Natalie Striewski

Mord in sternklarer Nacht




Ein erbärmlicher Schrei durchzuckte die Stille der Nacht. Er kam aus der abgelegenen Villa von Frau von Casablanca. Ein Schatten lief durch die Haustür und kletterte über die hohe Mauer. Dann war alles wieder still, als wäre nicht passiert.

Am nächsten Tag war die Polizei vor Ort. Die alte, allein stehende Frau war ermordet worden. Kommissar Glück hatte die Leiche untersucht und festgestellt: „Die Frau wurde mit einem Messerstich in die Nieren getötet. Aber es gibt keine Spuren von einem Messer oder Ähnlichem.“
Im selben Moment kam ein silberner Cabrio an. Der Fahrer stieg aus, ging einmal um den Wagen herum und öffnete dann die Beifahrertür. Aus der kam eine junge, blondhaarige, schicke Frau. Sie trug eine Sonnenbrille und eine Tasche.
Die junge Frau ging auf den Kommissar zu und stellte sich vor: „Ich bin Melinda von Casablanca. Die Verstorbene ist meine Großtante.“
„Grüß Gott. Sind sie sehr geschockt, wenn ich mir die Frage erlauben darf?“, fragte der Kommissar höflich.
Melinda nahm die Sonnenbrille ab, betrachtete sie dann und meinte schließlich: „Ich stand nicht so eng mit ihr im Kontakt. Aber einmal im Jahr bin ich hier nach München gefahren und habe sie besucht. Ich bin ja schließlich die Allenerbin von meiner Großtante, da gehört sich das schon!“
Kommissar Glück stutzte: „Und was ist mit der Enkelin von Frau Casablanca?“
„Ach die?“, Melinda schüttelte ihr langes, blondes Haar und lachte gespielte: „Großtante war mit Celina sehr zerstritten. Sie hat bestimmt nichts mehr geerbt!“
„Wissen Sie denn den genauen Streitpunkt von Frau Casablanca und ihrer Enkelin?“, wollte der Kommissar wissen.
„Nun ja, das war glaub’ ich war so, Celina hat „aus Versehen“ 300.000 Euro von Großtante Fridas Konto abgehoben. Das hat Frida als Treuebruch empfunden und Celina abgeschrieben. Ich glaube Celina hat sich sehr oft bei Großtante entschuldigt, aber es hat nichts mehr geholfen. Ich persönlich fand’ Celina ja ganz nett, aber danach wäre ich wohl auch sauer gewesen!“, berichtete Melinda.
„Aber 300.000 Euro sind doch für ihre Tante ein Klacks, oder?“, stellte Kommissar Glück fest.
Melinda nickte: „Schon, aber in diesem Fall geht es einfach um das Prinzip. Ihnen ist es ja wohl auch egal, ob der Dieb 300.000 Euro oder 300 Millionen Euro geklaut hat, oder? Na ja, das war jetzt wohl ein schlechter Vergleich! Egal, es ging einfach um das Prinzip!“
Kommissar Glück nickte: „Wir werden natürlich alles überprüfen. Morgen werde ich Celina von Casablanca besuchen und sie nach ihrer Sicht fragen. Sie können wieder gehen, außer sie wollen noch hier bleiben!“
Doch Melinda schüttelte den Kopf: „Ich muss jetzt gehen. Auf Wiedersehen!“
„Auf Wiedersehen!“
Melinda ging zurück zu ihrem Cabrio und fuhr los.

Kommissar Glück blickte Melinda nachdenklich nach. Erzählte sie die Wahrheit? Konnte man ihr trauen? Der erste Eindruck des Kommissars konnte diese Fragen nicht beantworten. Er beschloss Celina von Casablanca einen Besuch abzustatten.

