Sie verließ die Auffahrt in ihrem roten VW Polo, die Handtasche lag auf
dem Beifahrersitz. Mit
Blick auf die Straße drückte sie
die Tasche etwas tiefer in den Sitz, während die Uhr ihres Wagens
19.03 Uhr anzeigte – ein ungeschriebenes Gesetzt besagt, dass es sich
nicht mehr lohnt eine Uhr
umzustellen, sollte so die
nächste Umstellung in weniger als zwei Monaten nötig sein.
Orientierungslosigkeit und ein sich auf- und abwickelndes Wollknäuel in
den Mägen bescherten
ihnen einen unruhigen Tag, weshalb
sie kurzum beschlossen, auf die sedierende Wirkung von
Tiefkühlpizza und Streamingdienst zu bauen.
Erschöpft von den Anstrengungen der vergangenen Woche machte sie sich auf
den Weg zum
Einkaufsladen außerhalb der kleinen Stadt,
in der sie letztes Jahr überraschend das Haus seiner
Eltern geerbt hatten. Die Fahrtzeit betrug ungefähr fünfzehn Minuten.
Gerade kurz genug, um sich
zu überwinden, sie doch noch
auf sich zu nehmen.
Sonnenstrahlen blitzten durch die Blätter
der Allee, durch die sie fuhr, um mit strahlender Schönheit
das Ende des Tages einzuleiten. Autofahren entspannte sie. Das Geräusch,
wie die Reifen über den
Asphalt rollten, wirkte
irgendwie beruhigend. Jedoch riss sie die Vibration ihres Handys unsanft aus
ihrem meditativen Zustand. Sie blickte mit einem Auge auf den Screen,
der zur Hälfte aus ihrer
Tasche ragte und nahm den Anruf
an. Durch die Lautsprecher klang seine Stimme vertraut fremd.
„Ja?“
„Hey, wie geht es dir?“
„Ich bin doch gerade erst zehn Minuten weg.“
„Ich
weiß... Aber du hattest diesen Monat so viele Überstunden und warst
kaum Zuhause. Da dachte
ich mir, du könntest ein bisschen
Geschwätz vertragen?“
„Dein Geschwätz ist der
Grund, wieso ich schon wieder auf dem Weg in die Klinik bin,
Süßer.“
„Heißt das, es gibt keine
Pizza oder dass du nicht mitfliegen wirst?“
„Beides.“, sagte sie leise mit hochgezogener Stimme.
„Also könnte ich einfach mit meiner Affäre nach Bali? Ich meine,
wenn du dein Ticket nicht
brauchst...?“
„Ha, ha.“, sagte sie spöttisch.
„Siehst du,
spätestens jetzt lächelst du.“
Das tat sie.
„Ich freue mich auf morgen, Das haben wir uns verdient – vor
allem du!“
„Ich freue mich auch riesig. Aber wenn ich
zurück bin, möchte ich nur noch etwas essen, einen Film
mit dir schauen und in deinen Armen liegen, bis ich einschlafe.“
„Also habe ich später nur noch fünf Minuten mit dir?!“
Das Lachen stieg langsam aber sicher in ihr hervor wie der Mond am
Firmament und sie hielt sich
die Hand vor den Mund, um ihm
nicht zu gestehen, dass sein Geschwätz sehr wohl besser war als
ein Film und Tiefkühlpizza.
Zu ihrem Pech kannte er sie
so gut, dass er sie selbst bei absoluter Stille genau vor sich sah und
wusste, dass sie nun nicht mehr lächelte, sondern lachte.
„Das ist unfair!“, sagte er. „Wir beide wissen, dass
ich recht habe und der Kommentar obendrein
auch noch gut war.
Dafür hätte ich es verdient, dich lachen zu hören. Du
weißt, wie sehr ich´s mag.“
„Vielleicht
später.“, sagte sie kompromissbereit, das Grinsen noch auf den
Lippen.
„Na gut, Verhandlungspause. Dann bereite ich in der
Zwischenzeit schon mal alles vor. Ich liebe
dich.“
Sie erwiderte nichts. Alles, was er hörte, waren quietschende
Reifen und der Aufprall.
Stille - - und er wusste, dass sie nun nie
mehr lächelte.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.09.2023.
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