Bitter gallig brodelt es nun aus mir hervor: „Der Kerl hat mich betrogen von Anfang an ohne Skrupel. Es war wie ein Schema: Wenn er nichts Gekochtes von mir aß und üppig badete, dann war eine neue Liebe fällig. Irgendwann zog ich aus und wohnte für Wochen bei meiner Schwester, bis sich die Lage beruhigte.“
Himmel, das ist immer noch furchtbar im Nachhinein. Ich habe das alles verdrängt.
„Aber es änderte sich nichts und irgendwann ging es nicht mehr. Also Trennung. Und sogar dabei musste ich vorsichtig sein. Wegen meiner Kater, die ich beschützen wollte, denn er war ein rachsüchtiger Kerl.“ Oh Gott, ich will nicht mehr an diese Zeiten denken!
„Er ist ähnlich und auch unberechenbar“, sagt sie leise. „Er hat sich vor ein paar Jahren - da waren wir zur Silberhochzeit deiner Eltern eingeladen - in das Kellergeschoss geschlichen, wo du und deine Schwester geschlafen haben ...“
„Ach du Scheiße, er war das? Er wollte sich an meine kleine Schwester ranmachen und ich habe ihn rausgeschmissen!“
„Sag mir nun, was ich mit ihm anfangen soll.“
Oh je, ich habe jahrelang auch stillgehalten und deswegen kann ich dieser Frau keinen Rat geben.
„Ich weiß es auch nicht“, gebe ich zu, „so eine Trennung ist schwer. Und wenn man dann noch verheiratet ist und auch noch Kinder hat, ist es bestimmt noch viel schwerer. Aber du kannst jederzeit zu mir kommen, falls du das willst. Denn wir haben vieles gemeinsam. Himmel, du bist so hübsch und liebenswert und solltest deine beste Zeit im Leben nicht mit so einem verplempern.“
„Ich überlege noch, denn wir haben zwei Söhne und der ältere hängt sehr an ihm“, sagt sie schließlich. „Aber ich will auch ehrlich zu dir sein: Ich habe mit Georg geschlafen, und das war auch eine Art Racheakt. An meinem Mann natürlich. Und nicht an dir.“
Diese Frau hat also mit Georg geschlafen?
Das trifft mich jetzt unerwartet. Ich glaube, ich muss das erst mal verdauen. Aber ich kann sie verstehen. In der gleichen Lage, wie ich einst war, hat sie sich gewehrt und mit einem anderen Mann geschlafen. Das muss ich akzeptieren.
Kurz darauf fällt mir ein, dass ich Georg von dieser Bäckermeistersache geschrieben habe. Und er hat zurückgeschrieben, dass er einen Vorteil dadurch gehabt hätte. Ach! Das war der Vorteil? Ist ja interessant! Diese Frau ist viel hübscher als ich und bestimmt auch viel begehrenswerter. Nein, ich werde jetzt nicht verzweifeln wegen einer unbestimmten Vergangenheit. Muss überlegen ...
„Okay ...“, sage ich zögernd. „Ich nehme dir das nicht übel. Aber wenn du jemals versuchst, Georg anzumachen, dann ist Schluss mit unserer Freundschaft! Und vielleicht solltest du nicht stumm in einer Ecke sitzen, während dein Mann mit anderen Frauen rummacht. Du hast doch alle Möglichkeiten, du bist hübsch und du bist klug, verdammt noch mal! Also spiel deine Karten aus, Stephanie!“
Wir umarmen uns zum Schluss und ich glaube, ich habe eine Freundin gewonnen, zwar eine, die mit meinem Mann geschlafen hat, doch das ist schon ein paar Jahre her. Und ich werde ihr helfen, den richtigen Kerl zu finden. Sie muss selbstbewusster werden.
Also Stephanie mit Georg. Sollte ich ihn danach fragen? Nein, werde ich nicht tun. Er hat mir ja geschrieben, dass er es mir erzählen würde, falls es nötig wäre. Warum hat er mir es mir nicht erzählt? Weil es keinerlei Bedeutung für ihn hat? Oder zu viel Bedeutung? Ach was, die Vergangenheit ist vorbei. Und ich muss zurück in die Großstadt. Aber nicht mehr für lange.