Celina sperrte die Haustür zu ihrem Haus an einer Kleinstraße auf. Schwanzwedelnd kam ihr Mischlingshund Frida ihr entgegen. Celina lachte: „Ja ,ja Frida , ich hab dir schon was mitgebracht. Warte…“ Im selben Moment klingelte das Telefon. Celina ging hin und hob ab: „Celina von Casablanca, hier.“
„Kommissar Glück. Aber leider kann ich ihnen keine glückliche Nachricht mitteilen. Es geht um ihre Großmutter Frida. Sie wurde ermordet. Es tut mir wirklich Leid!“
Celina sank in einen Stuhl zusammen. Keinen Ton brachte sie aus ihrer Kehle, sie war wie zugeschnürt. Dann brach sie in Tränen aus. Celina konnte sich nicht mehr halten. Die Hündin kam auf sie zu und leckte ihr die Hand ab.
Kommissar Glück versuchte sie zu trösten: „Die Dame war doch schon alt. Bitte, nehmen Sie es nicht so schwer. Das hätte sie bestimmt nicht gewollt!“
Celina schrie in den Hörer: „Was würden Sie denn tun? Und woher wollen Sie denn wissen, was Oma wollte und was nicht? Es reicht wohl nicht, dass Mama und Papa beim Autounfall gestorben sind, jetzt muss auch noch Oma sterben!“
Celina musste wieder Weinen, sie wurde von Schluchzern geschüttelt. Celina stützte ihren Kopf in die Hände. Die Tränen liefen ihr die Arme herunter und tropften auf den Tisch, worauf das Telefon stand. Frida leckte die Tränen aus Celinas Gesicht.
Kommissar Glück meinte jetzt: „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne morgen einmal vorbei kommen. Es ist wichtig, damit Sie uns vielleicht helfen können, bei der Aufklärung des Mordes.“
Celina nickte nur noch, zu mehr war sie nicht fähig.

Melinda kam gerade zu Hause an. Sie warf ihr blonden Haare zurück und sah auf ihre silberne Uhr. „Punkt zwölf Uhr! Wo bleibt das Essen Gladys? Ich will, dass es punkt zwölf Uhr auf dem Tisch steht. Gladys? Gladys!“ Eine kleine, schwarzhaarige Frau kam aus der Küche getappt. „Entschuldigen Sie, Miss. Der Essenslieferer kam heute zu spät! Aber es kommt gleich.“, entschuldigte sich die Engländerin Gladys.
Melinda hängte ihren Mantel auf und setzte sich dann an den gedeckten Tisch. Ein paar Minuten später kam Gladys mit einem Topf Suppe wieder.
„Bitteschön, Miss. Das ist die Vorspeise. Als Hauptgang gibt es Austern. Ich hoffe es mundet der Madame“, meinte Gladys.
Melinda nickte und nahm einen Löffel Suppe. „Zu viel Salz. Wann können sie sich endlich merken, dass ich Salz nicht in solchen Mengen vertrage? Dieses Mal lasse ich es noch durchgehen!“, sagte sie großzügig.
„Ich werde es mir merken, Miss“, antwortete Gladys.

Nach dem Essen stand Melinda auf und ging in den zweiten Stock hinauf. Ihr Schritt wurde schneller. Sie lief nun bis ans Ende des Ganges. Dann holte sie einen Schlüssel aus ihrer Tasche. Es war ein Goldener mit einem eingeschweißten Drachenkopf darauf.
Melinda steckte den Schlüssel vorsichtig ins Schloss. Sie drehte ihn zwei mal herum, bis sich das Schloss knackend öffnete. Vor ihr lag ein dunkler Raum, aus dem drückende Stille kam. Sie trat ein und erst als sie die Tür wieder geschlossen hatte, machte sie das Licht an. Der Raum wurde von einer nackten Birne beleuchtet, Fenster gab es nicht. In dem Zimmer stand ein Computer, davor ein einfacher Bürostuhl. Melinda setzte sich darauf und schaltete den Computer ein. Laut ratternd fuhr er hoch. Auf dem Display stand: Guten Tag, Gangster Melinda, geben Sie bitte ihr Passwort ein. Melinda tippte das Passwort ein.
Es öffnete sich das Internet, der Chatraum. Auf dem Display stand:

