Kerstin Meinecke

Der Tod der alten Dame

Gefangen! Gefangen in mir selbst. Kein Ausweg. Keine Fluchtmöglichkeit. Kein Entrinnen. Nur noch ein Sprung und es wäre vorbei. Doch der Höllenhund, er lässt mich nicht vorbei! Und wieder bin ich am Anfang des Labyrinths, aus Träumen und Vergangenem. Scheue Augen verfolgen mich auf meinem Weg durch meine Gedanken. Wenn ich mich umdrehe, um zu sehen wer es ist, verschwinden die Augen, erstirbt das Gemurmel. Und ich ziehe meinen Weg fort durch die Gänge. Lang und kahl, ein Weg wie der andere. Und dort ist wieder das Licht! Ich tauche in die warmen Fluten der lang ersehnten Helligkeit. Wie ein junges Mädchen stürze ich mich jubelnd in dieses Meer. Mit leichten Schritten gehe ich immer tiefer in das Licht. Ich spüre, wie die Jahre der Qual und der Arbeit von meinem Rücken weichen und meine jugendliche Frische kehrt zurück. In einem Zustand von Glückseeligkeit erreich ich den Abgrund meines Seins.

Eine schneidende Wahrheit holt mich ein, die mein Leben stets begleitete. Wie ein Dolch im Rücken, hat sie mich stets auf Fehler hingewiesen und in tiefen Wunden meiner Seele herumgestochert. Ist die Wahrheit nicht oftmals eine unüberwindbare Last, die einem die Freude an Fantasie und Trug nimmt? Doch ich vermag nicht Kritik an des Schöpfers Gabe zu verüben. Das Licht ist vor mir und nur ein kleiner Sprung über den endlos gähnenden Abgrund in die Schwärze meiner Seele. Doch das Alter holt mich wieder ein. Unerbittlich bricht eine Welle von Bitterkeit über mich, mit der ich nicht vermag, über die Schlucht meines Selbst zu springen. Die Kraft verlässt mich und zurück bleibt mein alter Körper.

Mein langes weißes Haar bedeckt meine Blöße und ich schau herab auf meine Hände. Runzelig, alt und unansehnlich. Altersflecken ohne Zahl, bedecken meine Hülle, wie Masern ein kleines Kind. Doch noch ist nicht alle Kraft entwichen, noch kann ich springen. Anlauf nehmen, ja das ist wichtig. In schnellem Tempo, einen Fuß vor den anderen setzten und...ich springe, ich fliege fast. Ich sehe die verlockende, strahlende Helligkeit, doch ich erreich sie nicht.

Tiefer, tief in die Dunkelheit stürze ich. Weiter, immer weiter entschwindet das Licht.. Es ist vorbei. Mein Tod ist nah. Der Abgrund! Er endet! Ich sehe den Boden auf mich zuschnellen. Er ist da! Ich streckte meine Hände nach ihm aus und berühre ihn. Die Zeit vergeht langsam. Ich höre, wie meine Knochen knacken und splittern. Ist so sterben? Bin ich schon tot? Dunkelheit hüllt mich ein. Schwärzer noch, als der Abgrund. Müde bin ich. Müde. Ich schließe meine Augen und...träume.

Es ist etwas gewöhnungsbedürftig, denke ich. Aber vielleicht findet die Geschichte jemanden, dem sie gefällt. Mich würden Interpretationen sehr interessieren! Also, lasst euch nicht lumpen und schreibt ruhig :)Kerstin Meinecke, Anmerkung zur Geschichte

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