Ich erinnere mich in diesen Minuten an meine letzte Geburtstagsfeier. Sie lief bei mir zu Hause wieder nach alter Gepflogenheit ab. Von den erschienenen Gästen die üblichen Glückwünsche und Sprüche an meine Person. Liebevoll, herzlich, manchmal auch ein wenig ironisch. „Nein, das kann nicht sein, dass du….., du siehst 10 Jahre jünger aus.“ Na ja, denke ich in diesem Moment und bedanke mich für die gut gemeinten Glückwünsche und epischen Worte. Offen gesagt hielt ich diese überschwängliche Bekundung für eine charmante, aber liebenswerte Übertreibung. Aber was soll ich sagen: Es gefiel mir. Es ist zwar idiotisch, aber ja, es gefiel mir. Denn Gott sei Dank gilt für mich noch nicht der Spruch von Deutschlands Komiker Hape Kerkelings ins Leben gerufenen Kultfigur Horst Schlämmer: „Isch hab Rücken, isch hab Hals, isch hab Herz – weiße Bescheid“.
Ja, es war eine schöne Feier. Gemütlich, entspannt und ausgelassen haben meine Frau und ich mit den Gästen zusammengesessen. Wie immer wurde anlässlich eines solchen Treffens neben Essen und Trinken diskutiert und irgendwann auch philosophiert. Es wurde viel gelacht, aber auch gemeckert, geschimpft, über Gott und die Welt geredet. Wir haben dabei immer wieder die gleichen Fragen aufgeworfen, Sorgen durchgekaut und sind darüber ins Grübeln gekommen. Es flogen dabei Gedanken durch den Raum, die im Alltag sonst selten Platz finden. Sollte oder kann man heutzutage in einer von großen Krisen und Katastrophen durchgeschüttelten Welt eigentlich guten Gewissens noch gelöst und frei feiern, auch wenn es nur im kleinen Kreis ist, wenn doch diese Krisen und Katastrophen sich wie ein lästiges, kaum zu bändigendes Ungeziefer ausbreiten und einem die Luft zum Atmen nehmen.
Das war irgendwann auch ein Thema in unserer sonst doch so vergnügten Runde. Da waren zum einen die Begeisterung und die Dankbarkeit, dass alle meiner Einladung gefolgt waren, zum anderen dort die düstere Nachrichtenlage der Welt, die einen erschreckte. Das muss nicht immer nur die schlechte weltweite Katastrophe, die globale schlechte Nachrichtenlage sein. Auch im persönlichen privaten Umfeld gibt es mitunter Anlässe, beklemmend auf das Alter und in die Zukunft zu blicken. Immer dann, wenn jemand eine unheildrohende Diagnose beim Arzt bekommt oder wieder eine Person, die mir nahe stand, den letzten Tanz getanzt und die „Bühne“ verlassen hat. Eine große Anzahl meiner Gäste ist in einem Alter, wo die noch vorhandene Vitalität von heute auf morgen schnell ins Gegenteil umschlagen kann.
Spät in der Nacht verabschiedete sich der letzte Gast. Das Fest war aus. Mit meiner Frau war ich jetzt alleine mit all den Blumen, den Geschenken, dem bunten Papier und den leer getrunkenen Gläsern.
Regungslos stand ich am Fenster und schaute hinaus in den anbrechenden Tag. Die ersten Vögel waren zu hören. Die Sterne wurden blass. Meine Frau zupfte mich am Arm, ergriff meine Hand und fragte mit sanfter Stimme: „Was ist los mit dir! Du hast doch was!“
Ich lächelte etwas gequält, zog sie an mich und erwiderte mit belegter Stimme:
„Mir fällt gerade ein, dass ich im letzten Jahrtausend das Licht der Welt erblickt habe. Viele Jahre sind seitdem verstrichen. Was ist seitdem nicht alles geschehen. Manchmal erinnere ich mich, höre mein Kinderlachen. Und ist dieses noch nicht ganz verhallt und ich in den Spiegel schaue, flüstert mir die Person die ich dort sehe zu: „Mensch bist du alt“. Und wenn ich heute alte Bekannte aus meiner Schulzeit treffe, denke ich, die waren doch wie ich gerade noch Kinder. Aber ich sehe manch hohe Stirn und in die Haare mischt sich grau. Andere haben sich für immer verabschiedet. Einige davon viel zu früh. Mit denen gibt es kein Wiedersehen. Sie wachsen nicht nach. Früher oder später ist eben jeder dran.
