Es war einmal ein kleiner Junge
Der war ein bisschen blöd. An das Letzte in seinem Gehirn, an das er sich erinnern kann, ist dieses Bergabfahren mit dem Dreiradler so im Dreiradler-Alter herum. Also war er damals wohl so drei oder auch schon vier Jahre alt.
Der Herbert war später dann unser Düsenthak. Soo andere Geschichten aus den Disney-Anleitungen heraus. Er hatte ungefähr zu meinem Geburtstag auch den seinen. Also haben wir zwei zur selben Zeit so einen Dreiradler geschenkt bekommen. Wir waren so zwei Kinder von den zwei LAWOG-Bauten der Neuen Heimat von Neubau bei Hörsching. So um 1960, 1961 herum.
Um uns herum gab es bloß noch die Siebenbürger-Siedlung, den Niederreiter, weiter hinten den Schwarz, und vorne am Eck den Steininger, den Tapezierermeister. Links weiter hinten den Fälltmirgeradenichtein, und irgendwo dazwischen den Lehner. Nun ja, schon, mein kleiner Bruder hatte wohl einmal so ein Gspusi mit der Tochter dort. Doch Das muss heute ja Niemand mehr wissen. Er ist verheiratet.
Dort, also vor dem Lehner, da haben wir auf einem damals soo kleinen freien Feld immer Fußball gespielt. (Der Besitzer hat sich das Mähen gespart. Das haben wir Jungs gemacht. Auf kleine Tore. Zwei Schuhe reichten, wenn wir bloßfüßig gespielt haben, zwei Steine, wenn nicht. Zum Beispiel im Winter. Ab sieben gegen sieben wurde es ein wenig eng. Dort befindet sich heute ein Reihenhaus. Wo die Kinder heute noch spielen können, das weiß ich nicht? Nun ja, sie haben ja heute so ein irre geiles Handy.)
Und oben auf dem Dach der Garage lag dann irgendwann in einem heißen Sommer soo Rotes Haar, der Körper roch nach Hollywood, so um die Zeit, als ich schon so um die vier- oder fünfzehn war. Eine irre schöne Geschichte, die heute schon gestorben ist. Es war ein kleiner Krebs. Später dann der geilste Hase von unserem Hollywood, also von ganz Hörsching.
Herbert und ich waren das erste Mal alleine mit dem Dreiradler unterwegs. Bei der Frau Gumpelmeier, bei der wir Alle aus der Umgebung immer unser Gemüse gekauft haben, da ging so ein kleiner Berg hinunter auf den Fahrradweg von Neubau bis Linz und auch nach Wels. Natürlich haben wir zwei nachgesehen, dass Nichts kommt, von Links und von Rechts. Wir waren ja keine Volltrottel.
Herbert fährt zuerst, und ich Trottel gleich hinterher. (Unsere erste längere Ausfahrt mit dem Dreirad. Also in soo ein fremdes und uns zumindest mit dem Dreirad noch so unbekanntes Gelände.)
Den Herbert hat es vor mir das Bergerl hinunter überschlagen. Man stelle es sich vor: Er lag verkehrt herum. Mit gespreizten Beinen. Ich konnte nicht mehr ausweichen, und bin ihm so ungewollt über seine Gogerl gefahren. Beziehungsweise ganz knapp daneben.
Das war gar nicht gut. Man stelle es sich vor:
Ich habe ihn dann auf seinen Vieren nach Hause geschleppt. Die zwei Dreiradler habe ich zurück gelassen und später dann geholt. (Das war damals auch noch kein Problem. So Diebereien kannten wir damals noch nicht.) So gut dreihundert Meter. Für uns beide eine Ewigkeit.
Dann habe ich bei seiner Mama angeläutet.
Die hat die Türe aufgemacht, auf einmal voll blöd geschaut, das viele Blut gesehen, und uns Zwei gefragt: "Wer hat das gemacht?"
Herbert hat auf mich gezeigt. Da hat sie mir
eine geknallt. Hat echt weh getan, soweit ich mich daran noch erinnern kann.
Ja, so war die Mama vom Herbert. Sicher eine der bösesten Krankenschwestern an der damals soo bösen Russischen Front. Ein echtes Weib. Sie hat noch immer im AKH von Linz gearbeitet. Und dann hat sie ihm da Unten Alles verbunden. Und oben auch. Mit Mullbinden und viel Hansaplast. Ich bin ihm ja mit dem Dreiradler mit dem Vorderrad da Unten gerade noch soo daneben darüber gefahren, er hatte ja nur soo eine kurze Addidas-Sommerhose an, und mit den zwei Hinterrädern über die deshalb so nackten Oberschenkel. Und mit dem Vorder- und dem linken Hinterrad dann weiter über die Brust, bevor ich abgehoben und dann auf dem Radweg unten aufgeschlagen habe. Ich bin selber nicht gestürzt. Ich bin über den Radweg darüber und dann die Böschung zur Bundesstraße ein wenig hinauf gefahren. Dann zurück gerutscht und habe dann unten auf dem Radweg wohl ein wenig hinig im Hirn angehalten.
