“ Endlich einmal ein ruhiger Sonntag “, dachte Sophie in ihrem
kleinen Häuschen am Stadtrand von Wien. Sie war jahrelang in ganz Europa
unterwegs gewesen, um für ihren Chef neue Kunden zu akquirieren. Das
Unternehmen hatte sich darauf spezialisiert, mögliche Arbeitgeber im Bereich
der IT-Branche zu gewinnen, für die sie dann Arbeitnehmer finden sollten. Es
war nervenaufreibend, die ganze Zeit von einem Termin zum nächsten zu
springen und die Geschäftsverhandlungen zu führen. Nicht immer hatte
sie Erfolg und das rieb sich ganz schön an ihren Nerven. Deshalb wollte sie
diesen Sonntag nur für sich nutzen. Dazu gehörte ein langes Bad, eine
Gesichtsmaske, die ihr zweiunddreißig jähriges Gesicht zu neuem Teint
verhelfen sollte und ein Ganzkörperpeeling ihres etwas molligen
Körpers.
Dass Sophie noch immer keinen Partner hatte, musste sie
sich bei jeder Familienfeier von ihrer Mutter und den Tanten anhören, deren
Weltbild einer Frau sie nicht teilte. Sie konnte nicht verstehen, wieso eine Frau
nur durch einen Mann vollständig sein sollte. Gerade, als ihr ihre asexuelle
Identität durch den Kopf ging, klapperte die Haustür. “ Nur ein
Windstoß”, dachte sie sich, obwohl erst vor einiger Zeit die
Handwerker da waren, um die Tür abzudichten. Es war eine alte Holztür,
die sich mit den Jahreszeiten schon einmal verzog, aber dass sich diese
Geräusche entwickelten. Sie stieg aus der Badewanne, trocknete sich ab und
cremte sich ausgiebig ein. “ Da wieder. Was kann das nur sein? Sind die
Scharniere zu alt? Wurden die nicht überprüft? So langsam mache ich mir
Gedanken.” Dieses Geräusch machte sie mürbe. Es sorgte
allmählich für Unbehagen, erinnerte es sie doch an die ganzen Gruselge
schichten aus ihrer Kindheit, die ihr Peter erzählt hatte, während sie
gemeinsam mit ihm auf der Hollywoodschaukel, die um Hof ihrer Großmutter
stand, den Abend verbrachten. Mit ihm hatte sie all ihre Träume und
Wünsche geteilt, ihm ihre Sorgen und Gedanken erzählt und von ihm
jedesmal ein verständnisvolles Nicken oder ein Lächeln erhalten. Dass
der zwei Jahre ältere Nachbarsjunge stumm war, störte sie kein
bisschen. Es war eher so, als wäre er eine lebendige Puppe, die mit ihrem
Gesicht redete, statt mit dem Mund.
Sophie vermisste ihn in
diesem Augenblick sehr. In letzter Zeit dachte sie häufiger an ihn. Seine
drahtige Figur, die wilden langen blonden Haare und die zu kurzen Jeans. Einen
Moment lächelte sie, doch dann fiel ihr ein, dass er vor drei Jahren bei
einem Autounfall ums Leben kam. Er war allein unterwegs und wollte auf einer
Landstraße einen Traktor überholen, ohne dabei zu bemerken, dass die
Straße einen kurvigen Verlauf nahm und auf der Gegenfahrbahn ein Auto auf
ihn zukam. Der andere Fahrer blieb mit dem Schrecken zurück. Eigentlich, so
fiel ihr auf, fing es ungefähr zu dieser Zeit mit dem Klappern an. Doch das
ist bestimmt Spinnerei, die sie von ihrer Großmutter abgeschaut hatte, die
sehr an Parapsychologie glaubte. Eine lange Zeit hatte sich Sophie mit allen
spirituellen Dingen auseinandergesetzt, die sie in die Finger bekommen konnte,
doch mit der Konzentration auf ihr Studium des Personalmanagement verflog dieses
Interesse.
Sophie kleidete sich an, trug etwas Make Up auf
und ging zur Haustür. Sie ruckelte an der Tür. Es war nichts zu
hören.
Eilig verließ sie das Haus, rannte fast zum
Wagen, der vor dem Garagentor stand und sprang hinein. Der Motor heulte auf, als
sie den Rückwärtsgang einlegte. Dann gab sie Gas. Sie brauchte sofort
Antworten, also wollte sie zu einer Freundin ihrer Großmutter fahren, die
sich ebenso spirituellen Dingen verschrieben hatte. Dort angekommen, sah sie,
dass Licht in der Küche brannte und klingelte. Die rüstige Alte machte
auf und erschrak. So eine verwirrte Sophie hatte sie noch nie gesehen. Was ist
passiert? Sie bat sie herein und ließ sich alles haargenau erzählen.
Dann holte sie ihre Tarotkarten und deutete Sophie, die sich plötzlich wie
ein kleines Kind fühlte, drei Karten zu ziehen. Die erste Karte sei die
Vergangenheit. Der Tod, der darauf abgebildet war, wies auf eine große
Veränderung hin. “ Klar”, dachte Sophie. “ Der Tod von
Peter hat schon viel verändert. Mein bester Freund war nicht mehr da&rdq
uo;. Die zweite Karte zeigt die Gegenwart. Auf dieser Karte war das Schicksalsrad
zu sehen. Es bedeutet, dass etwas so, wie es jetzt ist, richtig ist und so sein
soll. Und dann die Zukunftskarte. Ein Herz. Die rüstige Alte sagte, dass
Sophie schon herausfinden würde, was es bedeutet und überließ sie
sich selbst. Unzufrieden mit dieser Antwort machte sich die Anfang
Dreißigjährige auf den Weg in den nahe gelegenen Park, setzte sich auf
eine Bank und spürte den Wind in ihrem Haar und auf den Wangen. Kaum ein
Mensch war dort zu sehen, nur ein paar Spaziergänger mit ihren Hunden.
Sophie saß eine Weile dort, als sie plötzlich jemanden neben sich
sitzen sah. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sich jemand näherte. Doch sie
fand es tröstlich, nicht ganz so allein zu sein und genoss die Anwesenheit
des Fremden. Nach einer Weile, sie war gerade in Gedanken bei ihrem
Kindheitsfreund, hörte sie den Fremden sagen: “ Darf ic h mich
vorstellen? Mein Name ist Peter und i!
ch habe das Gefühl, als verbände uns etwas. Möchten sie mir
sagen, was ihnen gerade durch den Kopf geht?”. Diese freundliche zugewandte
Art sprach Sophie an, also erzählte sie ihm von ihrem Verlust und bemerkte
erst jetzt, wie sehr es sie belastet hatte. Peter wiederum hatte vor kurzem seine
Frau verloren und als ihm Tränen die Wange herunterkullerten, nahmen sie
sich beide in die Arme, während Sophie dachte: “ Peter, du hast mir
gezeigt, dass ich nur das Haus verlassen muss, um wieder unter liebevollen
Menschen zu sein. Genau das hatte mir gefehlt und ich wusste es nicht einmal.
Danke!”.
Seit dem Tag war das Klappern der Türe
verschwunden. Dieser Fremde hatte ihr einen Moment der Verbundenheit gegeben,
welches sie nachhaltig in sich aufnahm. Sie sah ihn nie wieder.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.10.2024.
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