Judith Salzfurths Welt war die der Zahlen. Ihr Vater, Dozent für Mathematische Logik, hatte sie früh für diese Materie begeistern können. Sie hatte schnell verstanden, dass das Wesen aller Dinge in der Natur Zahlen nachgebildet ist. Ungewöhnlich, solch ein Interesse für ein zwölfjähriges Mädchen, aber Judith fand es spannend. Ihr Verhältnis zu Zahlen und deren Beziehung zueinander prägte die Wahrnehmung in ihrem weiteren Leben. Das half ihr in ihrem schulischen Werdegang enorm, in erster Linie in naturwissenschaftlichen Fächern, und natürlich im Kunstunterricht. Hier war Judith allen anderen Schülern kreativ weit voraus, sie schuf aufsehenerregende Kreationen in einer speziellen Anordnung. Ein frühes künstlerisches Werk von ihr war in einem Holzschnitt mit dreifacher Sphären-Symmetrie zu bewundern, dargestellt als sich im Unendlichen verengende Schlangenlinien und Kreise. Es gab nur wenige, die dieses Bild richtig zu deuten vermochten, ihre Lehrer und Mitschüler gehörten nicht dazu.
Aber auch in der Musik war Judith allen anderen weit voraus. Denn wenn man es verstanden hat, erkennt man auch in einer Tonleiter geometrische Intervalle. Zu begreifen, dass jeder Ton eine mathematische Schwingungsfrequenz hat, bedarf allerdings einer besonderen Begabung und fördert die eigene Tonalität. Auf diese Weise lernt und versteht man Musik einfach besser als ohne dieses Wissen. Judith erlernte so das Spiel von Piano und Cello mit leichter Hand. Ebenso erzielte sie in den meisten Sportarten aufgrund ihres ausgeprägten Taktgefühls gute Resultate. Aber die schulische Bildung besteht auch aus Lernfächern außerhalb des musischen, kreativen Bereichs. Nicht, dass sie allgemein Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache gehabt hätte, ihre stark ausgeprägte mathematische Musikalität stand ihr jedoch im Unterrichtsfach Deutsch massiv im Wege. Speziell Lyrik bereitete ihr große Schwierigkeiten. Problematisch waren hierbei nicht die Gedichte in den unteren Klassen. Verse in durchgehend einfach strukturierten Reimen verfasst, in leicht erkennbare Versmaße gesetzt, mochte sie sogar. Die Schwierigkeiten begannen, als Balladen den Deutschunterricht bestimmten.
Ihren ersten ernstzunehmenden Aussetzer hatte sie bei der Ballade “Die Füße im Feuer” von Conrad Ferdinand Meyer. Ihr schwindelte, ihr wurde übel, als sie diese interpretieren und vortragen musste. Nicht wegen des Inhalts dieser klassischen Ballade, sondern wegen des freien, reimlosen Rhythmus', in dem diese verfasst ist. Zunächst erkannte niemand den Zusammenhang mit ihrer überschießenden Reaktion. Es folgten später mehrere ähnliche Erscheinungen, deren Folge schwere körperliche Ausfälle waren. Die Angst vor panischen Reaktionen begleitete das Mädchen fortan, und das nicht nur im Deutschunterricht. Den Höhepunkt bildete jedoch ein Gedicht von Friedrich Schiller: “Würde der Frauen.” Hier verwendet der Dichter zwei verschiedene Strophenformen, die rhythmisch den Unterschied zwischen Frauen und Männern deutlich machen sollen. Dass außerdem in diesem Gedicht die Versmaße sowie die Arten der Reime wechseln, führte bei der hoch empfindsamen Judith zu einer extremen Belastungsreaktion. Der Kern ihrer inneren Harmonie implodierte. Ein Facharzt für Jugendneurologie diagnostizierte bei ihr nach eingehender Untersuchung ein psychisches Belastungssyndrom. Und das Mädchen erholte sich nur schwer davon, wurde aufgrund dieser Ausgangssituation schuluntauglich.
Auf Umwegen und mit vielen Mühen erreichte dieses hochbegabte Mädchen später einen mittleren Schulabschluss. Zusammen mit einer begleitenden medikamentösen Behandlung wurde es möglich, dass sie eine Berufsausbildung durchlaufen, und sich im Handwerklichen in der geforderten Konzentration verwirklichen konnte. Das vorläufige Ende ihres Leidenswegs: Sie erlernte den Beruf einer Töpferin und schuf später solitäre Werkstücke, deren ausdrucksstarke Formen die Betrachter begeisterten. Noch bekannter wurde Judith Salzfurth später durch ihre außerberufliche Betätigung, die Mathematik. In vielen ihrer freien Stunden war sie auf diesem Gebiet forschend tätig. So fand sie unter anderem heraus, dass die 81 die einzige Zahl ist, deren Quersumme und Quadratwurzel gleich lauten. Fachleute staunten, dass Judith selbst mathematischen Laien die ungeheuer komplexe Schrödingersche Gleichung gut verständlich erklären konnte. Für Judith wurde die Mathematik die Erfüllung ihres Lebens.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.09.2024.
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