Artur Hüttemann

Der Lach-Eumel

Mit dem Ricardo Rücker, an den ich mich in diesen ersten Tagen des Spätherbstes anno 2024 noch sehr gut erinnern kann, hatte es schon was Besonderes auf sich.

 

Damals, so etwa im Jahr 1925, als ich noch im Außendienst der ELEKTRONA VAG beschäftigt war, hatte ich mir angewöhnt, besonders hochdekorierte Rechenzentrumsleiter oder deren Vorgesetzte zu bestimmten Ausflügen in europäische Großstädte einzuladen, um anschließend Vorteile für meine Außendiensttätigkeit zu gewinnen.

 

Ricardo Rücker war es anno 1925, den ich zu einem Ausflug nach Prag eingeladen hatte.

 

Die tschechisch-slowakische Hauptstadt kannte ich wie den Inhalt meiner Hosentaschen, denn durch die freundschaftliche Verbindung zu den Eheleuten Libunka und Vojtech Klecka, die meine Frau und ich Jahre zuvor anlässlich eines Pragausflugs zufällig kennenlernten.

 

Es geschah an einem sonnigen Nachmittag im Mai, als wir in Höhe des Veitsdomes nach der Goldenen Gasse Ausschau hielten, die uns die freundliche Mitarbeiterin unseres Reisebüros dringend empfohlen hatte, doch wussten nicht, wo wir die Judengasse mit ihren zahlreichen Antikläden finden könnten, leider hatte ich den an sich dienlichen Städteplan im Hotel liegen lassen.

 

Um den Weg ins goldene Gässchen nicht zu verpassen, sprach das zufällig vorbeikommende Ehepaar an, um sie um den Richtungshinweis zu befragen.

 

Ich höre heute noch in meiner Rückbesinnung die freundlichen Worte der Beiden, die uns den Hinweis gaben, dass wir unmittelbar vor dem Eingang zur goldenen Gasse stünden, boten sich dabei an, und bei dem Gang durch diese Prager Weltkulturerbe zu begleiten.

 

Anschließend luden uns die Beiden zum Abendmahl in ihre Wohnung in unmittelbarer Nähe zur Moldau ein.

 

An diesem Abend entwickelte sich eine enge Freundschaft mit gegenseitigen Einladungen.

 

Wie gesagt, durch diese Verbindung kannte ich auch am Wenzelsplatz jedes gute Hotel und Lokal.

 

Mit Ricardo Rücker besuchte ich die Huberts-Klause, aßen einen köstlich hergerichteten Schweinebrauten mit Semmelknödeln und delikater Pfefferrahmsoße, als Nachspeise wurden uns leckere Pallasschinken gereicht.

 

Ricardo Rücker und ich erfreuten uns danach gerade an einem kühlen Korbaschoff Sekt, als eine hellblonde Dame in einem kniefreien Kleid sich an Ricardo heranmachte.

 

Dieser schien Gefallen an der dem Grunde nach aufdringlichen Kleinen gefunden zu haben, und so blieb es zu meiner Überraschung nicht aus, dass er ihrer Bitte entsprach, mit ihr auf seine Kosten eine Flasche Champagner zu köpfen, und sich letztlich auch mit ihr in ihre Wohnung zu begeben.

 

Ricardo Rücker lies mich in der Hubertus-Klause allein zurück.

 

Ich ja noch reichlich Sekt vor mir stehen, als Ricardo urplötzlich wieder vor mir ankam, offensichtlich hatte seine Affaire mit der Hure nicht lange angehalten.

 

„Hat das nicht geklappt mit Euch Beiden?“ fragte ich Ricardo, doch was er mir dann gestand, überraschte mich noch mehr.

 

„Stell Dir fas einmal vor,“ als ich bereit war, meine zuhause verbliebene Marlene zu betrügen, entdeckte ich, vor der nackten Hure liegend, dass ihr Venushügel von unzähligen Flöhen übersät war.

 

Hou. Hou. Hou!“ lachte er lauthals, „das wäre noch schöner als schön, wenn ich mir von dem Luder noch Sackflöhe angelacht hätte.“

 

Mit diesem ihn bezeichnendem Lachen setzte er sich wieder zu mir, und half mir, den übriggebliebenen Sekt auszutrinken.

