Klaus Mattes

Mattes Husten 5 Der geheimnisvolle Rettungswagen

 

1999, April

Zu seinem zweiten Jochbeinbruch, noch einmal in der Nähe des linken Auges, dieses Mal oberhalb, kommt KM in einer späten Freitagnacht, als er - erst gut zwei Stunden nach Mitternacht - vom (leeren) Cruising-Gebiet Pomeranzengarten auf dem Fahrrad heimkehren will und dabei, obwohl er an der Kreuzung Wilhelmstraße/Wallstraße als Geradeausfahrer grünes Licht hat, von einem Linksabbieger im Auto frontal angefahren wird.
 

Dabei handelt es sich um Thilo Weitenau, einen jungen Schwulen aus Stromberg, den KM vom Sehen her kennt, der offenbar das schwule Lokal Club Paravent besucht hat, welches gleich hinter dieser Kreuzung liegt, und dort möglicherweise zu viel getrunken hat (wie vom „Paravent“ gewohnt, findet das weit nach dessen Sperrstunde statt). Der Unfall führt zu einer retrograden Amnesie bei KM, die nie wieder verschwindet. KM kann sich noch an den Gedanken erinnern, aber der fährt ja voll auf mich zu, dann wieder, wie er langgestreckt auf dem Grünstreifen neben dem Fußgängerübergang liegt, Blut im Gesicht, mit einem Mal unkontrollierbare Zuckungen mit dem Arm, dessen blutige Hand er gerade gesehen hat, machen muss. Derweil schnappt TW fast über vor Selbstmitleid. Mit seinem Handy telefoniert er hektisch. Es erscheint ein Rettungswagen von einem Dienst, den KM später nicht mehr wird zuordnen können. Es wird sich herausstellen, dass TW, statt Wehrdienst zu leisten, bei diesen Sanitätern immer noch ab und an mitarbeitet, es also Kollegen sind. TW bleibt in der Notaufnahme des Städtischen Krankenhauses Reuenthal an seiner Seite und fängt immer wieder davon an, man könne das doch auch ohne Polizei und Versicherungen regeln, er gebe ihm schon mal die Adresse, Telefonnummer und Mailadresse.

Es geht wohl darum, dass TW keine Blutuntersuchung bei sich durchgeführt sehen will und vielleicht auch einen Versicherungsbonus nicht verlieren will. Später wird es unmöglich sein, im Städtischen Krankenhaus Reuenthal zu recherchieren, welcher Notdienst KM in der fraglichen Nacht eingeliefert hat. Die Polizei hat keinerlei Kenntnis von diesem Unfall, obwohl Kliniken an sich verpflichtet sind, solche Geschehnisse zu melden. Die Kollegen von TW haben sich, so sieht es dann aus, in der Nacht schon darum gekümmert. KM bleibt für mehrere Tage auf Station, bekommt vier kleine Platten an seine zertrümmerten Knochen geschraubt, die später wieder entfernt werden sollen. Er informiert telefonisch seine Familie, der er später auch den Unfallverursacher, TW, benennt, allerdings nicht die exakte Unfallzeit, nicht die schwulen Begleitumstände. KM schildert den Fall schriftlich seiner Haftpflichtversicherung und schreibt TW, er komme wohl nicht umhin, jetzt seine Versicherung einzuschalten. Es müsse doch gesichert werden, dass KM nicht auf den Kosten für Brille und Fahrrad sitzen bleibt. TW antwortet hierauf nicht mehr.
 

KM besinnt sich darauf, dass er seit gut zehn Jahren, infolge einer Auseinandersetzung mit seiner Vermieterin und der in deren Namen als Hausverwalterin agierenden Maklerin über eine Rechtsschutzversicherung verfügt. (Man hatte anfangs versucht, eine 30-prozentige Mieterhöhung durchzukriegen, war dann auf Eigenbedarf umgeschwenkt, hatte, als KM die übrigen Mieter im Haus darüber informierte, auf fristlose Kündigung wegen Vertrauensbruch umgesattelt, der Mieterverein hatte beraten, aber keinen Rechtsbeistand aufbieten können.) Er sucht die Kanzlei Epple, Thoma und Partner in der Zoberlandstraße auf. Dort ist bis vor Kurzem noch der CDU-Landtagsabgeordnete Matthias Schächtele (1964-) einer von den Partnern gewesen (früher hatte er mehrere Jahre lang auf derselben Etage wie KM gewohnt). Ihm wird die Anwältin Dagmar Frommel zugeteilt, die TW einen Schriftsatz zuschickt, in dem sie eine Forderung nach Schadenersatz und Schmerzensgeld aufstellt und darauf abhebt, die Kreuzung Wall-/Wilhelmstraße wäre eine von Reuenthals best beleuchteten Kreuzungen und zur fraglichen Zeit habe es da überhaupt nur zwei Fahrzeuge gegeben: das Fahrrad, das bei grüner Ampel und geradem Weg die Wilhelmstraße hinab, Vorfahrt hatte, und TWs Kfz, das bei ebenfalls grüner Ampel links auf die Hauptverkehrsstraße eingebogen sei, also dem Radfahrer die Vorfahrt hätte lassen müssen. TW bzw. seine Familie überweisen den geforderten Betrag. Danach wird es nie wieder zu einem privaten Kontakt mit TW kommen. Sein derzeitiger Verbleib ist unbekannt.


 

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