Heute muss ich lachen, wenn ich daran denke. Bitte, das war ein echt geiler Stunt aus heutiger Sicht mit einem Dreiradler. Entschuldigung.
Sie ist ins Bad gegangen. Herbert hat sofort gewusst, was sie holen würde. „Hey, Mama! Net des Jod, des tuat soo weh.“
Seine Mama: „Wüßt, dass de dreckigen Radlspuren eitrig werden?“
„Naa!“ „Nau guat, daunn hoit jetzt stüll!“
Und zu mir: „Und Du, Du hoit'n fest. Und erzähl ihm eine Geschichte. So blöd sie auch ist. So haben wir es damals zum Ende des Kriegs gemacht, als uns die Schmerz-Medikamente ausgegangen sind.“
Ich habe ihn festgehalten, meinen Freund, und habe ihm die Geschichte von Rapunzel erzählt.
Wir zwei waren damals drei, vier Jahre alt, im Dreiradler-Alter.
Also, bitte, als LeserIn von Heute nicht gleich schlecht denken. Und das war damals gerade meine von meiner Oma liebste Märchen-Geschichte. Die kannte ich auswendig.
Wenn Herbert heute baden geht, dann glauben die Leute alle, er käme aus einem Krieg. Und wenn er nicht verheiratet wäre, dann wären sie ameisenweise hinter ihm her.
Copyright by Lothar Krist (07.09.2024 von 20.35 bis 23.20 Uhr)
Ich weiß, eine sooooo dämliche Kindergeschichte. Doch wahr ist sie doch.
Und, .... Ich habe die Passage mit der Mama zu Cosmic Debris von Frank Zappa von Apostrophe geschrieben. Man beachte zu Beginn seine drohende Stimme. Ggggggrrrrrrrhhhhhh! Dieser Sound ist mir irgendwie in den Text hinein gerutscht. Also für mich ist diese Geschichte irgendwie Cosmic Debris auf Deutsch. Hihi. Zumindest teilweise. Ohne den textlichen Inhalt natürlich. Ich habe nicht aufgepasst, darauf, was er gerade gesungen hat. Ich habe gerade eine Geschichte geschrieben. Bei mir heißt sie Mama. Die Mama vom Herbert. Oder? Der Dreirad-Unfall. Zweite Version. Immer wieder muss ich an diesen Blödsinn denken. Und dabei habe ich immer so ein schlechtes Gewissen.
Wieso bin ich Trottel dem Herbert sofort hinterher gefahren? Auf dem Berg? Nun ja, wir haben das Fahren ja vorher ein paar Tage lang geübt. Bei uns in der Siedlung. Immer auf einer ebenen Geraden. Wenn einer von uns angefahren ist, dann ist der andere dann hinterher. Gleich. Kein Problem. Doch wenn man mit so einem Dreiradler einen Berg hinunter fährt, bitte, das sollte man beim ersten Mal lieber alleine tun, ohne so einen Trottel hinterher, wie mich. Dem Herbert hat es bei diesem so neuen Tempo seinen Lenker auf einer kleinen Schupfen quer gestellt. Und dann bin ich Trottel so drei Meter hinterher zwischen seinen weit gespreizten Beinen angekommen.
Für den Fall, dass Ihr noch einmal in Eurem Leben so einen Dreiradler fahren müsst, ohne so einen modernen Vollgummireifen,
dann denkt, bitte, daran.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Lothar Krist).
Der Beitrag wurde von Lothar Krist auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.09.2024.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Lothar Krist als Lieblingsautor markieren
222 Gedichte: Liebe & Lyrik & Humor & Aphorismen
von Horst Rehmann
222 Gedichte; eindeutig - zweideutig, mehrdeutige, nachdenkliche und gekonnt gereimte Poesie, die geschmackvoll mit vielerlei Liebesversen durchwirkt ist. Ein außergewöhnliches Buch mit Satire und guter Unterhaltung, das zu den verschiedensten Anlässen und Begebenheiten serviert werden kann. Schmunzelnde Buchstaben der Wortspielereien, welche liebevoll mit Aphorismen angereichert sind. Ein gehöriger Spritzer Humor mischt sich ebenfalls unter. Liebliche Wortküsse und passend zu den Jahreszeiten sortierte Reim-Kompositionen, die jeden Lachmuskel zum Training einladen.
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: