Was war das? Ich höre jemanden atmen. Ganz deutlich! Lauschend halte ich den Atem an.
Stille! Absolute Stille …
Mein Herz klopft schneller, es dröhnt in meinen Ohren. Aber da ist es wieder, wie ein unterdrücktes Ausatmen.
Jetzt merke ich es: Wenn ich die Luft anhalte, höre ich es nicht mehr. Der Andere hält die Luft auch an. Und er atmet leise weiter, wenn ich es tue. Was hat er vor?
Meine Handflächen sind ganz nass. Ich habe kalten Schweiß auf der Stirn. Mein Magen krampft. Ich halte das nicht aus!
Warum sind sie nur so böse zu mir? In meinem Nacken spüre ich noch den festen Griff, der mich hier hineinstieß. Wie lange ist das her? Eine Stunde oder zwei?
Es ist völlig dunkel. Nicht einmal meine Hände kann ich sehen. Die Stufe, auf die ich mich noch schnell setzen konnte, bevor die Tür zugeschlagen wurde und das Licht ausging, ist kalt.
Meine Zähne klappern.
Da! In der Ecke, da schaut mich einer an. Mit feurigen Augen und strubbligen langen Haaren. Ein Monster? Spitze Zähne in einem aufgerissenen Maul ... Es kommt näher. Ich bekomme Gänsehaut. Furchtbar!
Ich halte mir die Augen zu. Obwohl ich ja eigentlich nichts sehe. Aber dieses Monster? Vorsichtig nehme ich die Hände wieder weg. Nichts mehr da.
Nur dieses Atmen des Anderen. Oder? Kann das sein? Das bin ich selbst. Ich höre mich atmen.
Da, ein Rascheln! Schleicht sich jemand an? Wie kann ich mich wehren? Vorsichtig taste ich um mich herum, da sind nur die kalten Treppenstufen. Unten, ganz unten, das weiß ich, steht eine Werkbank mit Hammer, Schraubenziehern, Zangen. Die könnten mir vielleicht helfen. Aber ich kann doch nicht hinuntergehen, dem Bösen entgegen?
Wie lange ist es her, seit das Licht ausging? Bestimmt einen ganzen Tag. Ob ich verhungere und verdurste? Werden sie es bereuen, wenn ich tot bin? Dann haben sie selbst Schuld!
Ein kalter Hauch – ist das der Atem dieses Monsters direkt vor mir? Ich kann es wieder erkennen, viel näher als vorhin. Ich werde nicht schreien! Vielleicht hat es mich noch gar nicht gesehen. Lieber verhalte ich mich still. Wenn ich den Atem anhalte, hört mich auch niemand.
Mir wird ganz schwindlig im Kopf, ich muss wohl doch atmen, aber ganz leise …
Laute Schritte nähern sich. Mein Körper erstarrt vor Schreck. Das Geräusch der Schritte dröhnt in meinem Kopf. Was wollen sie von mir? Soll ich mich verstecken? Aber wo?
Da wird es hell – meine Augen sind geblendet. Die Tür wird aufgerissen, dort steht eine dunkle große Gestalt.
»Komm, Thomas!«
Ich trotte hinter der Stimme her. Wie lange war ich im Keller, acht Stunden oder einen ganzen Tag und eine Nacht?
Auf dem Tisch im Wohnzimmer dampft noch mein Teller Suppe, wie ich ihn verlassen musste. Steffi blickt mich halb triumphierend und halb traurig an.
»Wirst du deiner kleinen Schwester noch einmal Angst machen vor Monstern mit langen Haaren und spitzen Zähnen, die unter ihrem Bett wohnen?«, fragt mich streng mein Vater.
»Nein, Papa! Das war doch nur Spaß ...«
Ich werde das nie mehr tun, arme kleine Steffi!
© Franck Sezelli
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Diese Geschichte ist gedruckt erschienen in 6. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2020 (Hrsg. Christoph-Maria Liegener). Sie ist eine gekürzte Fassung einer Geschichte, die ich für ein Schreibforum im Mai 2020 geschrieben hatte.
Die ungekürzte Fassung habe ich unter dem Titel Nur Spaß in mein Buch Schreiblust – Kurze Geschichten über dieses und jenes, ISBN 979-8829126087, aufgenommen, veröffentlicht im Mai 2022 bei Amazon. Als E-Book bei epubli im Juni 2022 erschienen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.10.2025.
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