Die Botschaft der Botschaft e in der neuesten Wochengeschichte und den Dreisatzroman, beides aus meiner Feder Er-kündigen:
AMBASSADE DES ÎLES REPRODUCTION
An regnerischen Tagen liebe ich es in der kleinen Stadt, in der ich wohne herumzuschlendern. Neue Strassen zu entdecken. An Haustüren Namen und Gewerbe zu erforschen. Was habe ich innerlich geschmunzelt, meinen Schatten sogar zum sonnigen Lachen gebracht, als ich vom Zahnarzt Dr. dent. Pein las. Ich wundere mich immer wieder, dass ich in meiner Heimatstadt mit knapp 45.000 Einwohnern Erstaunliches und Neues entdecke. Bistros, die erst kürzlich ihre Pforten öffneten. Herzhaften Bratenduft, der aus einem Küchenfenster in die Strassenebene wallt. Dann die Kaffeerösterei, die meinen Gaumen zur Weissglut reizt, denn ohne das kleine heisse Ristretto Tässchen wird er mit der Expresspost der roten und nicht der blauen Blutbahn, bald Krokodils-Tränen über das Verpasste in meine Augenhöhlen senden.
Heute habe ich reiche Beute bei meinem Stadtbummel erlegen können: Eine vegane Metzgerei mit biologischen Produkten nur aus unserer Region. Sie verspricht im Schaufenster biologische, ungeschlachtete, auf heimischem Boden gewachsene Lämmchen als Tagesspezialität zu geschlagenem Preis. Und nicht weit von der veganen Schlachterei in einer Seitenstrasse ein grosses Gebäude. Aus Holz. Mit ausgesägten Verzierungsbalkongeländern. Passt hervorragend zum polierten, grossflächigen klingellosen Schild in reiner Bronze die wie Gold im Nachregenabendsonnenlicht leuchtet. Auf ihm in kunstvollen dreidimensionalen Buchstaben, die den Blick der Betrachter, auch den meinigen magisch anziehen: AMBASSADE DES ILES REPRODUCTION. Auffallend ist, dass das Dächlein auf dem I des Wortes ÎLES fehlt. Hat ein Wirbelsturm, ein Hurrikan der Stärke 6 gewütet, als es erstellt wurde? Denn es muss sich, das nach meinen im Schulfranzösisch stecken gebliebenen Sprachkenntnissen nach, mein Lehrer würde sich darob im Grab umdrehen, auf ebendiesem Wort befinden. Entschliesse mich keinen Fake News Raum zu lassen, direkt in der Botschaft nachzufragen.
Ambassade? In unserer Kleinstadt? Seltsam. Doch nachvollziehbar. Hier ist der oder die Botschafterin eines wohl winzigen Staates eine Persönlichkeit erster Güte. In der Hauptstadt bestimmt unter ferner liefen im 162.ten Rang. Suche die Klingel. Oder den mit Palmöl geschniegelten, zur Holzkonstruktion passenden Klopfer. Nicht auszumachen. Greife nach meinem Handy. Siri nach der Nationalhymne der ÎLES Reproduction, selbstverständlich inklusive davon gewehtem Dach, das stolz auf dem I zu thronen hat, fragen. Denn nicht umsonst hatte ich bei den Sängerknaben unserer Stadt bis zum Stimmbruch erfolgreichen Unterricht. Ersang mir damals damit die Promotion in die nächsthöhere Klasse. Wäre sonst sitzen geblieben. Sogleich erscheint ein Notenblatt auf dem Display meines Smartphones, das mir mehr als heilig ist. Räuspere mich. Hole tief Luft, auf dass mein Klangkörper, wenn auch falsch, doch überlaut klingen möge.
Und tatsächlich erscheinen auf dem Holzbalkon livrierte Menschen, die samt kleinem Hündchen alle in Habachtstellung und Hand oder Pfote auf dem Herz, meinem Gesang aufmerksam folgen. Mir darauf das Haupttor sperrangelweit öffnen, mit Handzeichen den Eintritt weisen. Werde in einen ausser einem langen Tisch leeren Raum geführt. Auf diesem das fehlende ^ bereits von allen Seiten angeknabbert, als sei dieses dasjenige des Hexenknusperhäuschens. Wie ein Staatsgast schreite ich auf rotem Teppich voran in das nächste Zimmer. Dort stelle ich meine mich umtreibende Frage nach dem Fehlen des ^ auf dem Schild. Da erscheint eine als Mensch verkleidete Maus. Stellt sich auf zwei Pfoten und weist auf den Landesnamen hin. Bemerkt dazu, dass die Übersetzung in die hier geläufige Sprache Wiederholung bedeute. Und zwar mit IE geschrieben. Die Geschichte der Menschen beruhe auf steter Reproduktion wie das der Mäuse. Kriege, Lügen, Kämpfen, Vertreibungen, bei jenen die sich Humane nennen. Ein auf Verzweiflung deutendes Lachen erscheint jetzt auf dem Mäuse-Schnäuzchen. Bei uns Mäusen lebenslange Flucht vor Katzen bevor das kurze Leben in den tigerscharfen Zähnen der Miezen endgültig zu Ende geht.
Die Ambassade, in der ich hochwillkommen sei, habe die Aufgabe als Abhilfe das ^ zu verspeisen. Seit Jahrhunderten arbeite diese Botschaft daran. Doch den kurzen Mäusezähnen gelinge jeder Generation nur ein Millimeter kleines Stück. Und so wiederhole sich Geschichte auf dieser Welt immer weiter, bis das Dach vollkommen verspeist und verdaut sei.
Er oder sie, ich kann das Geschlecht des oder der Botschafterin nicht bestimmen, bittet mich als Dächleinfresser als Beamter 3.Ranges zu bleiben, um mit meinen grossen Zähnen beim Verspeisen mitzuhelfen. Ehrlich gesagt schmeckt das Gericht nach dem ersten Bissen wie Einheitsbrei, sodass ich meine neue Stelle auf der Stelle in der Probezeit kündige, fluchtartig die Ambassade ohne ein Stück ^ im Dogy-Bag einzupacken verlasse …
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
D I E I N S E L
Glückselig
Oder mehr mehlig
Die Insel auf der wir leben.
Leben oder mehr
Wie auf einer
Fliegenfalle
Kleben.
Wer will das
Schlussendlich
Genau bestimmt Wissen
Liegend auf der Erde Ruhekissen.
Herzlichst
François Loeb
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.11.2024.
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