Ingrid Grote

Schwarze Schwäne-Weiße Schwäne, Teil 39 - DAS VERHÖR ...


Hardy kommt am Donnerstagnachmittag vorbei. Die ganze Woche über bin ich nicht ans Telefon gegangen. Irgendwie fürchtete ich mich vor ihm. Vor allem fürchtete ich seine Reaktion auf das, was seine Cobbers am Nürburgring ansehen mussten.
Ich habe nur noch eine Möglichkeit, nämlich mich ganz blöd zu stellen. Das dürfte mir nicht schwer fallen. Seufzz ... Aber noch mehr hatte ich gefürchtet, dass er sich gar nicht mehr melden würde.
Er setzt sich wortlos an den Küchentisch, ich folge ihm und bleibe am Tisch stehen.
Er schaut mich an. Ich weiß nicht, wie ich seinen Blick deuten soll. Ich glaube, er schaut mich feindselig an, aber da ist noch etwas anderes. Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Stehen bleiben, woanders hingehen ... Erst einmal bleibe ich wie gelähmt stehen.
Jetzt steht er auf und fummelt an seinem Gürtel herum, und auf einmal kommt mir der Gedanke, er wolle mich damit züchtigen ... Aua, das ist pervers, könnte aber sein ... Und ich hätte es verdient, ja, auf jeden Fall ja!
Er legt den Gürtel aber nur ab.
Ich schaue ihm so fasziniert dabei zu, so dass er darauf aufmerksam wird und anfängt zu lächeln. „Hast es wohl verdient?“, fragt er heimtückisch.
„Lass mich ja in Ruhe!“ Ich weiche automatisch vor ihm zurück. Oh je, wenn er nun alles wüsste ... Oh ja, ich habe es verdient, wie kann man nur so dumm sein!
Er lässt sich dadurch nicht beeindrucken, sondern drängt mich unaufhaltsam ins Schlafzimmer, wo ich auf dem Bett lande und er sich seine Hose auszieht. Meine Sachen ziehe ich freiwillig aus.
Und wie immer werde ich weich und nachgiebig, wenn er mich anfasst, und das scheint ihn zu besänftigen. Vorerst zumindest. Diesmal scheint es ihm egal zu sein, ob ich zum Höhepunkt komme, diesmal denkt er nur an sich selber. Das ist ungewöhnlich. Aber gerade weil er heute so unerbittlich ist, bin ich verwirrt, und mein Körper reagiert auf ihn, als hätte er mich lange gestreichelt, geleckt oder was auch immer getan.
Es ist so gut. Verflucht! Eigentlich wollte ich cool bleiben, aber es geht nicht. Ein Stöhnen kommt aus meinem Mund, ich kann es nicht unterdrücken. Außerdem umklammere ich seinen Hintern, um ihn noch enger bei mir und noch tiefer in mir zu haben. Atme heftiger und stöhne dann noch lauter, während ich in süßer qualvoller Lust vergehe. Und die dauert lange. Endlos lange.
Ich kriege nur noch mit, dass er mich triumphierend ansieht. Und kurz darauf fängt er selber an zu stöhnen. Ich liebe es, wenn er kommt, denn er wirkt dann immer so verletzlich.
Kurz darauf lässt er sich noch keuchend neben mich fallen. Schade, ich hätte ihn gern ein bisschen näher bei mir gehabt. Oder noch in mir wie beim zweiten Mal damals.
„Was machst du am Wochenende?“, fragt er mich ein paar Minuten später.
War ziemlich kurz diesmal. Wir sind wieder angezogen, und ich sitze auf dem großen und er auf dem kleinen Sofa. Alles wie gehabt, nur noch ein bisschen peinlicher. Um Himmels Willen keine Intimitäten, außer diesen speziell körperlichen Intimitäten.
„Warum willst du das wissen?“ Ich glaube, meine Stimme klingt unwirsch. Fast könnte man denken, er wäre eifersüchtig, aber das ist vollkommen absurd. Gekränkte Eitelkeit bewegt ihn, und dieses Treffen am Nürburgring, als er vor seinem Cobber Clem ziemlich dämlich dastand, das hat ihn wohl sein Gesicht verlieren lassen. Ihn, den großen Hardy.
Und ich bin mir keiner Schuld bewusst, es war nur ein harmloser Kuss, mehr hat Hardy wohl nicht gesehen. Was ich eine Woche vorher mit Bruce getrieben habe, das weiß er nicht. Es reicht eigentlich, dass ich es weiß. Oh Gott, was habe ich nur getan! Jetzt hilft aber nur noch eins, nämlich alles abzuleugnen.
„Triffst du dich wieder mit diesem“, Hardy macht eine verächtliche Pause, bevor er weiter spricht, „Macker?“
„Wen meinst du?“
„Na den, den du abgeknutscht hast!“
„Das war doch nur Bruce, und ich hab den nicht abgeknutscht.“ Allein diese Unterstellung macht mich wütend.
