Eine Frau liegt oben ohne am Strand in der Sonne.
Sie reibt sich
ihren dicken Bauch sorgfältig mit Sonnencreme ein und dreht dann ihr
Badehandtuch mit integrierter Rückenlehne so Richtung Sonne, dass Diese
frontal auf ihr Antlitz ballern kann.
Ihr Mann, der daneben sitzt
und mit AirPods seine Lieblingsmusik zu genießen scheint, reicht ihr einen
Tuppertopf, woraufhin sie hineingreift und sich dann genüßlich etwas
in den Mund schiebt. Dabei muss sie sich leicht nach vorne beugen und ihr Leib
staucht sich überlappend zusammen.
Sie sehen gut
zufrieden aus.
Die Sonne knallt, die Haut trieft vor Fett, der
Sand klebt und scheuert und die Lippen sind spröde und salzig, das Licht ist
gleissend hell.
Ich liege im langen Kleid am Strand in der
Sonne.
Vor mir die beruhigende waagerechte Linie des
Horizonts, die sich zu den Augenwinkeln hin leicht konkav verliert und mir
dadurch immer wieder ein Gefühl des besseren Überblicks
vortäuscht, was mich total erdet und beruhigt. Dazu das monotone
Geräusch der Gischt und der Wellen und ich könnte Wochen so
verbringen.
Wie schön.
Ungefähr
10 Minuten.
Dann nehme ich wieder alles andere wahr.
Gesprächsfetzen in unterschiedlichen Sprachen, Kinderlachen, das
Plocken von Gummibällen auf Holzschlägern, das Zischen von Surfbrettern
auf dem Wasser, Musik von den drei jungen und gut aussehenden
Badeaufsichtsrettungsmenschen, die bestens gelaunt zusammenstehen, plaudern und
ganz cool und geschmeidig ihre Hüften leicht im Takt mitschwingen lassen.
Bis ein Typ im Wasser ca n guten Meter neben der roten Boje schwimmt. Das geht
natürlich nicht und einer der Drei bläst in eine
eistütenförmige Signaltröte. Der Typ schwimmt leicht genervt und
sichtlich ertappt sofort Richtung Strand und ahnt nichtmal wie haarscharf er dem
Tod von der Schippe gesprungen ist.
Dann Möwengeschnatter
und Flügelschlagen links von mir. Drei Mädels, ca 15, die vorhin noch
auf der Sandbank Selfies für Insta geschossen haben, füttern jetzt eine
Möwe mit ihren Brötchen und amüsieren sich darüber. Die
Möwe bleibt nicht lange alleine und es bricht ein Streit aus unter dem
Federvieh, das die dargebotene Leckerei nicht gern teilen will. Sie rücken
den Mädels dabei ziemlich dicht auf die Pelle und kommen auf die Idee, nicht
mehr so lange zu warten, bis das Menschlein ihnen erst was abreißt, sondern
holen sich das Brötchen einfach direkt aus der Tüte. Die Mädels
sind plötzlich nicht mehr amüsiert und nach beginnender Verzweiflung,
wirft die Brötcheninhaberin ihren Snack im hohen Bogen weit nach vorne,
womit die Möwen wieder auf sicheren Abstand zurückgedrängt
wurden.
Ein Typ, weiter hinten in der gleichen Richtung reibt
seine Strandgöttin, auf der er rittlings sitzt, den gebräunten und
stromlinienförmigen Rücken ein und berücksichtigt dabei die beiden
seitlichen Ausbeulungen auf Brusthöhe, die sich aufgrund der Bauchlage
bilden, etwas sorgfältiger als den Rest des erreichbaren Areals. Als er
fertig ist, dreht sie sich um und setzt sich auf. 2 Kinder sitzen mit auf dem
Boho-Strandtuch. Sie sieht aus, als würde sie professionell im spanischen
Fernsehen für Bio-Wassermelone werben oder so. Fantastische Figur, Haut wie
Ebenholz, ein Lächeln, das die weißen Zähne aufblitzen lässt
und sie tatsächlich noch schöner werden lässt, tätowiert,
Dreads im Unterhaar, Fußkettchen, eine Gestik und Körpersprache wie
eine Gazelle. Die am Strand liegt. Würden Gazellen das tun.