Gangster Juliano: Hi, Melinda, läuft die Sache am Samstag? Bleibt es beim Treffpunkt?
Gangster Melinda: Natürlich. Ich habe ein Problem! Meine Cousine Celina von Casablanca steht mir im Weg. Kannst du sie aus dem Weg räumen. Lass’ es nach einem Unfall aussehen.
Gangster Juliano: Warum steht sie dir im Weg?
Gangster Melinda: Sie ist ungemein schlau. Celina weiß sowieso, dass mit mir was nicht stimmt, darum will ich es nicht darauf ankommen lassen, wenn du verstehst, was ich meine.
Gangster Juliano: Und warum kannst du das nicht übernehmen?
Gangster Melinda: So ein Kommissar, ist in der Nähe von Celina, der mich kennt. Das wäre zu auffällig. Dich kennt er aber nicht.
Gangster Juliano: Na gut. Celinas Daten hab’ ich ja. Wir sehen uns am Samstag. Ciao.
Gangster Melinda: Ciao.

Melinda schaltete den Computer wieder aus. Dann stand sie auf, schaltete das Licht aus, sperrte auf, verließ den Raum und drehte den Schlüssel wieder zweimal herum. Jetzt ließ sie ihn in ihre Tasche gleiten und ging wieder ins Erdgeschoss.

Es klingelte an der Tür. Celina rannte, um zu öffnen. Vor der Tür stand Kommissar Glück.
„Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen“, meinte der Kommissar.
„Nein, nein, auf keinen Fall, kommen Sie nur herein!“, antwortete Celina.
Der Kommissar trat ein. Er folgte Celina ins Wohnzimmer, wo sie ihm einen Platz anbot. Beide setzten sich und auch Frida kam dazu, um ihr Frauchen zu beschützen.
„Stimmt, es, dass Sie und Frau von Casablanca zerstritten waren?“, wollte der Kommissar von Celina wissen.
Celina stockte der Atem. Doch dann schüttelte sie den Kopf und sagte: „Ich war nie mit Oma zerstritten. Warum sollte ich auch? Ich hab’ Sie geliebt. Jedes Weihnachten und auch an ihrem Geburtstag bin ich gekommen und wir haben gefeiert. Auch unter dem Jahr, ohne Grund, habe ich manchmal vorbeigeschaut.“
Der Kommissar nickte überrascht: „Ja, aber, was ist mit den 300.000 Euro, die Sie von dem Konto von Frau von Casablanca abgehoben haben sollen.“
Celina antwortete: „Das stimmt schon. Aber ich hatte die Zustimmung von Oma. Ich litt nämlich unter Geldnöten. Doch das war nur einmal. Ich ließ mich schließlich nicht so durchfüttern wie meine Cousine Melinda.“
Nun fragte Glück: „Wie stehen Sie denn im Verhältnis zu Frau Melinda von Casablanca?“
Celina seufzte: „Um es mal klipp und klar zu sagen: schlecht. Ich habe nichts gegen sie persönlich, aber sie ist eine richtige hinterfotzige Kuh. Entschuldigen Sie Wortwahl, aber man kann es fast nicht anders ausdrücken.“
„Könnten Sie ihr zutrauen, ihre Großmutter umgebracht zu haben?“, fragte Kommissar Glück.
„Niemals. Nein, Sie wäre nicht in der Lage eine solche Tat zu vollbringen! Das müssen Sie glauben!“, meinte Celina.
„Gibt es noch Verwandte, außer Sie und Melinda?“, wollte Kommissar Glück wissen.
Celina schüttelte den Kopf, doch dann stockte sie: „Nein..., ja, ich weiß nicht. Ich habe oder hatte ein Bruder. Er ist nach Afrika ausgewandert, er hat immer geschrieben, aber dann auf einmal nicht mehr. Wir konnten ihn auch nicht erreichen. Er ist... verschollen!“

