Istvan Hidy

Bilder, die unter die Haut gehen

Ein Streifzug durch die Geschichte der Tätowierung

Tätowierungen sind keine moderne Erfindung, bei Weitem nicht. Schon lange bevor der Mensch herausfand, dass Feuer auch ohne Blitz funktioniert, kam jemand auf die Idee: „Hey, warum nicht dieses Meisterwerk für immer auf meiner Haut verewigen?“ Ob Ötzi einfach nur ein Fan von Linienkunst war oder das erste Akupunktur-Starterpaket getestet hat, bleibt Spekulation. Aber eines wissen wir dank ihm ganz sicher: Selbst Steinzeitmenschen konnten dem Reiz der Körperkunst nicht widerstehen – und das ganz ohne Instagram-Likes.

Seither haben Tattoos die Menschheitsgeschichte immer wieder begleitet. Ob kunstvoll verzierte Mumien im alten Ägypten oder Seefahrer, die sich ihre Abenteuer unter die Haut stechen ließen – Tätowierungen waren stets mehr als nur Körperschmuck. Für manche waren sie Ausdruck von Zusammengehörigkeit und Identität, ob bei Seeleuten, Fremdenlegionären, den Yakuza, Prostituierten, Zuhältern oder Mitgliedern der Hells Angels – (Rand-)Gruppen nutzen bis heute Tätowierungen als Zeichen ihrer Zugehörigkeit. Für andere schlicht eine bleibende Erinnerung an eine durchzechte Nacht und einen besonders redseligen Tätowierer. Aber egal, ob rebellisches Statement oder spontane Schnapsidee – Tattoos erzählen Geschichten. Und wer hätte gedacht, dass selbst römische Soldaten einst ihre Haut als Leinwand für ihre Kriegserlebnisse nutzten?

Heute begegnet man Tattoos nicht mehr nur auf den Oberarmen von Seefahrern oder den Rücken gestählter Kämpfer. Nein, die Kunst der Tätowierung hat sich aus den Randgruppen emanzipiert und strahlt uns nun aus jeder Ecke des Alltags entgegen. Ob es kleine Herzchen auf dem Knöchel sind, Zitate in pseudo-lateinischen Lettern (weil „Carpe Diem“ doch irgendwie tiefgründig klingt) oder ganze Landschaften, die sich quer über den Rücken erstrecken – die Haut wird zur Leinwand, und das ganz ohne Rücksicht auf anatomische Grenzen.

Mit dem Trend „Mein Körper, meine Leinwand“ scheint wirklich alles möglich zu sein. Minimalistische Strichmännchen stehen gleichberechtigt neben gigantischen Drachenschlangen, und wenn der Name des Ex dann doch mal ein bisschen zu prominent verewigt wurde, gibt’s ja noch den guten alten Laser. Wer kann uns das Übertätowieren verübeln? Schließlich verändert sich der Geschmack, und manchmal müssen halt auch Künstler gewechselt werden.

Aber was, wenn der Trend irgendwann umschlägt? Was, wenn die Tattoo-Fans plötzlich den „nackten Arm“ als neueste Provokation entdecken? Wer weiß, vielleicht wird der nächste Schrei nicht die bunte Haut, sondern die makellose, blanke Leinwand sein – in all ihrer minimalistischen Pracht. Denn wer braucht schon ein Tiger-Tattoo auf der Schulter, wenn man den wildesten Raubtierblick doch auch einfach ohne zeigen kann? Ja, der Gedanke an unbetonte Haut könnte geradezu revolutionär wirken. Aber egal, wohin der Trend geht: Solange Menschen Geschichten haben, werden sie immer Wege finden, sie unter die Haut zu bringen. Na ja, zumindest einige... andere bevorzugen ja vielleicht doch die gute alte Textilkunst.

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