Bin schon etwa vier Mal im Leben in Bayreuth gewesen. Hat mir immer sehr gut gefallen. Es ging aber jeweils immer nur so fünf bis sechs Stunden lang.
Das markgräfliche Schloss sieht von außen ziemlich finster aus und enttäuscht innerlich dann mehr, als es gefällt. Da lohnt der Schlossgarten schon mehr, zu dem man wahrscheinlich sowieso kommt, weil das Wagner-Haus Wahnfried gleich zu seiner Seite liegt. Historismus ist das dann; ich war nie drin, bin kein Wagnerfreund. Auf einem Buckel hinterm Bahnhof irgendwo liegt Wagners Festspielhaus, in dem ich dann selbstverständlich auch nie war. Den heiligen Hügel schenkte ich mir. Selbst das Jean-Paul-Museum habe ich nicht besucht. Nach langer Zugfahrt hat man wenig Lust, sich längere Zeit in geschlossenen Zimmern und geschlossenen Visitor-Gruppen herumzudrücken.
Die Stadt hat eine hübsche Fußgängerzone, halb Platz, halb Straße. Aber es sieht schon auch sehr hinter den sieben Wölfen aus. Das Opernhaus, ermeistert von zwei Barockitalienern, ist superdolle. Gibt es in dieser Art in unserer Welt nicht noch einmal. Sie machen drinnen eine anständige Light- and Sound-Show. Man sitzt im Parkett und wird genarrt, es würde sich was tun und komme nicht von Band und Projektor. Es ist ganz allgemein viel Barock mit hellbraunem Sandstein in Bayreuth, was der Eingeborene, der kein Bayer ist, sondern Oberfranke, mit dem Akzent auf dem Bay ausspricht. Also nicht so, wie die Medien es uns seit Jahrhunderten vorsprechen. Übrigens haben sie „Farinelli“, diesen Kastratenfilm, dort gedreht. Also, die Szenen, die in einem Londoner Theater spielen. Habe den Film nie gesehen.
Mein Bayreuther Lieblingsort ist die Eremitage. Bin zwei Mal zu Fuß ungefähr eine Stunde lag dorthin gelaufen. Und später dann, wie man sich so entwickelt, zwei Mal mit dem Stadtbus hin und mit dem Stadtbus auch wieder zurück. Diese Eremitage ist das Lustschloss der brandenburgischen Markgrafen gewesen. Aber das Wort Lustschloss trifft es nicht ganz. Sie reden zwar von Altem und Neuem Schloss. Das Neue ist aber kein Schloss, sondern eher ein mit bunten Steinchen beklebter Teepavillon neben einem Bassin mit gelegentlich eintretenden Wasserspielen. Dauernd laufen kann man sie nicht lassen, weil auch sie auf einem grünen Hügel thronen und die kleinen Wasser des jungen Mains unten um ihn herum fließen möchten. Das Alte Schloss ist eher ein einstöckiges Gartenhaus, außen allerdings als Eremitenklause für den Urwald aufgemacht. Innen teils prächtig, auch chinesisch, teils kahl. Hier hinein geht's nur mit der Besichtigungsgruppe und für Geld, aber fand ich ganz unterhaltsam und nicht zu langwierig. Zum Schluss kommt des Schlossführers Glanzminute, wenn er einem weiteren Wasserspiele seinen Kerzenleuchter aufstecken kann. Ich rate sehr, das mitzumachen und sich nicht vom schlichten Äußeren des geduckten Gebäudes abschrecken zu lassen.
Warum ich unbedingt immer hinaus musste zu dieser, vor der Stadt gelegenen Eremitage, das war weder das Alte noch das Neue Schloss, sondern die Gesamtkonzeption der Gartenkunstanlage aus dem achtzehnten Jahrhundert. Alleen, Irrgärten, Grotten, Bildsteine, Wasserspiele, eine kleine Kaskade, das Naturtheater. Wer schon Nymphenburg, Schwetzingen, Kassel-Wilhelmshöhe, die Potsdamer Schlösser gesehen hat, sind aber bestimmt auch nicht die meisten, wird es so in etwa schon anderswo erlebt haben und nicht für die ganz große Nummer halten. Es ist eines dieser kleineren deutschen Fürstentümer gewesen. Und zwar ein preußisches und evangelisches in Süddeutschland. Die Schwester vom Alten Fritz, Wilhelmine, ist dorthin verheiratet worden und hat sich ums Herausputzen der Metropole gesorgt. Mich bezauberte es als Ensemble mit Charme und Maß.
Und wie um meine Zuneigung zu erwidern, ist der Ort immer fast leer gewesen, allerdings bei recht gutem Wetter, als ich dann mal wieder dort war. Einmal war das im September, als ich meinen Resturlaub von der Werbeagentur genommen hatte und der große Entschluss, dort zu kündigen, auch schon hinter mir lag. Die Schulferien waren anscheinend gerade vorbei. Einmal war es werktags, gleich nach einem Regenschauer des Frühsommers. Hinten, kurz vor Ende des Gartens, wo es ziemlich waldig wird, liegt die Restauration. Ich saß in deren Gartenwirtschaft, mich nicht sonderlich um die betropften Bänke und Tische scherend, und trank gemächlich mein Bier. Der Himmel war schon wieder ganz hell und die Sonne überstrahlte mich. In der Stadt drin war damals auch noch ein Straßenfest. Vielleicht auch deswegen gingen wenige Touristen durch diesen Garten und keiner setzte sich, sondern sie schauten nur sehr verwundert zu mir rüber, dem einzigen Gast. Das habe ich oft erlebt: Oft war es da am schönsten anzuhalten, die Zeit vergehen zu lassen, wo alle anderen weitergingen und einem so den Blick zuwarfen: Aber, was macht der denn da!
Westlich der Stadt, fünf Kilometer draußen, im ansonsten öden Ortsteil Donndorf, gibt es noch ein Schluss von dieser Markgräfin Wilhelmine, die Favorite. Das Schloss wurde im 19. Jahrhundert komplett umgebaut, ist als Bauwerk auch nicht bedeutend, aber der englische Garten, den sie ihm damals verpasst haben, ist apart. Inzwischen dient die Favorite als Gartenkunstmuseum. Kein oder nur wenige Sterne im Baedeker. Ich zähle mich zu den Naturanhängern im Sinne Jean Pauls, der dort auch überall herumgewandert war und fränkisches Bier genossen hat. Bei der Fahrt mit dem Stadtbus zur Eremitage biegt man gleich bei seinem alltäglichen Wallfahrtsziel, der Rollwenzelei, ein; die macht aber vom Bus aus nichts mehr her. Erst von Menschenhand mit Kunstverstand umgestaltet und veredelt kann die Natur unseren rationalen Ansprüchen und der Ästhetik genügen. Dort unterm Damaste wollt ich stracken in linder Luft und nackte Bronzeknaben sollten meiner warten.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.05.2024.
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