Es war Abend geworden. Melinda hatte ihr Abendessen eingenommen. Nun saß sie über ein Buch gebeugt und las. Die Wanduhr tickte gleichmäßig. Etwas lag in der Luft. Etwas Ungeheuerliches. Die Klingel schrillte. Sofort sprang Melinda auf und rannte zur Tür, bevor Gladys sie erreichen konnte. Sie öffnete die Tür vorsichtig. Im Türrahmen stand ein braungebrannter Mann, der ihr irgendwie bekannt vor kam.
„Hallo, Melinda. Ich bin’s, Alex. Kennst du mich noch?“ sagte der fremde Mann.
Melinda stutze: „Wenn du mir vielleicht auf die Sprünge helfen könntest, wäre ich dir sehr dankbar.“
Der Mann grinste: „Ich bin Alex von Casablanca, der Bruder von Celina.“
Ein Lächeln huschte über Melindas Gesicht. Wenn sie es richtig anstellte, könnte er ihr bei so einigen Sachen behilflich sein.
„Komm doch herein!“, rief sie übertrieben freundlich, „wir müssen viel besprechen!“

Celina verließ ihr Haus mit Frida im Schlepptau, mit dem Gedanken Melinda zur Rede zu Stellen. Gerade als sie die Straße überqueren wollte, kam ein Auto mit Höchstgeschwindigkeit auf sie zu. Celina wusste sofort, dass er nicht bremsen würde. Wie erstarrt blickte sie auf das silberne Auto. Sie wollte rennen, doch ihre Beine blieben wie angewachsen stehen. Da spürte sie einen Ruck an ihrem Hosenbein. Frida zerrte sie von der Straße. Aber plötzlich fiel sie hin und spürte einen stechenden Schmerz in ihrem Bein und wurde bewusstlos.

Alex und Melinda saßen am Wohnzimmer Tisch. Melinda redete gerade von Celina: „ Sie ist zur Massenmördern geworden. Doch sie lässt sich nicht erwischen und nur ich weiß von ihren schrecklichen Taten, denn sie vertraut mir. Aber langsam kann ich mit diesem schlechten Gewissen nicht mehr leben und ich finde, wir sollte einmal mit ihr reden.“
„Das kann ich nicht glauben. Niemals würde meine Schwester so was machen und, dass sie dir vertraut, halte ich für eine glatte Lüge.“
Melinda seufzte: „Denkst du, sie verrät dir alles, in diesen Briefen? Wir können sie ja mal Besuchen gehen.“
„Na gut, ich glaub dir trotzdem nicht.“
„Okay, morgen brechen wir auf“ ,meinte sie hochnäsig.
Als Alex schlief, schlich sich Melinda noch einmal hoch, in ihren Geheimenraum. Sie schaltete den Computer an und als sie im Chatraum war, stand Folgendes auf dem Bildschirm.

Gangster Juliano: Hi, Melinda! Shit, es hat nicht geklappt. Sie lebt noch wegen ihrer verdammten Hündin. Sie liegt im Krankenhaus. Hoffentlich stirbt sie an einem Herzinfarkt, wenn sie mitbekommt, was passiert ist.
Gangster Melinda: War ja klar, dass du es verhaust.
Gangster Juliano: Was willst du eigentlich? Ich soll alles für dich machen, aber wenn es nicht klappt, bin ich wieder Schuld. Ich kann da echt nichts dafür. Die Hündin hat sie weggezerrt. Sie wäre eiskalt stehen geblieben. Lass’ mich doch in Ruhe und mach deinen Schrott selbst.

Melinda machte den Computer aus.
Melinda murmelte leise in den Raum: „Das werde ich auch tun, Juliano! Darauf kannst du Gift nehmen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.“
Und dann lachte sie. Es war ein tückisches, gemeines Lachen.

