Sie waren unterwegs nach Augsburg, K.H. und seine beiden Schwestern. Alle drei befanden sich nun im Rentenalter und so ergab es sich, dass sie sich hin und wieder für einen Ausflug trafen. Dieses Mal hatten sie sich vorgenommen - weil es doch schon Weihnachtszeit war - die Stadt Augsburg zu besuchen. Den Christkindles - Markt wollten die beiden Damen besuchen und als sie erwähnt hatten, sich auch die Fuggerei ansehen zu wollen hatte K.H. ebenfalls Interesse bekundet.
Sie gehörten zu den ersten, die den Zug bestiegen und besetzten sogleich ein offenes Abteil mit 4 gegenübersitzenden Plätzen. Sie dachten schon, der Zug würde ziemlich leer bleiben, aber kurz vor der Abfahrt erschienen zwei Männer, die sich auf die andere Seite des Abteiles setzten. Sie wurden begleitet von einer Frau mit zwei Kindern.Vermutlich die Ehefrau von einem der Männer. Sie machten es sich hinter den Geschwistern im nächsten Abteil bequem.
Die Herkunft der neu hinzugestiegenen Fahrgäste konnte man unschwer als nordafrikanisch bezeichnen. Die Männer machten einen gepflegten Eindruck, sie unterhielten sich leise und intensiv. Die Kinder aber quengelten ein wenig und wurden kurzzeitig etwas lauter, wie Kinder eben so sind. Sie wurden von der Mutter immer wieder leise ermahnt, aber trotzdem wollte der Streit der Kinder nicht gleich enden.
K.H.s jüngere Schwester die ihm gegenüber saß, blickte immer wieder verstohlen zu den beiden Nordafrikanern rüber und begann schließlich ihre Augen möglichst unauffällig immer wieder ruckartig nach links wandern zu lassen, ohne den Kopf zu bewegen und setzte eine genervte Miene auf.
„Ganz schön laut hier“ sagte sie, „wollen wir uns nicht woanders hinsetzen?“
Als ob sie auf diese Frage gewartet hätte, antwortete K.H.s neben ihm sitzende, ältere Schwester sofort: „ ja, das wäre mir auch recht.“
In diesem Moment hatte er noch gar nicht begriffen, warum sie sich umsetzen wollten. „Diese Kinder!“ flüsterte die Jüngere vorwurfsvoll, als wäre die Lautstärke der Jugendlichen der Grund, den Sitzplatz zu wechseln. Sie standen auf, nahmen ihr Gepäck und bewegten sich Richtung Zugende.
Noch nicht begreifend, folgte er den beiden Frauen auf der Suche nach einem ruhigen Sitzplatz. Doch in der Zwischenzeit hatte sich der Zug gut gefüllt und es war nicht mehr möglich drei zusammenhängende Plätze zu finden. Am Ende des Zuges angelangt drehten sie also um, kamen an ihren angestammten Plätzen vorbei und versuchten nun ihr Glück in der entgegengesetzten Richtung zu finden. Als sie ihre ehemaligen Sitznachbarn passierten, begann K.H. allmählich zu verstehen und verspürte bereits einen Anflug von Fremdscham.
Sie suchten also noch einige Meter in die andere Richtung, stellten aber bald fest, dass auch hier fast alle Sitzplätze belegt waren. Also gingen sie wieder zurück.
An ihrem anfänglichen Sitzplätzen angelangt, sahen sie verwundert, dass diese nun belegt waren. Nur jene seitlich an der Zugwand befestigten Sitze waren noch frei. Doch diese befanden sich in unmittelbarer Nähe zu der Kopftuch tragenden Mutter mit ihren „ungezogenen“ Kindern. Etwas zerknirscht stellten die deutschen Frauen fest, dass ihnen nun nichts anderes mehr übrig bliebe, als sich hier zu platzieren, wenn sie während der Zugfahrt nicht stehen wollten.
Sie saßen also von nun an auf diesen „Notsitzen“ und führten ihre Reise fort, als wäre nichts geschehen. Jene vorher nörgelnden Kinder lernten nun für die Schule, die Mutter saß stoisch blickend zwischen ihnen und einmal kam einer der beiden Männer herüber um kurz mit den dreien zu plaudern.
K.H. fiel auf, dass diese Menschen viel mehr Kultur und Niveau besaßen als seine sich so überlegen fühlenden deutschen Schwestern, und ab diesem Moment bereute er es, einen Ausflug mit ihnen angetreten zu haben. Er hatte ja gewusst, dass sich beide politisch auf der „anderen Seite“ befanden, aber dass es so schlimm um sie stand, dass hatte ihn doch negativ überrascht.
Um den Tag zu retten versuchte er sich zu beherrschen und dieses Verhalten zu ignorieren. Und schließlich war es dann auch doch noch ein erträglicher Ausflug geworden.
Aber von nun an wollte er mit diesen Frauen nichts mehr unternehmen. Sicherlich traf man sich hie und da noch zu gewissen Familienfesten, da er diese Zusammenkünfte nicht zerstören wollte. Doch seit diesem Ereignis war er verschlossen und wortkarg zu seinen Schwestern. Er konnte nicht mit ihnen über dieses Thema reden, denn er wusste, sie würden ihn nicht verstehen. Er erkannte, dass es für diesen Menschenschlag selbstverständlich ist, sich nicht neben farbigen Menschen zu setzen,…..das war schon immer so, wird auch immer so sein und überhaupt…..
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.05.2024.
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