Wenn SIE sich vorbeugt, bleibt alles perfekt.
Menschen, die
vorne im knöcheltiefen Wasser am Strand entlang spazieren. Die
unterschiedlichsten.
Alle schwitzen sie. Alle stinken sie.
Alle sind sie dumm wie sie lang oder kurz oder dick oder dünn sind.
Und machen alle einen zufriedenen und entspannten Eindruck.
Und ich liege dazwischen.
Ich schwitze auch. Ich
stinke. Und bin so dumm wie ich durchschnittlich lang und durchschnittlich
unförmig bin.
Und sehe all das und rieche es und
höre es und fühle und schmecke es.
Und bin neidisch,
angeekelt, fasziniert, gestört, inspiriert und deprimiert, melancholisch und
schwermütig. Und überfordert.
Ich fühle, wie es
der Frau mit der Plauze egal ist, dass sie eine hat, weil es wichtigere Dinge im
Leben gibt und die Zeit dafür zu wertvoll ist, um sie mit Komplexen wegen
einer Plauze zu verschwenden.
Ich fühle die Naivität
der jungen Mädchen, die in ihrer Pubertätsblase keine Ahnung davon
haben, was Instagram eigentlich wirklich mit ihnen macht oder wie stumpf
Möwen sind.
Fühle den Typen, der sich ne Zigarette
anzündet, während seine Strandgöttin Richtung Wasser schreitet und
ihm dabei noch ein Lächeln über die perfekte Schulter zuwirft und der
sich denkt: Scheiße, kann das Leben geil sein. Scheiße, bin ich
verliebt.
Fühle die Strandgöttin, wie sie sich in
ihrem ursprünglichsten und auf Leib und Seele maßgeschneiderten
Lebensraum bewegt und lacht und alles um sich rum in vollen Zügen
genießt und die Sonne in jede Pore aufsaugt, um mit den aufgeladenen Akkus
irgendwie den kalten und Vitamin-D-armen Winter zu überstehen.
Fühle die Leichtigkeit der Badeaufsichtsbaywatchmenschen, die den
lässigsten Job des Sommers haben. Die Mädchen flirten mit den Boys und
andersrum und trotzdem haben sie alles im Blick. Sie tragen schließlich
Verantwortung. Was natürlich, zusammen mit den sonnengebleichten Haarspitzen
nur ein weiterer Coolnessfaktor ist.
Und dann fühl ich
mich. Wie ich schwitze, wie ich stinke, wie die Sonne auf meiner Haut brennt und
mich langsam aber sicher aggressiv werden lässt. Wie meine Augen vom
Zusammenkneifen weh tun, weil es trotz Sonnenbrille einfach viel zu hell ist. Wie
unbequem es ist, auf dieser Matte so zu sitzen oder zu liegen, dass einem nicht
entweder der Sand am ganzen Arsch klebt oder man irgendeine Beule im Rücken
hat.
Ich fühle, wie mir wieder langsam, aber sicher der
Kopf platzt von den ganzen Eindrücken, den ganzen Gerüchen,
Geräuschen, Gefühlen und Gedanken.
Einfach so am
Strand liegen.
Einfach so mal eben einkaufen gehen.
Einfach so mal eben beim Arzt anrufen.
Einfach mal aus dem
Haus gehen.
Einfach mal ein Konzert besuchen oder sich in ein
Restaurant setzen.
Einfach aufstehen.
Nie.
Ich liege im Wald auf dem Boden im Schatten.
Keine Menschenseele, außer meiner ist da.
Der
Wind rauscht durch die Blätter und die Baumkronen wiegen sich in seinem
Rhythmus, mit der gleichen Anmut, wie die der Strandgöttin, die Richtung
Wasser schreitet.
Es duftet nach Moos, nach Erde, nach Harz
und nach Holz und der Duft geht von meiner Nase in die Atemwege, tiefer in meinen
Körper hinab, bis ich ihn erst auf der Zunge schmecke und dann in meinem
Herzen fühlen kann.
Ich fühle, wie er sich
ausbreitet und alles in mir füllt. Ausfüllt. Erfüllt.
Anfüllt.
Alles sein, alles fühlen.
Einfach so.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.10.2023.
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