Ich bin eine Naschkatze. Ein Verehrer von Süssigkeiten. Ohne diese kann ich schlichtweg nicht leben. Weiter nicht schlimm, dachte ich, bis mein Arzt mir die kürzlich erhobenen Blutwerte erläuterte, dabei seinen sorgenvollen Schlechte-Nachrichten-Gesichtsausdruck aufsetzte. Oh, um Himmelswillen, was hat das zu bedeuten, tanzten meine Hirnsynopsen einen wilden Südseetanz, ganz ohne Lendentuch. Werde ich nun zu lebenslänglich, oder zu weiss nicht was, verurteilt?, zuckte mein Zeigefinger, trommelte dabei auf den Ordinationstisch meines Gesundheitscoaches, dem in der Zwischenzeit weitere Sorgenfalten auf der Stirn gewachsen waren, in deren Talsohlen sich die Schweissperlen zu kleinen Pfützen angesammelt hatten und drohten, auf meine Blutwerttabellen zu fallen, diese in das Unleserlichkeitsnirwana zu verschieben. Was mir nicht ungelegen käme, um alsdann als Sorgenfaltenglätteisen bei meinem Arzt zu dienen. Ha, eine Sorge weniger hätte ich dadurch, denn ich fühlte — einen Spiegel hatte ich nicht zur Hand und kein solcher war im hoch technisierten, gesundheitsentscheidendem Raum vorhanden —, dass mein Gesicht vor Erwartungsangst puterrot angelaufen war.
„Ja, deine Diabeteswerte machen mir echt Sorgen. Besonders, wenn ich die Langzeitwerte betrachte“, warf er mir an meinen süssigkeitensüchtigen Kopf. Ob ich wollte oder nicht, ich hatte diese Ente zu schlucken, obwohl dadurch das Damoklesschwert über meinem Haupt zu kreisen begann, sich immer näher meinem absonderlichen Genusszentrum näherte.
"Du wirst in Zukunft", fuhr der Arzt fort, "auf Süsses zu verzichten haben. Wenn auch nur auf Zuckerhaltiges. Süsse Momente wirst du weiterhin erleben dürfen, und diese sind doch weit wertvoller als die kurzzeitigen, ungesunden kleinen Zucker-Sünden. Zudem, und das mag dich trösten, sind seit der Einführung der Künstlichen Intelligenz bedeutende, ja bahnbrechende Fortschritte in der Bekämpfung der Zuckersucht zu verzeichnen. So ist es der einheimischen chemischen Industrie gelungen, ein nagelneues Produkt, ganz ohne schädliches Nagelspucken zu entwickeln, was zu einem Aktienkurshype dieses Betriebs führte: Den ‚PFAND-KUCHEN!‘.
Und das geht ganz einfach. Die dem neuen Netzwerk angeschlossenen Konditoreien bereiten deinen saisonalen Lieblingskuchen nach traditioneller Art zu. Ob Erdbeer- oder Schwarzwälder Kirschtorte, egal. Mit dem von mir ausgestellten Rezept, auch als E-Rezept erhältlich, verlangt er von dir ein Pfand im Wert einer Hunderter Banknote, die du, wenn das Meistergebäck innerhalb von 12 Stunden retourniert wird, in bar zurückerhältst. Abzüglich einer Bearbeitungsgebühr von lumpigen 5 %.
Der volkswirtschaftliche Nutzen ist von Wirtschaftsweisen, nicht etwa Wirtschaftswaisen, amtlich bestätigt. Denn einerseits werden dadurch die Gesundheitskosten wesentlich durch Vermeiden von Zuckersünden gesenkt, andererseits das Geschäft der Konditoreien durch Mehrfachverkäufe in der Konditoreiwirtschaft enorm angekurbelt und die Steuereinnahmen mit der nicht zurück zu vergütenden Mehrwertsteuer erhöht und das wird den Wirtschaftsminister freuen, das Sterben von Fachbetrieben verhindert.“
Nach diesen ärztlichen Worten erstrahlte ein breites Lächeln auf dem Gesicht meines so fachkundigen Hausarztes. Alle Sorgen waren auf einen Streich weggewischt.
Was bin ich ihm und der KI dankbar, dadurch meine Sucht wie auch seine Sorgenfalten in Zukunft zum Verschwinden zu bringen.
Einzig gab mir sein Zusatzhinweis weiter zu denken:
'Eine Rückgabe sei nur bei Unberührtheit des Gebäcks erlaubt, es müsse also absolut jungfräulich sein, nicht einmal ein Brösel dürfe fehlen.‘
Werde ich widerstehen können?
Das ist DIE zentrale, mich folternde Frage …
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Grossen Dank, un GRAND MERCI!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.09.2024.
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