Sonja Bartl

Protokoll eines Neugeborenen

Also – wie war das noch mit der sanften Geburt? Klang ja wirklich vielversprechend und ich glaube auch, dass sich ein Umzug nicht vermeiden lässt. Ich muss gestehen, ein bisschen eng ist es hier seit einiger Zeit schon geworden, vielleicht ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für Veränderungen gekommen? .....Na gut...... ich mach´s.....ich schaue aber erst mal, ob sich der ganze Aufwand überhaupt lohnt...... Hat sich nicht gelohnt, ich wusste es – aber jetzt ist es zu spät. Bedauerlicherweise hat man mir den Rückweg versperrt, ich muss also irgendwie mit dieser neuen Situation klarkommen. Ich will mich ja nicht beklagen, aber hier dürfte die Heizung nicht funktionieren, kann vielleicht jemand einen Installateur holen, oder wenigstens eine Decke? Die Farbe wäre mir egal...........aber auch nur mir............der weiße Kittel auf zwei Beinen schreit nämlich gerade : „Blau! Hurra – es ist ein Junge!“ Was ist das denn? Ich weiß doch selber, dass ich jung bin. Es müsste doch heißen: „Ein Junger“ – ja, so müsste es heißen., denn schließlich bin ich erst ein paar Sekunden alt. Mama? Papa? Wo seid ihr denn? Monatelang habe ich zu hören bekommen, wie sehr ihr euch auf mich freut. Und jetzt, wo ich euch brauche, seid ihr nicht da! Verdammt, hier sehen ja alle gleich aus, von oben bis unten grün und jeder trägt Häubchen und Mundschutz. Als ob ich ansteckend wäre.....die werden wahrscheinlich geklont sein, das ist in der heutigen Zeit ja kein Problem mehr. Die Begrüßungszeremonie habe ich mir eigentlich anders vorgestellt. Die vielen Scheinwerfer und Spots bei meiner Ankunft finde ich schon okay. Dass man mir das Kabel durchschneidet, das lasse ich mir auch noch einreden, obwohl ich zugeben muss, dass damit die Nahrungsaufnahme bisher recht praktisch war, eine ganze Pizza passte da durch - auf Raten - versteht sich. Aber........muss man mich wirklich an den Beinen hochheben und mir den Hintern versohlen, ich habe doch gar nichts getan? Ehrlich, ich war´s nicht! Wie lange muss ich denn noch hier verkehrt rumhängen? Ich bin doch keine Fledermaus! Oder doch?......Langsam zweifle ich daran, ob ich mich hier wohlfühlen werde. Es ist zum Heulen. Ich schrei mal, vielleicht kommt dann endlich jemand auf die Idee, mich wieder in eine akzeptable Position zu bringen. Super, hat geklappt, jetzt weiß ich wenigstens was ich tun muss, damit man mich nicht völlig ignoriert. Noch immer keine Spur von Mama und Papa. Zumindest sehe ich niemanden, auf den diese Bezeichnung zutreffen könnte. Ein Klon steckt mich in die Badewanne. Ein anderer zieht mich mit ungläubigem Blick neben einer Messlatte gleichmäßig in die Länge und schielt anschließend mit noch ungläubigerem Blick auf das Display der Waage. Hätte er die Decke nicht mitgewogen, wäre mir bestimmt der Name „Schwerer Brocken“ erspart geblieben. Mama, endlich, da bist du ja. Und das bleichgesichtige Etwas, welches der Weißkittel soeben vom Boden aufsammelt......das muss wohl oder übel Papa sein. Wenn ihr wüsstet, was ich durchgemacht habe. Langsam fängt mir die Sache an zu gefallen. Ich darf kuscheln, mich nach Herzenslust an der Milchbar bedienen und außerdem hat man mir den Prototypen des neuesten Schnullers besorgt. Überredet – ich bleibe – aber nur solange man mir das Kommando überlässt. Endlich, der Umzug ist geschafft. Ab jetzt überlasse ich alles weitere Mama und Papa. Mama? Papa? Wo seid ihr denn schon wieder? Schreeeeeeiiiiiiii.................................. Na bitte – klappt ja wie am Schnürchen (zwinker).

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.01.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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