Peter Kröger

Das Stöhnen

 

 

 


 


 

Der Tag neigte sich, die Zeit der Muße war gekommen. Ich biss in einen Apfel und kaute träge. Ganz wie mein Nachbar Jimmy am Abendbrottisch seiner herrlichen Villa. Apropos Jimmy: Er war tot, so war gerüchteweise zu hören. Sein Haus gehörte jetzt ihr. Und erst der Bücherschrank: Kafka-Erstausgaben, handsignierte Churchill-Erinnerungen, in Leder gebundene Faust-Editionen, eine halbgerauchte Zigarre von Freud hinter Glas, Schätze über Schätze. Woher hatte Jimmy den ganzen Plunder? Keine Ahnung. Er sprach nie über diese Dinge. Und nun war er hinüber. Der arme, reiche Mann. Ich trat vor die Tür meiner lausigen Hütte und schaute zu seiner Villa. Acht Hektar Land. Eine junge, schöne Frau, Alice, wir mochten uns. Sehr. Aber wir hielten Abstand. Das Dorf war klein. Ach Jimmy! Hier und da erhabene Gespräche von Nachbar zu Nachbar, kurz nur aber kraftvoll und klar. Von langen Abenden am Kamin sprachen die Freunde. Von einem festen Händedruck, wenn man Abschied nahm. Alle, die ihn kannten, schätzten Jimmy. Er verstand zu leben. Auf sein Wort war Verlass. Aber alles endete.

Aus der Villa kam ein Stöhnen. Kaum zu fassen! Das war doch Jimmy! Der Teufelskerl! Er lebte! Also doch! Was redeten die Leute nur? Und Alice war bei ihm, Gott sei Dank. Ich lief zur Villa. Das Stöhnen wurde leiser. Dann verstummte es. Alice kam heraus und nickte. In der einen Hand hielt sie ein berühmtes Buch vom jüngeren der Mann-Brüder, eine wunderbare Jubiläumsausgabe von 1928, in der anderen ein Küchenmesser mit blutiger Klinge.

Finis operis. Vorbei.“, sagte sie.

„Wirklich? Wie willst du das wissen?“

Unsicher starrte ich sie an. Auf einmal waren wir uns nah. Näher als je zuvor.

„Ich weiß es. Ihm fehlte die Fantasie. Komm.“

Ich gehorchte und folgte ihr in die dunklen Räume.

 

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