Tanja Schwabe

Der Diskothekenbesuch

Mittlerweile hatte ich meine kaufmännische Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation abgeschlossen und wohnte schon einige Zeit in meiner ersten eigenen Wohnung. Zu meiner neuesten Errungenschaft zählten mein Führerschein und ein froschgrüner Käfer 1200er.

Ich war stolz, wie Oskar. Ein tolles Auto. Aufgrund seiner Farbe, wurde er von mir „Frosch“ getauft. Er war recht spärlich ausgestattet. Er war eben ein 1200er, ein Sparkäfer. Er besaß keine Tankanzeige und auch kein Radio. Also musste ich mir nach jedem
Tanken die Kilometer aufschreiben, um ja rechtzeitig wieder nach zu tanken. Auf dem Beifahrersitz stand mein alter Kassettenrekorder, den ich mit Batterien betrieb.

Es war Freitag Abend. Meine alte Schulfreundin, Antje rief mich an:“Was machen wir morgen?“ „Hmm, keine Ahnung. Ins Lights?“, fragte ich. Das Lights war eine alte Disko in unserer Stadt. „Och nö, Das wird auf Dauer langweilig.“, maulte Antje. „Hm, wir könnten auch ins Eberts.“ „Nee, da sind doch nur die Älteren.“ „Ich hab`s! In Itzehoe soll noch eine sein. Da waren wir noch
nicht.“ „Ja, das klingt gut. Dann lass uns da morgen hin-“ Antje war begeistert. Wir verabredeten, dass ich sie am morgigen Abend
mit Frosch abhole.

Am nächsten Abend stand ich Punkt 20.00 Uhr bei Antje vor der Tür und holte sie ab. Wir waren total aufgeregt. Beide waren wir zuvor noch nie in Itzehoe gewesen.

„Wei0t du, wo lang?!, fragte Antje mich. „Nicht genau. Wir müssen auf jeden Fall irgendwie zur Autobahn und dann muss Itzehoe ja
ausgeschildert sein. Das kann ja nicht so schwer sein.“, antwortete ich selbstsicher und fuhr los.
Nach einer Weile stellte Antje fest:“Tanja, wir sind immer noch in Elmshorn.“ „Sieht so aus. Das muss doch hier irgendwo zur Autobahn gehen. Versteh ich nicht.“

Mit zusammen gekniffenen Augen fuhr ich weiter. Es war ja auch schon dunkel draussen. „ Huch, schau mal, da ist Dölling“, bemerkte
Antje. Die Firma, in der sie angestellt war. „Fahr mal geradeaus weiter. Unser Lieferant fährt auch immer hier lang, wenn er nach Itzehoe muss.“ Also fuhr ich weiter. An der nächsten Kreuzung sahen wir endlich ein Schild mit der gesuchten Stadt drauf. Ich musste links abbiegen. „Na endlich“, sagte ich. „Na, aber nach Autobahn sieht das nicht aus.“ , stellte meine Freundin fest.
„Kommt noch“, erwiderte ich zuversichtlich. Wir durchfuhren einen Ort Namens Horst. Dämlicher Name für einen Ort. Es folgten weitere Ortsschilder, die uns nichts sagten. „Da!“, rief ich. „Autobahn. Wir müssen rechts abbiegen.“
„Na Gott sei Dank. Weißt du denn eigentlich, wo die Disko dort sein soll?“, fragte Antje. „Ähm, also Claudia hat gesagt, wenn man Itzehoe rein fährt, kommt links eine ARAL-Tankstelle. Dann müssen wir nur geradeaus und dann soll auf der linken Seite FAMILA kommen und da ist dann die Disko.“ „Na dann sollten wir die wohl finden.“

Voller Vorfreude brauste ich auf die Autobahn. Mit 100kmh sauste mein Frosch darüber. Na ja gut, teils überholten uns LKW`s und auch viele andere Autos. Aber das war egal. Wir fuhr und fuhren. „Man, das wird ja zu eine Weltreise.“, maulte Antje. „Mach mal den Kassettenrekorder an. Da ist eine Kassette mit Musik drinnen.“ , versucht ich sie auf zu heitern. Schon knarzte der Rekorder los. Nach einer halben Ewigkeit erschien die Ausfahrt Itzehoe Süd. „Ach herrjee“, dachte ich,. „Hier jetzt raus?“, fragte Antje. „Nee, ich glaube nicht, ich fahr noch mal weiter.“ 