Celina schlug die Augen auf. Sie war umgeben von einem Arzt und Krankenschwestern. Verwirrt sah sie sich um.
„Was ist passiert?“, stotterte Celina.
Der Arzt antwortete mit einer beruhigender Stimme: „Sie wurden von einem Auto angefahren. Aber es besteht kein Grund zur Sorge, Sie haben sich nur den Fuß gebrochen. Es hätte schlimmer kommen können!“
In Celinas Gehirn ratterte es. Langsam und beschwerlich kamen die Erinnerungen in ihren Kopf zurück. Sie war vor Schreck stehen geblieben. Dann hatte sie jemand weggezerrt, aber wer?
„Frida!“, stieß sie hervor.
Der Arzt beruhigte sie: „Ihr Hund Frida ist in einem Tierheim. Sie können sie abholen, wenn Sie möchten. Ihr ist nichts passiert.“
„Muss ich denn noch im Krankenhaus bleiben, ich meine wegen dem Bruch?“, fragte Celina.
Der Arzt schüttelte den Kopf: „Nein, so schlimm ist es nicht. Sie bekommen Krücken und müssen zu Untersuchungen kommen. Wenn die Schmerzen schlimmer werden, müssen Sie uns auch benachrichtigen.
Celina nickte, bekam Krücken, unterschrieb den Zettel, dass sie hier gewesen war und Krücken bekommen hätte und ging schließlich schwerfällig zum Aufzug. Sie drückte auf „Erdgeschoss“ und der Aufzug setzte sich in Bewegung.
„Als Erstes werde ich Frida abholen!“, murmelte sie halblaut vor sich hin.

Vor dem Krankenhaus stand ein silberner Wagen. Celina zuckte zusammen. Bilder schossen ihr durch den Kopf. Das silberne Auto, das auf sie zuraste, ohne zu stoppen. Wie es ihr schwarz vor Augen wurde. Celina zitterte am ganzen Körper. Auf einmal spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter.
„Celina. Hab’ keine Angst!“, hörte sie eine Stimme.
Vorsichtig drehte Celina sich um. Sie blickte in das Gesicht von Melinda. Sie lächelte. Misstrauisch beäugte Celina ihre verhasste Cousine. Melinda meinte, noch immer lächelnd: „Man hat mich benachrichtigt. Ich bin dann sofort hier her gefahren. Ich kann dich ja schließlich nicht hier alleine lassen, oder?“
Celina schüttelte den Kopf: „Ja, das finde ich auch. Aber, dass genau du kommst, dass hätte ich nicht gedacht!“
„Jetzt komm’ doch erst einmal. Ich habe eine Überraschung für dich!“, sagte Melinda und zog Celina vorsichtig zu ihrem silbernen Auto.
Als Celina das Auto schon wieder sah, sträubte sie sich. Sie wandte sich aus Melindas Griff. Melinda konnte die Angst in Celinas Augen sehen, doch das ließ sie völlig kalt. Denn eigentlich wollte Melinda nur eins: Celinas Vertrauen.
Celina rief: „Ich geh nicht in dein Auto. Lass’ mich, lass’ mich, bitte!“
Doch Melinda meinte nur: „Ich zeige dir, was ich für dich habe.“
Melinda ging zu ihrem Auto, öffnete die Tür und heraus kam: Frida. Sie kam auf Celina zugerrannt und sprang an ihr hoch. Celina lachte, kniete sich hin und umarmte die Hündin und ließ sich von ihr das Gesicht abschlecken.
„Du hast mir das Leben gerettet!“, flüsterte Celina Frida ins Ohr.
Melinda lehnte sich gegen ihr Auto und lächelte. Doch es war kein warmes Lächeln. Es war ein Lächeln, das Böses enthielt, das eine solche Kälte ausstrahlte, als sollte es die ganze Stadt in Eis gefrieren.

