Istvan Hidy

Schräge Forschung: Vom Sinn des Sinnlosen

Forschung und Wissenschaft – der ewige Hort des Strebens nach Wahrheit und Erkenntnis. Doch was wäre sie ohne ihre scheinbar sinnlosen, aber herrlich absurden Fragestellungen, die uns Jahr für Jahr zum Lachen und Staunen bringen? In der glanzvollen Welt der Ig-Nobelpreise wird uns regelmäßig vor Augen geführt, dass es noch viel zu entdecken gibt, solange man bereit ist, sich tief zu bücken – oder, wie in diesem Fall, auf eine Stanford-Toilette in Denkerpose zu setzen. Der südkoreanisch-amerikanische Forscher Seung-min Park erhielt den Ig-Nobelpreis 2023 in der Kategorie Public Health für genau diese Erfindung.

Die zum 34. Mal verliehenen, undotierten Spaßpreise, vergeben von einer Zeitschrift für kuriose Forschung, sollen nach Angaben der Veranstalter „das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren“. „Ignoble“ bedeutet auf Deutsch etwa „unehrenhaft“. Die traditionell schrille Gala, die aufgrund der Pandemie vier Jahre in Folge digital stattfand, wurde 2024 erstmals wieder mit Publikum am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge an der US-Ostküste zelebriert. Im September 2024 wurden die Preise unter dem Motto „Murphy's Law“ zum 34. Mal verliehen. Die Zeremonie im Raum 10.2.50 des MIT begann wie immer mit dem kollektiven Werfen von Papierfliegern.

Man stelle sich vor: Hochdekorierte Forscher, ausgestattet mit Laborkitteln, Mikroskopen und einer unbeirrbaren Hingabe zur Wissenschaft, widmen sich Tag für Tag den wirklich wichtigen Fragen des Lebens. Warum lecken Geologen Steine ab? Die Antwort ist verblüffend einfach: Weil nasse Steine klarer zu sehen und zu untersuchen sind. Ein echter Durchbruch für all jene, die in der Nähe von Kieswegen leben und sich seit Jahren fragen, wie man diese verwirrenden grauen Brocken entschlüsseln könnte. Da bleibt nur noch eine Frage offen: Gibt es auch einen optimalen Speichelwinkel?

Und wenn Sie glauben, dass diese Steine eine harte Nuss sind, warten Sie ab, bis Sie von den unermüdlichen Forschern hören, die sich der existenziellen Frage widmeten: Wie viele Haare hat ein Mensch in jedem Nasenloch? Die Antwort ist nicht nur haarig, sondern auch gleichmäßig aufgeteilt: Rund 115 pro Loch. Ein triumphaler Sieg für die Nasenhaarforschung und eine unerwartete Erleichterung für alle, die dachten, sie seien ungleich ausgestattet.

Doch die akademische Glanzleistung endet nicht dort. Langeweile im Schulunterricht ist ein altbekanntes Phänomen, aber wer hätte gedacht, dass man dies methodisch untersuchen kann? Offenbar steigt die Wahrscheinlichkeit, gelangweilt zu sein, je langweiliger man den Lehrer findet – eine bahnbrechende Erkenntnis! Da bleibt nur zu hoffen, dass dieses Ergebnis nicht auf die Forschenden selbst zutrifft.

Doch nicht nur Menschen, auch Pflanzen haben ihren Auftritt. Ein amerikanischer Wissenschaftler und sein an der Universität Bonn arbeitender Kollege Felipe Yamashita wurden in der Kategorie Botanik ausgezeichnet. Sie entdeckten, dass einige echte Pflanzen die Formen von benachbarten Plastikpflanzen imitieren. Daraus schließen sie, dass „pflanzliches Sehen“ eine plausible Hypothese sei. Wie genau die Pflanzen das machen, ist jedoch noch unklar. Vielleicht inspiriert vom Plastik-Dschungel des Gartencenters?

Die Innovationen gehen jedoch weit über das Klassenzimmer und die Pflanzen hinaus – bis hin in die Weiten des Meeres. Oder sollte ich sagen, in die Tiefen der Sardellenliebe? Ja, selbst die sexuelle Aktivität dieser winzigen Fische blieb nicht unentdeckt. Schließlich wollen wir alle wissen, wie viel Lust im Wasser liegt, wenn Sardellen sich im Meeresrauschen verlieren.

Doch halt, was wäre Wissenschaft ohne die wirklich großen Sprünge – oder in diesem Fall – Greifarme? Hier betreten wir die Welt der Zombie-Spinnen, die, einmal tot, als mechanische Greifwerkzeuge wiederauferstehen. Makaber? Sicherlich. Praktisch? Absolut! Und für alle, die sich jemals gefragt haben, wie man eine tote Spinne zum Leben erweckt: Es braucht nur ein wenig wissenschaftliche Neugier und die Bereitschaft, buchstäblich über den Rand des Spinnennetzes hinauszudenken.

Am Ende bleibt uns nur ein schmunzelnder Blick auf die wahrhaft großartige Sinnfreiheit, die der Ig-Nobelpreis jedes Jahr aufs Neue in den Mittelpunkt rückt. Denn seien wir ehrlich: Wer braucht schon den schnöden Glanz eines echten Nobelpreises, wenn man stattdessen die Schwimmfähigkeit toter Forellen erforschen kann? Oder herausfindet, dass lebende Fische sich zwar mehr bewegen als tote, aber nicht wirklich viel mehr. Eine wahrlich tiefschürfende Erkenntnis – im wahrsten Sinne des Wortes.

Und so endet der diesjährige Reigen der skurrilen Forschung wie gewohnt mit einem herzlichen „Mehr Glück im nächsten Jahr!“. Denn eines ist sicher: Solange es Forscher gibt, die bereit sind, Steine zu lecken, Nasenhaare zu zählen und sich von Plastikpflanzen inspirieren zu lassen, wird uns die Wissenschaft niemals ausgehen – oder zumindest die Unterhaltung.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.09.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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