Wieder eine dieser Nächte, in der kein Bewohner von Yamanaka Schlaf oder zumindest Ruhe fand. Sie waren zu nervös, zu ängstlich. Die Anspannung in ihnen blieb ungelöst und so gingen sie hinaus auf die Straßen. Wie Motten zum Licht, taumelten sie zu dem Haus in dem der Mann wohnte. Der Mann, der Yamanaka nun schon seit Wochen die Ruhe raubte.
Vor dem einfachen Holzhaus fand sich so wieder eine nervös tuschelnde Menschenmenge ein. Einige sagten der Bewohner von dem Haus sei verrückt geworden. Andere meinten ein Fluch sei über ihn gekommen. Die, die sich für gebildet hielten, waren sicher der Mann habe paktiert und es hinge offenkundig damit zusammen, dass die Welt sich weiterbewegt hatte. Ganz ängstlich flüsterten aber auch einige, dass das das Werk der Weißen Frau aus den Wäldern sei.
Die Menge schwieg als der Dorfvorstand mit ernster Miene in ihre Mitte trat. Die Leute musterten den alten Mann mit seiner feinen Kleidung und versuchten abzuschätzen, was er tun würde. Doch niemand wagte es ihn anzusprechen, niemand wollte seinen Zorn auf sich ziehen.
So kam der Dorfvorstand zu der Hütte, atmete einmal tief durch und betrat die Stube ohne zu klopfen.
Innen brannte Licht und das Ehepaar, das hier in ärmlichen Verhältnissen lebte, begrüßte ihn – sie hatten ihn erwartet.
Der Vorstand wurde direkt laut und sein Zorn verzerrte sein altes Gesicht: „Es ist respektlos, dass du meiner Einladung nicht folgst. Du solltest dankbar sein, dass ich mich dazu herablasse mit meinem Anliegen zu dir zu kommen.“
Wie eingemeißelt blieb sein Gesichtsausdruck im Kerzenschein, während er als Antwort von dem Mann hörte: „Es tut mir leid, Herr. Sie wissen es ist nicht respektlos gemeint. Ich kann nicht hier raus. Danke, dass Sie zu mir kommen. Was ist denn Ihr Anliegen?“
Der Vorstand legte nun seinen besorgten Ausdruck an: „Die Leute glauben, dass du verrückt geworden bist. Du arbeitest nicht mehr. Deine Frau macht alles für dich und deine Kinder. Und das alles bloß, weil du da nicht mehr raus möchtest?“
Die Frau, die wie ihr Mann ungefähr dreißig Jahre zählte, wirkte nervös. Sie antwortete dennoch mit fester Stimme: „Ich unterstütze ihn dabei. Er fühlt sich einfach seit Jahren nicht mehr wohl. Vielleicht ist das die Lösung.“
Wieder mit wütenden Zügen antwortete der hohe Besuch: „Was für eine Lösung soll das denn sein? Hier ewig in diesem Ding zu sitzen.“ Er dachte kurz nach, sah dabei erneut besorgt aus.
Dann festigte sich sein Blick. Der Dorfvorstand hatte sich entschieden: „Nein. Es tut mir leid. Du musst dich entscheiden. Entweder du bleibst für immer da drin und es soll dir von heute an verboten sein herauszukommen oder du kommst jetzt sofort da raus.“
Die Frau schaute angespannt schräg nach unten in Richtung ihres Mannes und nickte nach einem Moment des Abwägens.
Der Dorfvorstand wagte nun endlich einen bewussten Blick auf den Mann zu werfen. Dieser saß nackt in einem großen Kessel, der mit Wasser gefüllt war. Seine Haut wirkte seltsam aufgeweicht und an manchen Stellen dunkel verfärbt.
Der Mann antwortete mit trotziger Stimme: „Dann bleib ich für immer im Wasser.“
Der Dorfvorstand antwortete enttäuscht: „Dann sei es so.“, drehte sich um und verließ die Hütte durch die Tür hinter sich.
Zwei Jahre später trug die Frau des Mannes mit Hilfe von einigen Dorfbewohnern den Kessel über den Bootssteg.
Sie blickte in den Kessel: ein Oktopus schwamm darin.
Sie sagte: „Nun kannst du endlich frei sein.“ Dann kippte sie den Oktopus ins Meer.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.04.2025.
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