälbert wild
romantisch über Steine und Fels.
Die Wellen schäumen weiß.
Auch wenn ich nicht mehr da sein werde,
wird weiterhin ihr wildes Wasser
noch über Myriaden von Steinen tobend
berauschende Konzerte liefern,
sie mitreißen,
an Weiden umsäume Ufer spülen,
und dort für eine Weile zwischenlagern
An ruhigeren Stellen
erblickt man Wildenten, die im Sonnenschein
ihr eiskaltes Wasser durchschwimmen
und sich auf Steininseln sonnen.

Foto und Text: © Brigitte Waldner

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