Später kam die Ausfahrt Itzehoe Mittte. Auch an ihr fuhr ich vorbei. Plötzlich kam eine riesige Brücke. Ich trat das Gaspedal kräftig durch, da mein Käfer Schwierigkeiten hatte den Berg an zu fahren. „Irgendwie stinkt das Auto ganz schön. Wird immer schlimmer.“ , ließ Antje verlauten. Sie hatte recht, war mir auch schon aufgefallen. Ich wusste nur nicht warum. „Ach, es ist halt ein altes Auto.“, meinte ich. Zu allem Überfluss, fing es auch noch an zu regnen. Nun konnte ich noch quietschten hin und her.

„Siehst du was?“, rief Antje. Es war mittlerweile durch Regen und Musik dermaßen laut im Auto. „Was?!“ „Ob du was siehst?“ „Ja, ja, geht schon.“ Es ging bergab, Wesentlich schneller, als die Brücke hoch, kamen wir runter. Der Gestank wurde immer Schlimmer. „Kannst du mal nach hinten schauen, ob es irgendwie qualmt?“, bat ich. „Was?!“ „Guck mal ob es hinten qualmt“, schrie ich zurück. Vor Schreck drehte Antje sich um und starrte auf die Rückbank- „Nee, qualmt nix.“ „Nicht hier drinnen, draussen.“ Hä?!“
„Kommen schwarze, dicke Rauchwolken aus dem Auspuff.“ , brüllte ich sie an. Langsam riß mir der Geduldsfaden. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Antje mich an. Schließlich löste sie ihren Gurt und krabbelte auf die Rückbank, um aus der Heckscheibe zu schauen. „Kann ich nicht so genau erkennen, aber sieht nicht so aus. Es stinkt aber ganz schön nach Gummi.“ „Was hast du gesagt?“ „Kein Qualm! Stinkt nach Gummi!“, schrie sie von hinten. Hm, was konnte das denn sein. Der Keilriem? Den hatte ich aber doch erst ausgetauscht. Merkwürdig.

Antje war wieder auf dem Beifahrersitz angelangt und schnallte sich an. Wir fuhren weiter auf der Autobahn, als die Ausfahrt Itzehoe Nord ausgeschildert war. „Hier fahre ich jetzt mal raus“, schrie ich. Antje nickte stumm. Ich schaute kurz auf meinen Kilometerstand. Ich glaubte bald tanken zu müssen. „Ich kann kein FAMILA entdecken“, brüllte Antje. „Nee, ich auch nicht. Aber wir müssten bei
der nächsten Tankstelle halten und tanken.“ „Ja okay.“ Ich fuhr weiter geradeaus, als wenig später eine Tankstelle auftauchte. Es war aber keine ARAL. „Okay, finden wir schon“, dachte ich. „Du kannst doch in der Tankstelle mal nach der Disko fragen.“ , brüllte Antje. Gute Idee. Ich nickte und hielt den Daumen hoch. Ich war schon ganz heiser vom schreien. Hoffentlich hörte es mal auf, zu regnen.
Ich fuhr auf die Tankstelle und tankte voll.

Den Tankwirt fragte ich anschließend nach dem Weg. Er kannte die Diskothek nicht, aber FAMILA. Weiterhin fragte ich ihn, ob er vielleicht wüsste, warum es so nach Gummi stank. Er grinste mich an.“Ich habe da so eine Ahnung junges Fräulein. Ich komme mal mit raus.“ Er bat mich, die Fahrertür zu öffnen und spähte hinein. Antje erschreckte sich fürchterlich. Damit hatte sie nicht gerechnet. Der Tankwart fing an zu lachen. „Mensch Deern, du musst beim Fahren auch die Handbremse lösen.“ Tatsächlich die Handbremse
stand kerzengerade nach oben. Gott, wie peinlich. Knallrot lief ich an. Schnell bedankte ich mich bei ihm und schwang mich auf den Fahrersitz und brausten davon. Zum Abschied drückte ich noch mal kurz auf die Hupe und Frosch gab ein jämmerliches Geräusch von sich. Es klang, als wenn gerade ein Eichhörnchen in den letzten Atemzügen lag.