Zwei Wochen später: Georg begrüßt mich lieb. Will heißen, wir landen sofort in unserem Bett in unserem Haus. Und ich will mit ihm verschmelzen, er über mir und dann ich über ihm. Als zweites ich über ihm: „Halt still“, flehe ich ihn an. „Und mach die Beine breit! Ich will nämlich wissen, wie man sich als Mann so fühlt.“
Georg gehorcht mir und macht die Beine breit.
Ich bewege mich erst mit geöffneten, dann mit geschlossen Beinen auf ihm. Es ist gut, nein, es ist super, bis ich mich schließlich voll auf ihn sinken lasse. Es passiert: Ich kann nur noch keuchen vor Lust, es ist irre, es ist wunderbar, mein Körper ist, ja wo ist? Er löst sich auf in lustvolle Zuckungen, ich vergehe und stöhne nur noch in Georgs Mund hinein. Es hört einfach nicht auf und ich bin immer noch atemlos.
Wir liegen erschöpft und befriedigt nebeneinander.
„Wir sind doch jetzt verlobt, oder nicht?“, sagt er nach einer Weile.
„Ich denke schon. Warum? Hat das eine Bedeutung?“
„Ich werde dir einen Verlobungsring schenken.“
„Wozu? Ich brauche keinen Ring, ich brauche nur dich.“
„Mein Stern, ich will dich heiraten und du kriegst einen Ring von mir!“
Wenn er so bestimmend spricht, kann ich ihm kaum widerstehen.
„Ich trage nicht gerne Schmuck, aber wenn er von dir wäre, könnte er aus einem Kaugummiautomaten kommen.“
Georg überlegt eine Weile und sagt dann: „Falls er also aus einem Kaugummiautomaten kommen könnte, wie sollte er dann aussehen?“
Ich habe keine Ahnung, doch dann fällt mir was ein: „Ich mag blaue Glassteine, sie passen zu meinen Augen. Vielleicht viereckig und abgerundet. Und Silber geht gut dazu. Ach was soll’s, ist doch egal.“
Georg küsst mich und ich denke nicht mehr an so einen Quatsch wie einen Verlobungsring.
Danach besuche ich meine Katzen. Werden sich die Katzen mit Georgs Hund Arnie verstehen? Müsste man antesten und wenn es nicht klappt, dann bleiben sie bei Daddy und seiner Djenny. Der bringe ich aus der Großstadt immer eine Bluse mit, die ihr vielleicht gefallen könnte. Oder eine Handtasche. Sie kümmert sich ja um die Katzen und ich mag sie sehr.
Das Wochenende geht immer viel zu schnell vorbei. Georg und ich verabschieden uns zärtlich voneinander und ich fange fast an zu weinen. Er zieht mich an sich und sagt: „Nicht weinen, mein Stern! Es dauert ja nicht mehr lange.“
Ja, dem Himmel sei Dank dauert es nur noch drei Wochen, denn ich habe noch so viel Urlaub, dass ich mich früher vom Stadtacker machen kann.
Meine Freundin Andrea ist zu Besuch bei mir. Sie wird meine Wohnung übernehmen mit fast allen Möbeln und sitzt schon mal Probe auf dem großen Sofa.
„Ich kann mich nicht dran gewöhnen, dass du fortziehst. Wir hatten doch so viel Spaß miteinander.“
„Ja, stimmt, hatten wir. Aber das geht so nicht mehr.“
In diesem Moment schellt es - ich öffne die Tür, sehe Georg vor mir und falle ihm um den Hals.
„Sachte, sachte, mein Stern“, sagt er. Er küsst mich und ich küsse ihn. Küsse ihn sehr intensiv, bevor ich mich von ihm löse.
Wir gehen ins Wohnzimmer und ich stelle ihn vor: „Das ist Georg! Und ich freue mich unheimlich, dass er gekommen ist.“
Andrea schaut ihn anbetend an, Himmel, Georg ist super, Georg ist mein Geliebter - und demnächst auch mein Mann im wahrsten Sinne des Wortes.