Melinda hatte Celina und ihre Hündin nach Hause gebracht. Sie saßen um den Wohnzimmertisch, Celina lag auf der roten Couch. Frida hatte es sich unter dem Tisch gemütlich gemacht.
„Danke, noch mal, Melinda!“, sagte Celina zu ihrer Cousine.
Melinda lächelte wieder: „Das war doch klar. Das hättest du doch auch für mich auch getan, oder?“
Das letzte Wort hing in der Luft wie eine dunkle Gewitterwolke. Celina wollte etwas sagen, doch sie brachte keinen Ton heraus.
Melinda sagte: „Natürlich hättest du das getan, das weiß ich!“
Celina nickte schnell und schüttete den Rest ihres Saftes, den Melinda ihr vorher gebracht hatte, hinunter.
„Ich habe noch eine Überraschung für dich. Warte hier kurz!“, meinte Melinda und stand auf.
Sie ging zur Tür, öffnete diese und rief hinaus: „Du kannst jetzt kommen!“
Celina versuchte zur Tür zu blicken, aber sie konnte nichts entdecken. „Wer ist denn da?“, fragte sie.
„Warts ab!“, meinte Melinda, „mach die Augen zu!“
Celina tat wie ihr gesagt wurde und schloss die Augen. Sie hörte Schritte und Geflüster, konnte aber nicht deuten zu wem die zweite Stimme gehörte.
„Du darfst sie jetzt aufmachen!“, rief Melinda feierlich.
Celina öffnete erst das erste und dann das zweite Auge. Ihre Augen weiteten sich und sie war sprachlos.
„A…a….!“, stotterte sie.
„Ja, ich bin es, Schwesterherz. Bitte frag’ nichts. Es war eine schwere Zeit, aber jetzt bin ich wieder da!“, sagte Alex freundlich.
Sie schlossen sich in die Arme und beiden liefen Tränen übers Gesicht. Melinda beäugte die Szene kritisch. Würde sie Alex überzeugen können, dass Celina kein reines Gewissen hatte? Sie wusste es nicht.

Kommissar Glück sah seine Akten durch. Von einem Alex von Casablanca fehlte jede Spur. Dabei wäre er wirklich wichtig gewesen. Außerdem hatte er ein weiteres, schlimmeres Problem. Das Testament der alten Dame war verschwunden. Eigentlich würde das Erbgut nun gerecht zwischen den Erben aufgeteilt werden, aber bei so einer reichen Familie hätte man da wohl gleich sämtliche Anwälte am Hals. Darauf konnte der Kommissar verzichten. Auf einmal klingelte das Telefon. Der Kommissar hob ab und leierte seinen Text: „Hallo, hier ist das Detektivbüro von Kommissar Glück. Sie sprechen mit Kommissar Glück. Was kann ich für Sie tun?“
„Hallo, hier ist Celina von Casablanca. Ich habe eine tolle Nachricht!”, meinte Celina, „und zwar, Sie werden es mir nicht glauben, ist mein Bruder aus Afrika, zurück. Ich bin so glücklich! Wissen Sie, deshalb habe ich Sie auch angerufen, ich bin mir sicher, dass Sie mit meinem Bruder sprechen wollen, oder?“
„Natürlich. Das ist wirklich eine tolle Nachricht. Wo wohnt er denn? Ich nehme an, bei Ihnen!“, sagte Glück.
„Nein, er wird vorrübergehend bei Melinda wohnen. Sie hat ein größeres Haus, bei mir ist nicht wirklich Platz für ihn. Ich werde wahrscheinlich auch für eine Weile zu Melinda ziehen.“, meinte Celina.
„Warum denn das?“, fragte der Kommissar entgeistert.
„Ich wurde von einem Auto angefahren. Es sah ziemlich nach Absicht aus. Jetzt ist mein Fuß gebrochen, und es wäre zu anstrengend für mich, alleine in einem Haus zu wohnen. Für Melinda macht das keine Umstände! Die hat ja Bedienstete und freie Zimmer hat sie auch! Machen Sie sich keine Sorgen, sie wird mich schon nicht umbringen“, lachte Celina.
„Ja. Ich werde vorbeikommen, um Herrn Alex zu befragen. Auf Wiederhören!“, meinte er und legte auf.
Er machte sich Sorgen um Celina. Er war sich sicher, dass der Autounfall Absicht war, und auch nicht der letzte Anschlag auf Celina sein würde. Vielleicht würde sie mit dem Umzug in Melindas Villa in den sicheren Tod laufen. Der Kommissar hoffte es nicht.