„Weißt du jetzt den Weg?“, fragte Antje. „Ja, wir müssen einmal durch die Stadt und dann kommt rechts FAMILA. Ersteinmal geradeaus, an der Kreuzung links und dann immer weiter geradeaus.“ „Na dann mal los“. So fuhren wir den beschriebenen Weg und fanden tatsächlich den FAMILA-Supermarkt. Ich steuerte auf den großen Parkplatz zu. „Hm siehst du irgendwas, was nach Diskothek aussieht.“. „Ja, da hinten. Fahr da mal hin.“, sagte Antje und deutete mit ihrem Finger in die gemeinte Richtung. Endlich hatten wir sie gefunden. Es hatte auch ein Glück aufgehört zu regnen. Freudig stiegen wir aus dem Auto und gingen schnurstracks auf den
Eingang zu. Es wurden 10 DM Eintritt verlangt. „Ganz schön teuer.“, raunte Antje mir zu. Ich nickte und stimmte ihr zu. Wir traten ein.

Es war verdammt dunkel dort drinnen. „Man sieht ja kaum was“, rief ich über den Lärm hinweg. „Ja und so laut..“ „Die Musik ist auch nicht so doll. Ich mag kein Techno.“ „Ich auch nicht. Aber vielleicht spielen sie ja auch noch etwas anderes.“

Meine Freundin gab die Hoffnung nie auf. Wir setzten uns erst einmal an einen freien Tisch und bestellten zwei Cola. „Komische Gestalten da auf der Tanzfläche“, rief ich. „Die bewegen sich auch total komisch.“, kam die Antwort. Wir warteten noch anderthalb Stunden ab. Die Musik wurde einfach nicht besser. Somit beschlossen wir, zu gehen. Mit gesenkten Köpfen, enttäuscht von dem Abend, überquerten wir den Parkplatz und stiegen in Frosch ein. „Das war ja ein Reinfall. Dafür sind wir jetzt fast zwei Stunden hier her gefahren“, jammerte ich. „Zumindest wissen wir jetzt, dass wir hier nicht noch mal herfahren brauchen“, erwiderte Antje.

Wo sie recht hatte, hat sie recht. „Und nun?“ , fragte ich. „Ich habe da hinten ein Mc Donald`s Schild gesehen. Vielleicht haben die ja noch auf.“ Wir schauten bei auf die Uhr. 23.30 Uhr war es inzwischen. „Probieren wir es.“ Ich startete den Motor und fuhr los. Antje lotste mich. Na, wenigstens etwas. Der Laden hatte noch auf. Wir schlugen uns die Bäuche mit Pommes und Cheeseburger voll. Anschließend traten wir den Rückweg an.

Wir fuhren in Richtung Elmshorn, welche uns ein Hinweisschild anzeigte. Mal wieder ging es eine ganze Weile nur geradeaus. „Halt dich jetzt bloß an die Schilder“, mahnte Antje. „Nicht noch mal so eine Irrfahrt.“ „Jawohl. Aber ist dir schon etwas aufgefallen?“ „Nö`“ „Es stinkt nicht mehr.“ Wir lachten und fuhren trotz des Reinfalls fröhlich nach Hause.

Bei Antje an der Haustür angekommen: „ Also nach Hamburg fahre ich aber nicht mit dir. Da finden wir ja nie wieder raus.“ lachte sie und stieg aus dem Wagen. „Irgendwann mal. In ein paar Jahren.“, rief ich ihr nach.

Zu Hause angekommen, war ich doch ziemlich kaputt von der Irrfahrt. Kurze Zeit später murmelte ich mich unter meiner dicken Decke ein.
„Komisch, die Rückfahrt hatte nur ungefähr 30 Minuten gedauert. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
                                                                                           -ENDE-
 

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