Arno Abendschön

Wie mein Bad einmal beinahe unter Wasser gesetzt wurde

Ich langte nach dem Badetuch, um mich nach dem Duschen abzutrocknen. Es hängt gewöhnlich über der oberen Querstange der Kabinenwand, ich muss mich nach ihm recken und dabei ging mein Blick wieder zur weißgestrichenen Decke, gedankenlos heute. Wie oft hatte ich schon misstrauisch nach oben gestarrt: ob sich etwas zeige. Der Makler hatte mir seinerzeit versichert, der Schaden sei beseitigt, die Decke absolut trocken. Und beide waren wir nacheinander auf die alte Trittleiter gestiegen, vom Vorbewohner her, und hatten uns von der Unbedenklichkeit der kinderhandgroßen Verfärbung überzeugt. Ich hatte die Stelle dann beim Renovieren übermalen lassen; drei Jahre seitdem vergangen.

Da waren jetzt wieder Flecke! Kein einzelner, sondern Flecke von verschiedener Größe, schön aufgereiht auf langer Bahn. Ob ich mich auf diese Entdeckung hin auch verfärbte, gut möglich. Ich trocknete mich hurtig ab, griff wie immer zur Flasche mit der Lotion, um sie gleich wieder zurückzustellen - keine Zeit jetzt fürs Eincremen. Noch ein Blick nach oben: wie das feucht glänzte. Wurden sie schon größer? Es schien mir fast so.

Ich hatte Glück, der Hausmeister ging gleich ans Telefon und kam sofort. „Das sieht bös aus, sieht ganz nach Leckage aus“, sagte Herr Feininger, „ich geb’ sofort oben Bescheid. Vielleicht müssen sie was abdrehen.“ Beruhigend, dass ich mich mit dem Mann so gut stehe.

Dennoch banges Warten meinerseits. Ich wollte die Flecke nicht nur hypnotisieren, ich holte die alte Leiter und stand auf dem obersten Tritt und prüfte mit dem Zeigefinger. Gewiss, es fühlte sich feucht an, wenn auch nicht gerade klatschnass. Wahrscheinlich sickerte es schon seit gestern in die Decke hinein.

„Frau Weißwasser kann nichts abdrehen, sie hat gar nichts laufen“, berichtete der Hausmeister. „Die Quelle müsste in der Decke sein. Tja, so ist das, wenn die Eigentümer die Strangsanierung immer weiter hinausschieben …“ Ich schwieg schuldbewusst. Tatsächlich besaß Herr Feininger inzwischen Routine im Umgang mit solchen Havarien und die Versicherung hatte bereits mit Haftungsbegrenzung gedroht. Er würde jetzt erst telefonisch die Kostenübernahme der Hausverwaltung einholen müssen …

Es zog sich ein bisschen hin. Mir schien, die Flecke nähmen nicht nur an Größe, sondern auch an Farbkraft zu. Spielte es nicht schon ins Bräunliche? Das sagte ich später auch dem Klempner. Er äußerte sich dazu nicht, bestieg die Leiter und nahm oben einige manuelle Abstriche.

„Es kommt mir etwas schmierig vor“, sagte der Fachmann und roch an seinem Finger. „Hm, da ist ein seltsamer Geruch, nicht das, was sie jetzt vielleicht denken – es riecht irgendwie fein. Ein Rätsel – lösen wir es oben!“ Und er verschwand für lange Zeit. Ich hörte ihn über mir immer wieder hämmern und bohren.

Sein Bescheid kam gegen Mittag. Er hatte den Fußboden aufgestemmt, die Leitungen seien trocken, nirgendwo eine Spur von Feuchtigkeit in der Decke. Ob bei mir hier unten etwas passiert sei? Mit dieser neuen Rätselaufgabe ließ er mich allein. Und ich löste sie …

Ich sah mich im Bad um. Hatte ich versehentlich beim Duschen den Wasserstrahl gegen die Decke gerichtet? Wie sollte das die Beschaffenheit der Flecke erklären, ihre Farbe, ihren Geruch? Das konnte es nicht sein. Mein Blick wanderte über alle Gegenstände im Raum und blieb endlich an der Plastikflasche mit der Lotion hängen. Auf einmal sah ich mich am Vortag mit ihr hantieren. Sie war fast leer und wie immer war ich bestrebt gewesen, das letzte Quäntchen herauszuholen und zu verwerten. Ich habe dazu mein eigenes Verfahren: umstülpen, kräftig schütteln und mehrmals hintereinander mit der flachen Hand gegen die Unterseite schlagen. Das führt zu kleinen Explosionen, die recht ergiebig sein können. Und oft spritzt und verteilt sich die Substanz dabei zum Teil auf dem Boden und an der Kachelwand. Gestern allerdings, erinnerte ich mich jetzt, war der Strahl senkrecht nach oben gegangen. Aber an der Decke waren keine Flecke zu bemerken gewesen, erst heute waren sie sichtbar. Mysterien der Oxidation? Man hätte in Chemie besser aufpassen sollen.

Nur noch schnell eine E-Mail an die Hausverwaltung schreiben! Da leider die Ursache der Durchfeuchtung nicht festzustellen sei, werde ich schreiben, sie jedoch vermutlich nicht im Gemeinschaftseigentum liege, seiest du bereit, die Kosten der Renovierung in der Nachbarwohnung zu erstatten – so ungefähr. Nicht dass aus der Leckage noch eine Blamage wird.

 

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