Celina, Alex und Melinda saßen in Melindas Auto und fuhren zu ihr nach Hause. Auch Frida saß unten bei den Füßen und sah Melinda kritisch an. Der Kofferraum war voll mit Celinas Koffern.
„Ihr werdet euch bei mir wohlfühlen!“, meinte Melinda zuversichtlich.
„Da bin ich mir sicher. Hast du genug Zimmer für uns? Sonst gehe ich einfach mit Alex in ein Zimmer, das stört mich nicht!“, sagte Celina.
„Nein, nein, ich hab’ genug Zimmer…“, den Satz konnte Melinda nicht mehr beenden, denn das Auto blieb stehen.
„Mist, was war das?“, fragte sie.
Melinda stieg aus, um zu sehen was passiert war.
„Lass’ mich nur machen! Ich kenn’ mich Autos, Motor und so Zeug aus!“, rief Alex von innen und wollte schon aussteigen, aber Melinda hielt ihn zurück: „Es liegt nicht am Motor!“
Melinda kniete sich neben die Reifen und starrte auf diese. Alex stieg nun ebenfalls aus und begutachtete die Räder.
„Die Reifen wurden aufgeschlitzt, das war kein Unfall!“, stellte Alex fachmännisch fest.
„Ach ne!?“, erwiderte Melinda ironisch.
„Ich könnte die Reifen auswechseln!“, meinte Alex.
„Es gibt aber keine Reifen zum Auswechseln!“, rief Melinda genervt.
„Was ist denn passiert?“, fragte Celina von innen.
„Ach, es hat nur jemand die Räder von dem Auto aufgeschlitzt!“, rief Alex zurück.
„Nur?!“, fragte Celina.
„Ich ruf’ jetzt jedenfalls den Abschleppdienst. Ich habe nämlich keine Lust hier ewig rumzustehen und auf bessere Zeiten zu hoffen.“, meinte Melinda und holte ihr Handy.
Während Melinda mit dem Abschleppdienst diskutierte, setzte sich Alex zurück zu Celina.
„Wer soll denn bitte so was machen?“, wollte Celina wissen.
„Da fragst du den Falschen“, antwortete Alex.
Im selben Moment kam Melinda zurück ins Auto und sagte: „Sie kommen so schnell es geht. Aber das wird voraussichtlich in einer halben Stunde sein, weil gerade so viel passier ist!“
Aus der halben Stunde wurde dann schließlich eine ganze Stunde und bis sie bei Melinda angekommen waren dauerte es dann eine weitere Stunde.

Als sie dann endlich bei Melinda zuhause waren, unterhielten sie sich weiter über den Vorfall.
„Weißt du denn wirklich nicht, wer es sein könnte?“, fragte Celina jetzt mindestens schon zu fünften mal.
Melinda antworte: „Ich weiß nicht…“
Doch plötzlich sprang sie auf.
„Juliano!“, schrie sie und rannte weg.