„Habe ich da was falsch mitbekommen?“
„Ich wusste nicht, dass er mit Parker hinfährt. Und ich habe beide nur zufällig getroffen. Und warum interessiert dich sowas? Du hast doch bestimmt viel mehr Frauenleichen in deinem Keller liegen!“
„Ach stimmt ja, der andere war Parker, den kennen wir ja schon aus der Zeche Bo. Interessant! Was also wollte Bruce von dir?“
„Ich schätze mal, er wollte mich sehen ...“ Warum erzähle ich ihm das? Und wieso übergeht er die Frauenleichen in seinem eigenen Keller? Hat er keine? Da muss ich echt lachen. Und was findet hier statt? Die Spanische Inquisition, also ein hochnotpeinliches Verhör?
„Aber ich schätze mal, du wolltest ihn nicht sehen?“ Das Verhör geht also weiter.
„Nein, um Himmels Willen nein! Ist erledigt, die Sache. Himmel, das ist so lange her - damals ging es nicht und jetzt will ich es nicht mehr...“, ich breche ab, habe die Befürchtung, schon zu viel gesagt zu haben.
„Tony, Tony, du bist eine grausame Frau, du brichst den Männern das Herz und lässt sie dann einfach so liegen.“ Seine Stimme klingt spöttisch, „wir kennen das ja schon von Robert.“
„Wir kennen gar nichts! Und Robert? Es ging nicht mit ihm. Oder meinst du etwa Bruce?“ Ich höre abrupt auf zu reden.
„Genau! Den meine ich. Du gibst einem Mann nur einmal eine Chance? Ist ja interessant.“ Jetzt klingt seine Stimme nicht mehr spöttisch, sondern regelrecht höhnisch.
„Nein, verdammt noch mal! Es waren zwei Chancen, aber es war von Anfang an nichts. War nur eine fixe Idee von mir.“ Warum erzähle ich ihm das? Weil er mich provoziert hat. Und wieso muss ich mich verteidigen? Ich habe die Nase voll von diesen Schuldanwürfen und gehe zum Angriff über:
„Du hast natürlich noch nie eine Frau abserviert oder?“ Hoffentlich klingt meine Stimme so höhnisch wie seine. „Also was soll das überhaupt?“
„Nein, eigentlich nicht, weil ich vorher schon ehrlich war“, seine Stimme klingt nun gelassen. „Also was machst du am Wochenende?“
Ich atme auf, denn da habe ich nichts zu verbergen. „Ich muss zu meinen Eltern. Einen Geburtstag von einer Tante feiern.“ Tatsächlich gibt es eine große Feier in Daarau, ungefähr zweihundert Kilometer von hier entfernt in Richtung Osten.
„Mit wem fährst du hin?“
„Warum willst du das wissen?“ Ich fasse es nicht. Was ist los mit ihm? Will er mir nachschnüffeln, mich kontrollieren? Aber selber kann er machen, was er will. Ich schweige verbissen.
„Gut.“ Wieder klingt seine Stimme gelassen.
Und er macht Anstalten, zu gehen. Ja toll, hau nur ab, ohne dich bin ich sowieso besser dran. Und wer weiß, was DU vorhast an diesem Wochenende, aber ich soll brav irgendwo rumsitzen!
Er zögert noch, bleibt kurz stehen, als ob er auf irgendetwas warten würde, bevor er mir den obligatorischen Kuss auf die Stirn gibt. Ha, dieses väterlich-brüderliche Getue, das mich vor ein paar Monaten in seine Fangarme gelockt hat. Dieses nette freundschaftliche Gehabe, um die Weiber zu umgarnen wie eine Spinne, um sie erst einzuwickeln, sie danach genüsslich zu verspeisen - und dann wegzuwerfen.
Ich bin wie benommen, als er weg ist. Hat er mich jetzt abserviert? Ich habe ihn schließlich gedemütigt vor seinen Cobbers. Andererseits ist es einer meiner größten Fehler, ein Unrecht nicht zugeben zu können. Das liegt wohl an meiner Vergangenheit. Ich musste mich immer verteidigen gegen Mutters Vorwürfe und habe immer alles abgestritten. Auch wenn ich schuldig war.
Die Wohnung kommt mir leer vor, seit er gegangen ist. Er ist der einzige Mann außer Ralf, den ich länger in meiner Wohnung ertragen kann. Liegt vielleicht daran, dass ich mich nicht besaufen muss wie bei gewissen anderen Männern, um mit denen schlafen zu können. Ich kann ihn nicht bezirzen, denn er würde es sofort merken und mich spöttisch anschauen.
Und ich kann bei ihm ganz ich selber sein.
Was ist das zwischen Hardy und mir? Diese Frage ist überflüssig geworden, denn er wird mich mit Sicherheit abservieren. Was hat er noch gesagt? Sowas wie: Ich war immer ehrlich bei Frauen? Bei mir war es wohl ein ehrliches Schweigen. Und wieso kann ich diesen Mann nicht durchschauen?
Dem Himmel sei Dank dafür habe ich keine Zeit, drüber nachzudenken, denn ich muss für Daarau packen. War lange nicht mehr da, vielleicht zwei Jahre nicht. Ich vermisse es, denn dort konnte ich immer meine Kräfte mobilisieren, wenn ich Zoff mit Parker hatte.
Trotzdem muss ich vor mich hin grübeln. Habe ich immer verhindert, dass mich jemand richtig mochte, oder gar liebte? Aber auch das werde ich fürs Erste verdrängen.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.09.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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