 

Gemeinsam begaben wir uns darauf wieder ins Hotel.

 

Noch auf der Heimreise bat mich Ricardo darum, nicht von dem, was er erlebt hatte, seiner Marlene zu berichten, was ich auch gerne bestätigte, denn was tut man nicht für echte Freundschaften?

 

Wieder zuhause lud Ricardo mich und meine Frau zu einem Festmahl ein, bei dem ich auch seine ihm von seiner alles um sie herum beherrschende Mutter bestellte Lebensgefährtin Marlene kennenlernen durfte. Zu ihr entwickelte sich eine enge Beziehung meinerseits.

 

Sie hatte eine wunderbare Singstimme, und mit ihr traf ich immer dann, um deutsche Volkslieder auf Band zu singen, wenn Ricardo draußen in der Welt seiner Arbeit zu tun hatte.

 

Zu meinem Leidwesen endete unser Singkreis in dem Moment, als Marlene sich unverhofft von Ricardo trennte, wohl ahnend, dass dieser doch nicht ein zuverlässiger Lebenspartner war, sein aufregendes Hou. Hou. Hou-Gelächter war daran bestimmt nicht schuldig.

 

Ich war mit meiner VESPA in der Kurve einer Straßenbahnschiene gestürzt, und lag nun mit erheblichen Beschwerden im städtischen Krankenhaus neben einem Spediteur etwa gleichen Alters aus Frankfurt, mit dem ich mich in relativ kurzer Zeit anfreundete, und der mir davon erzählte, dass ihm sein bisheriger Betriebsleiter hinweggestorben sei.

 

In diesem Moment dachte ich an Ricardo, von dem ich wusste, das er seiner Position als RZ-Leiter wegen Dopings überdrüssig geworden war, und empfahl ihn aus diesem Grunde bei meinem Zimmernachbarn, der sich über meinen Vorschlag sehr erfreut zeigte, und Ricardo tatsächlich unmittelbar nach deiner Entlassung aus der Klinik auch fest einstellte.

 

So war Beiden geholfen, doch wenn ich geglaubt hatte, dass Ricardo mir gegenüber jetzterst recht dankbar sein würde, sah ich mich schon kurze Zeit später bitter enttäuscht.

 

Gerade um diese Zeit hatte ich mich, ohne zwingende Gründe dazu entschlossen, mich von Der ELEKTRONA VAG zu trennen und als Geschäftsführer einer Unternehmensberatung GmbH selbständig zu machen. Meine Beratungsleistungen fanden schnell innerhalb der BRD zustimmende Anerkennung, während ich immer noch bei der ELEKTRONA VAG beschäftigt war, was ich in einer diesbezüglichen Referenzliste allerdings nicht zum Besten gab.

 

Als ich nun Ricardo bat, ihn ebenfalls auf der Referenzliste aufführen zu dürfen, lehnte er dies spontan in einem Mahnbrief an mich ab, in dem er mir auch drohte, auch ein diesbezügliches Schreiben an die Geschäftsleitung der ELEKTRONA VAG zu senden, wenn ich nur noch einmal seinen Namen auf einer meiner Referenzlisten bemerken können.

 

Von diesem Zeitpunkt an half auch sein ewiges Hou, Hou, Hou, Hou, Hou-Gelächter nicht über die Tatsache hinweg, dass eine bis dahin gute Freundschaft verloren ging.

 

Für mich aber blieb Ricardo als der Lach-Eumel erhalten.

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Artur Hüttemann).
Der Beitrag wurde von Artur Hüttemann auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.10.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Artur Hüttemann als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Da Wulf is holt a oama Teifl von Jannes Krinner



Jannes Krinner hat ein spezielles Rezept für Ohrwurm-Gedichte. Er bedient sich der Brutaltität und Härte alter Märchen und nutzt die trockene Wortgewalt steirischer Mundart für seine sich oft weit vom Original entfernenden Geschichten.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Humor" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Artur Hüttemann

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der Gang zum Friseur von Artur Hüttemann (Alltag)
Aufsatz vom Karli über verschiedene Tiere von Margit Kvarda (Humor)
ein ganz normales Abendessen mit zwei Schul-Kindern von Egbert Schmitt (Schule)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen