Heinz-Walter Hoetter

Das Mädchen mit der blutigen Hand

 


 


 

Es war ein nebliger Samstagabend im Herbst.


 

Der junge Jack Taylor saß allein zu Hause und schaute sich im Fernsehen gerade einen Gruselfilm an.


 

Plötzlich klingelte das Telefon.


 

Jack zuckte wegen des unerwarteten und überaus aufdringlichen Geräusches ein wenig zusammen, stand aber sofort auf und nahm den Hörer ab.


 

"Hallo, wer ist da?" fragte er gelassen.


 

Eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung antwortete ihm:


 

"Hier ist das Mädchen mit der blutigen Hand. Ich komme in ein paar Minuten zu dir. Ich bin nicht mehr weit weg."


 

Jack legte erschrocken den Hörer auf, ging eilig zurück ins Wohnzimmer, setzte sich aber nicht gleich wieder vors Fernsehgerät, sondern schob den schweren Vorhang des Wohnzimmerfensters vorsichtig ein wenig zur Seite und blickte argwöhnisch durch die trübe Nacht hinüber zum Eingangstor des Grundstücks, das direkt an der Straße lag.


 

Er konnte leider wegen des ziemlich dichten Nebels so gut wie nichts erkennen. Nachdenklich verließ er das Wohnzimmer. Eine unbestimmte Angst stieg in ihm hoch.


 

Als er sich gerade wieder setzen wollte, klingelte abermals das Telefon. Wieder hob Jack den Hörer ab. Die weibliche Stimme von vorhin war dran und sagte: "Hier ist das Mädchen mit der blutigen Hand. Ich stehe jetzt vor deiner Haustür!"


 

Jack ließ jetzt vor lauter Schrecken den Telefonhörer fallen. Er dachte schon daran, seine Eltern anzurufen, die ganz in der Nähe bei Bekannten zum Essen eingeladen waren. Doch er wollte mit der ungewöhnlichen Situation selber fertig werden.


 

Im nächsten Augenblick wäre ihm fast das Herz in die Hose gerutscht, als es draußen an der Haustüre tatsächlich klingelte.


 

Mit weichen Knien ging Jack trotzdem mutig zur Tür hinüber und öffnete sie, aber nur einen spaltbreit. Vorsichtshalber ließ er die Sicherheitskette dran. Dann blickte er ängstlich durch die schmale Öffnung nach draußen.


 

Vor der Tür stand ein Mädchen mit einem Smartphone in der rechten Hand.


 

"Hallo Jack, ich bin's, die Mary von nebenan. Meine Eltern sind heute Abend ins Kino gegangen. Ich hab' mir leider beim Brotschneiden die Hand verletzt. Die Wunde ist zwar nicht groß, blutet aber ganz schön, wie du selbst sehen kannst. Dummerweise haben wir weder Verbandsmaterial noch Pflaster im Haus. Kannst du mir vielleicht damit aushelfen?"


 

Dabei hielt Mary die linke Hand hoch, die voller Blut war.


 

Erleichtert atmete Jack erst einmal tief durch. Dann sagte er: „Du hast mir wirklich Angst eingejagd, Mary. Komm' erst mal rein, damit ich deine Wunde versorgen kann. Geh' ins Badezimmer und wasch' deine Hand, damit ich sie dir verbinden kann. Wenn du möchtest, kannst du mit mir danach einen Horrorfilm anschauen, der gerade im Fernsehen läuft. Er heißt „Bloody Mary“.


 

Ich habe mich sowieso gelangweilt und bleibe gerne hier. Außerdem liebe ich Horrorfilme“, antwortete das junge Mädchen und lachte verschmitzt dabei.


 

ENDE


 

(c)Heiwahoe

 

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