Heinz Lechner

Schokoriegel

Ich denke, man kann sagen, meine Frau, meine 15 jährige Tochter und mit grossen Abstrichen auch ich, ernähren uns nahezu vorbildlich.
Schuld daran ist meine Tochter, die vor etwa einem Jahr beschlossen hatte, sich zukünftig nur noch vegetarisch zu ernähren. Wir waren begeistert!
Etwas später kam es noch zu einer Steigerung: vegane Ernährung.
Ein gutgemeinter Protest gegen ihre,- wie wir meinten - kurzlebige Spinnerei, trug keine Früchte, und so ließen wir sie gewähren. Immerhin kam sie
unserem Wunsch nach, zusätzlich B 12 Präparate einzunehmen.
Im Laufe der Zeit hat sich diese Art der Nahrungsaufnahme in ihrem Leben so sehr etabliert, dass sogar wir Alten beschlossen, unsere Ernährung
ein klein wenig anzupassen und weniger Fleisch und Wurstwaren zu verkonsumieren. Zusätzlich beschloss ich, meinen Süssigkeitenverbrauch stark
zu reduzieren.
Da wir sehr stolz auf unser Kind waren, wollten wir es ihr nachtun, - in Maßen natürlich!
Im Schlafzimmer hatte ich mir schon vor Jahren ein kleines Süssigkeiten - Lager geschaffen. Es befand sich in unserem Schlafzimmerschrank und
bestand aus einem grossen Schuhkarton, der eingebettet war in meinem Unterhosen-Abteil. In dieser Kiste befanden sich zumeist folgende
Köstlichkeiten: Nussschokolade mit ganzen Nüssen, Cashewkerne, Gummibärchen, Müsliriegel, Schokokekse, Cantuccinis und auch Zartbitterschokolade
für das gute Gewissen. ( Früher hatte ich die süssen Produkte einzeln zwischen den Kleidungsstücken platziert, was aber immer mehr zu einem Chaos
ausgeartet war. Außerdem kam es wegen von mir angeknabberten und nicht wieder ordentlich verpackten Schokoladentafeln des öfteren zu peinlichen
Missverständnissen, - wegen den Unterhosen.)
So hatte also auch ich versprochen, meine Essgewohnheiten etwas zu ändern. Ich beschloss, keine Süssigkeiten mehr einzukaufen und so schrumpfte
also der Inhalt meines Notlagers immer mehr, bis schließlich das letzte Rippchen Schokolade feierlich in meinen Magen wanderte.
Dann begannen die Probleme.
Die ersten Tage gab es abends als Nachspeise Apfelscheiben, Nektarinen, Nüsse, Bananenshakes oder Fruchtjoghurts. Anfangs klappte das recht gut.
Aber bald wurde mir bewusst, wie wichtig mir die kleinen süssen, schokoladigen Häppchen im Laufe der Jahre geworden waren und ich eigentlich auch
weiterhin nicht ohne sie leben wollte.
Ich fragte mich immer öfter, aus welchem Grunde ich mich in meinen letzten Lebensjahren zu kasteien hätte. Musste das sein?
Hinzu kam, dass ich mir just an diesen Tagen eine App auf mein Smartphone geladen hatte, welche mir versprach, meine Lebenserwartung zu
berechnen. (Die gibt es wirklich!) Nachdem ich etwa zwölf Fragen beantwortet und mir einen Grabstein ausgewählt hatte,( die Auswahl ist leider sehr begrenzt,
kann man aber gegen einen kleinen Aufpreis vergrößern ) gab mir diese App bekannt, dass ich mein Lebensende für den 19.07.2032 zu erwarten hätte.
Und obwohl ich doch wusste, dass dies alles nur als ein skurriler, sehr abgeschmackter Spaß gedacht war, beruhigte mich diese Mitteilung ungemein.
Ich selbst hatte meine Lebenserwartung nicht so hoch eingeschätzt. So beschloss ich also, aufgrund dieser Neuigkeiten, nicht zu streng mit mir sein zu wollen
und nahm mir vor, zukünftig einen, wirklich nur einen, - einen einzigen - Schokoriegel nach dem Abendmahle zu gönnen.
Also begann ich mir ein neues, aber viel kleineres Süssigkeiten - Depot anzulegen. Meine Tochter, der ich von meinem Vorhaben unterrichtete, brachte
Verständnis für meine Schwäche auf, aber bat mich, ihr die Lage des neuen Lagers geheim zu halten, um sie nicht in Versuchung zu führen.
Nach langer Überlegung kam mir schließlich die geniale Idee, Bücher, die sich in einem etwas tieferen Regal befanden, etwas weiter vor, bis an den Rand
zu stellen, sodass ein Leerraum entstand, in dem ich meine Schokoriegel unauffällig platzieren konnte.
Seit dieser Zeit also gehe ich immer wieder mal, möglichst unauffällig hinüber ins Schlafzimmer, hole einige Bücher aus dem Regal und verspeise dort leise
einen Schoko - Müsliriegel, - nicht verstohlen und klammheimlich, aber doch unauffällig und mit Diskretion. Ich fühle mich gut dabei und bilde mir ein, dass es mir,
seit ich die Süssigkeiten reduzierte, körperlich besser geht.
Dass mein Versteck so bald gefunden wird, habe ich wohl nicht zu befürchten, denn vor meinen Riegel - Lager befindet sich eine Schutzmauer
aus Dostojewski, Kant, Fontane, Camus, Gogol, Roth, Frisch und Hesse.
Aber halt, - da fällt mir ein: Hesse ist gefährlich, der wird gerne von jungen Leuten gelesen. Am besten ersetze ich ihn durch Storm´s Schimmelreiter.


 

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