Ich denke an meine Träume. Welche habe ich tatsächlich verwirklicht, hab ich alle gelebt? Ich hätte nie damit gerechnet, wie schnell die Zeit vergeht. Ich habe so viel gewollt. Die Jahre rauschten vorbei. Das Leben ist zu kurz, zu kurz, um irgendwann zu sagen. In einem Lied von dem österreichischen Sänger Udo Jürgens heißt es: Heute beginnt der Rest deines Lebens. Jetzt oder nie und nicht irgendwann! Geh' durch die Nacht dem Morgen entgegen. Als ob du neu erwachst“.
Lebe jeden Tag, als würde es dein letzter sein. Fang gleich damit an und häng dich richtig rein. Wie oft habe ich auch das schon gehört.
Alle gut gemeinten Ratschläge gegen das Altern hängend weitestgehend von der Situation ab. Ich will dem Unabänderlichen, dem Altern, mit Anstand und Würde trotzen.
Eng anliegendes, weit ausgeschnittenes Camp-David-Träger-Shirt, schweres Goldkettchen mit Kreuz auf gefärbtem Brusthaar, künstlich zerschlissene Jeans, Baseball-Cap mit Schirm nach hinten auf dem Kopf, für mich ein No Go. Dass wären unwirksame Versuche jünger zu erscheinen.
Zu welcher Altersklasse gehöre ich eigentlich? Bin ich überhaupt schon alt. Wie alt bin ich denn? Eines ist klar: Ich gehöre - noch - nicht zu der Kategorie der resignierenden Alten, die man beim Schwäne füttern im Seepark antrifft. Die sich auf Parkbänken oder am Stammtisch über das Unabänderliche beklagen, die von einer jüngeren Person an die Hand genommen werden muss, um über eine viel befahrene Straßen zu gelangen. Klar, früher oder später ist es so weit. Dann muss man Servus sagen. So ist das nun mal.
Ach so, wie alt ich bin? Die Antwort ist nicht ganz einfach. Es gibt Tage, an denen bin ich so alt wie ich tatsächlich bin, an anderen Tagen verhalte ich mich schon mal so, als wäre ich 6, 18, 35, 50, …..Jahre alt. Ich bin so alt, ich trinke meinen Kaffee morgens tatsächlich noch zu Hause und aus einer richtigen Tasse und nicht to go. Alter ist bis jetzt bei mir ein Gemütszustand. Das soll auch möglichst noch lange so bleiben. Ich habe noch Wünsche, Träume und Intentionen. Wenn ich irgendwann dann tatsächlich - sehr - alt bin, will ich nicht jung aussehen, sondern glücklich.
Meine vorstehend geäußerten Gedanken sollen kein Lamento sein, nur eine subjektive Schilderung des derzeitigen leiblichen Zustandes meiner Person. Ich weiß, dass solche emotionalen Schwankungen normal sind und einfach zum Leben gehören. Also: keine Panik auf der Titanic.
Am Ende dieses Textes erlauben Sie mir noch eine Liedzeile aus einem Song des Sängers Udo Jürgens, indem es heißt: „Und wieder bringt ein Tag für uns ein Licht. Ja, immer, immer wieder geht die Sonne auf. Denn Dunkelheit für immer gibt es nicht.“
Das ist tröstlich und auch gut so.
Sollten Sie, verehrte Leserinnen und Leser, in den nächsten Tagen oder gerade ihren Geburtstag feiern, drücke ich Ihnen an dieser Stelle die Daumen für eine gelöste Feier und das die 365 Tage des neuen Lebensjahres mit vielen positiven, wunderbaren Überraschungen und unvergesslich schönen Momenten gepflastert sind.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.08.2024.
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