Kommissar Glück war vor Melindas Villa angekommen und klingelte. Alex von Casablanca öffnete.
„Ich habe einen Durchsuchungsbefehl, bitte lassen Sie mich rein!“, meinte der Kommissar.
„Ich hab’ ihnen bis jetzt ja noch nicht widersprochen“, rief Alex und machte den Weg frei.
Kommissar Glück trat ein. Sein Blick fiel auf einen Schlüssel am Schlüsselbrett, der einen eingeschweißten Drachenkopf enthielt. Heimlich nahm er ihn mit.
„Ist Frau Melinda von Casablanca nicht anwesend?“, wollte Kommissar Glück wissen.
Celina schüttelte den Kopf.
Kommissar Glück ging nun die Treppen zum ersten Stock hoch. Alle Türen waren offen, doch die interessierte ihn gar nicht. Er suchte eine verschlossene Tür.
Auch im zweiten Stock gab es nur offene Türen. Doch im dritten Stock bei der letzten Tür hatte er Erfolg. Sie war verschlossen. Mit zittrigen Fingern steckte Glück den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn einmal herum. Aber die Tür ließ sich nicht öffnen. Dem Kommissar klopfte das Herz bis zum Hals. Er war einer heißen Spur auf den Fersen und ihn trennte nur noch eine verschlossene Tür vor dem Ergebnis. Nun drehte er den Schlüssel ein zweites Mal herum und jetzt öffnete sich die Tür.
Kommissar Glück stand vor einem schwach beleuchteten Zimmer, in dem ein Computer stand. Er fuhr den Computer hoch.
„Mist!“, fluchte er, als er sah, dass er ein Passwort eingeben musste. Er probierte er es mit: Casablanca. Doch es war falsch. Nun versuchte er: Mörder. Doch auch dieser Versuch daneben. Es stand nun eine Warnung auf dem Bildschirm: Sie haben noch einen Versuch. Wenn dieser nicht gelingt, wird das System gesperrt.
Kommissar Glück stockte. Kurz vor dem Ziel würde ihm das Passwort ein Strich durch die Rechnung machen. Er warf einen Blick auf den Schlüssel. Und plötzlich durchzuckte ihn ein Geistesblitz. Mit feucht-kalten Händen gab er ein: Drachenkopf. Es war richtig. Glück atmete auf und starrte auf den Bildschirm. Er sah das Gangsterprogramm und triumphierte innerlich. Denn es stand eine interessante Meldung auf dem Bildschirm:

Gangster Juliano: Hey Melinda. Du hast ja gemerkt, dass ich das nicht auf mir sitzen lasse. Dieses mal waren es nur deine Reifen, nächstes mal bist es vielleicht du! Dann mach’ ich das gleiche, was ich mit deiner Alten gemacht. Aber diesmal ohne, dass du mir den Befehl dazu gibst. Genauso wie mit deiner ätzenden Cousine. Freu’ dich!

Da hatte Kommissar Glück ja gleich zwei auf frischer Tat ertappt.
Auf einmal drang eine Stimme zu ihm vor: „Kommissar, was soll das?“
Er stand auf, legte Melinda die Handschellen an und sagte: „Sie sind verhaftet!“
Dann machte er noch ein Foto von Julianos Drohung und führte sie ab. Im Gerichtssaal hatte sich eine Menge Menschen gefunden. Auch Journalisten hatten sich versammelte, denn für sie war es ein gefundenes Fressen.
Die Richter hatten ein leichtes Spiel mit Melinda und Juliano, schließlich waren genug Beweise vorhanden.
Die Geschichte ergab sich am Schluss so: Juliano und Melinda hatten sich übers Internet kennen gelernt und sich getroffen. Melinda hatte ihn dann angeheuert, um ihre Großmutteer zu töten und das Testament verschwinden zu lassen. das hatte noch geklappt, aber der Anschlag auf Celina war missglückt. Und so war langsam alles aufgeflogen.

Celina zog sich nach Melindas Verurteilung in ihr Haus zurück. sie war von ihrer Cousine enttäuscht worden. Alex zog zu Celina und Frida und sie führten ein einigermaßen lustiges und glückliches Leben.


ENDE

Ich habe die Geschichte mit meiner Freundin Julia Knirsch geschrieben. Natalie Striewski, Anmerkung zur Geschichte

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Natalie Striewski).
Der Beitrag wurde von Natalie Striewski auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.01.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

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