Andrea meldet sich zu Wort: „Lieber Georg, gibt es von deiner Sorte noch mehr im Heimatdorf?“
„Nein“, fahre ich ihr empört ins Wort.
„Könnte sein“, sagt Georg gerade, „da sind Schätze zu heben, von denen du dir keine Ahnung machen kannst ...“
Ist das anzüglich gemeint? Ich denke ja, denn er kennt Andrea aus meinen Erzählungen.
„Jetzt verstehe ich auch, dass Tony mir damals Schläge angedroht hat für den Fall, dass ich dich jemals verführen sollte ...“
Ich schaue Andrea entsetzt an. Daran erinnert sie sich noch?
Georg fängt an zu lachen und zieht mich an sich: „Du warst damals schon eifersüchtig auf mich, mein Stern?“
Jetzt bin ich voll verlegen, druckse herum und muss schließlich zugeben: „Ja, vielleicht ein bisschen ...“
Andrea sagt: „Tony ist doch die Großstadt gewohnt. Kannst du es verantworten, sie in ein Dorf zu bringen, wo absolut nichts los ist?“
Georg antwortet unverzüglich: „Und was ist los in den Großstädten? Vielleicht gibt es mehr Kultur, mehr Restaurants und mehr Kontaktmöglichkeiten, die dann doch im Sande verlaufen. Das alles haben wir auch auf dem Lande, nur ist alles ein bisschen weiter weg. Und ich würde Tony nie zu etwas zwingen. Ich könnte genauso gut in der Großstadt arbeiten, möchte ich zwar nicht, aber falls Tony das will, dann gerne!“
„Andrea, es ist gut! Niemand hat mich gezwungen, nach Daarau zu ziehen. Kann sein, dass ich mir von Georg was erwartet habe. Aber auch wenn diese Träume sich nicht erfüllt hätten, würde ich trotzdem dort leben wollen. Alles klar? Du kannst aber jederzeit im Dorf vorbeikommen, und ich würde mich immer drüber freuen.“
Es dauert eine Weile, doch dann sagt Andrea: „Und ihr wollt wirklich heiraten? Finde ich toll!“ Es klingt irgendwie lüstern. Die Schätze, die in meinem Heimatdorf zu heben sind, haben sie wohl inspiriert dazu.
Und wieso komme ich immer an solch erfahrene Männer wie Hardy und Georg? Es hat zwar seine Vorzüge, aber ich mache mir auch Gedanken darüber, zum Beispiel wegen Stephanie, mit der Georg geschlafen hat.
Und Georg scheint kein bisschen eifersüchtig auf Hardy zu sein. Und falls er es doch sein sollte, dann teilt er mir seine Bedenken nicht mit.
Kurz danach geht Andrea und ich bin endlich allein mit ihm. „Ich habe dich so vermisst!“ Ich fange an ihn zu streicheln, fange an ihn zu küssen...
„Warte“, sagt er. „Ich möchte dir etwas geben, denn ich will, dass es richtig ist.“
„Was kann denn richtiger sein als du und ich zusammen?“
„Es ist nur ein Symbol dafür.“
Es ist ein Ring, den er mir geben will. Wunderschön ist er, unauffällig und schlicht mit einem hellblauen achteckigen Stein, gefasst in Silber. Georg steckt ihn an meinen Finger. Er passt perfekt und beengt mich kein bisschen.
„Jetzt ist es offiziell mit unserer Verlobung. Willst du mich heiraten, mein Stern?“
„Oh ja, mein King, ich wünsche es mir so sehr, dass ich die Angst davor allmählich verliere.“ Georg küsst mich und ich küsse ihn.
„Warum bist du überhaupt hier?“, frage ich ihn schließlich. „Übermorgen wäre ich doch sowieso gekommen.“
„Es dauerte mir zu lange bis zum Freitag.“
„Mir auch. Sollen wir ins Bett gehen, oder hast du noch Hunger? Dann würde ich was für dich kochen.“
„Ich habe nur Hunger auf dich, mein Stern!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.05.2025.
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