Cindy Schrickel

Was für ein scheiß Tag

"Was für ein scheiß Tag.", das war das erste was Justice an diesem Morgen, wie eigentlich an jedem anderen Morgen auch dachte. Der Regen tröpfelte durch das kaputte Dach und es war eisig kalt, eine Heizung gab es nicht. Sie zog Amie ein wenig näher zu sich heran, so dass die Kleine auch schön warm steckte und nicht krank wurde, denn einen Arzt konnte sie nicht bezahlen, das wäre undenkbar. Jetzt musste Justice erst einmal was zu essen für die Kleine finden. Zum Glück sind die Menschen an den Feiertagen großzügig und geben etwas mehr Trinkgeld. Allerdings wollen diese schmierigen Typen auch mehr, je später der Abend wird. Es war Mittag, Amie schlief noch immer, sehr ungewöhnlich für ein kleines Kind von 3 Jahren, doch Justice hatte sie an ihren Lebensstil angepasst, sie hatte ja keine andere Wahl als ihre Mutter einfach verschwand, und sie und ihre Schwester sitzen ließ. Aber zumindest ließ sie Ihnen die Wohnung, die hatten sie gekauft als ihr Vater befördert wurde, damals. Jetzt hat sie niemanden mehr, außer Amie und die brauchte sie dringend genauso dringend wie Justice Amie brauchte. Also stand Justice auf und durchsuchte die Schränke. Ein wenig Brot fand sie noch, mehr war leider nicht da. "Was für ein Scheiß-Leben", dachte Justice. "Warum können wir nicht unbesorgt leben so wie ganz normale Menschen, warum kann ich nicht in Diskos gehen! Warum, warum, warum?". Mit einem lauten Knall warf sie die Schranktür zu. Amie begann leise zu weinen, laut war sie nie. Überhaupt hörte man wenig von Amie, sie war ein sehr braves Kind, spielte allein, schrie nie und weinte, wenn überhaupt, nur ganz leise. "Silvester, morgen ist wieder ein neues Jahr und alles beginnt wieder von vorn.", grübelte Justice gedankenverloren vor sich hin. "Dieselben ekelhaften Typen in der Kneipe, dieselben Leute die sie aus den Geschäften warfen, wenn sie nicht genug Geld hatte Amie etwas zu essen zu kaufen und derselbe scheußliche Chef, der regelmäßig drohte sie und Amie hinauszuwerfen, wenn Amie während der Arbeitszeit auch nur einen Mucks von sich geben würde". Sie brachte Amie das Brot und überlegte was der Tag bringen würde, wie sie der Kälte trotzen konnten und sie brauchten auch noch etwas zu essen für den nächsten Tag, das alte Brot reicht kaum für heute. Justice sah der Kleinen still und ernst beim essen zu und legte sich eine alte Decke um die Schulter. Immer wieder dachte sie darüber nach warum sie so ein scheiß Leben haben musste und warum es allen Anderen so gut ging. Alle hatten Weihnachtsbäume hier hing nur ein kleiner Zweig, den Justice und Amie auf einen Waldspaziergang fanden, darunter erzählte Justice der Kleinen den ganzen Abend Geschichten, für Geschenke war kein Geld da. Aber besser würde das nächste Jahr auch nicht werden, davon war Justice überzeugt, es war ja schon schwer das wenige Geld zu verdienen, was zum Überleben nötig war. Justice lachte nie, dazu hatte sie zu viele Sorgen, sie war mager und ausgezehrt, aber sie liebte die Kleine über alles. Sie tat was sie konnte für Amie und verfluchte dabei jeden Tag diese Welt, die es ihr so schwer machte und nichts Schönes für sie bereithielt. Mit einer Hand verscheuchte sie die Vögel draußen vor dem Fenster, sie konnte ihnen eh nichts geben.
Amie schaute Justice oft mit großen Augen an, und sagte ihr wie lieb sie sie hatte. Doch dafür hatte Justice kaum Ohren, war sie doch damit beschäftigt, dass es halbwegs warm und gemütlich in der alten Wohnung war. Sie deckte die Löcher mit Plastikbeutel ab und legte eine alte Decke vor die Tür, das die Kälte nicht hinein gelangen konnte.
Wenn es wieder Sommer wird, wird es auch wärmer, aber bis dahin müssen die Decken ausreichen.
Justice brachte Amie zur Nachbarin um, von dem Geld was sie noch hatte einige kleinere Dinge einzukaufen. Sie hoffte dass es wenigstens für Essen für 2-3 Tage ausreichte. Trinken konnten sie auch Leitungswasser.
Gedankenverloren ging sie durch die Straßen um zu dem großen Supermarkt zu gelangen, dort waren die Lebensmittel am günstigsten, etwas Brot und einige Konserven mussten genügen. Sie ging durch den großen Park der direkt vor dem Haus lag und in dem Amie so gern herumtollte. Justice zog sich die Jacke ein wenig enger zu, weil ein eisiger Wind wehte, für den Park hatte sie keinen Blick übrig, ihre Gedanken waren in der Kneipe, in der sie arbeitete. Übermorgen konnte sie dort wieder ein wenig Geld verdienen. Amie war solang auch dort, da die Nachbarin nachts schlafen wollte und sich von der Kleinen gestört fühlte. Eine Träne rann Justice über das Gesicht, sie wollte das alles nicht mehr, tat es nur für Amie.
Bis zum Supermarkt waren es noch gut 100 Meter, nur noch über die Kreuzung.
Reifen quietschten, Justice fiel dumpf zu Boden. Um sie herum sammelte sich eine Traube von Menschen und alle redeten durcheinander, doch sie verstand nicht ein Wort. Sie nahm nur verschwommen wahr wie ein Mann wild gestikulierend auf sie zeigte und hörte Bruchstücke wie "blind über die Straße gelaufen" und "alte Bettlerin ist es doch nicht schade". Alles verschwamm immer mehr um sie herum. Sie dachte an Amie und wünschte sich so sehr doch noch einen dieser wundervollen Tage mit Amie verbringen zu dürfen. In ihrer kleinen schönen Wohnung wo die Vögel vor dem Fenster sangen. Von dem wundervollen großen Park und den vielen lieben Dingen die Amie ihr immer erzählte. Dann wurde es dunkel um Justice, sie sollte keinen dieser scheiß schönen Tage mehr erleben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.01.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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