Alexander Voronin / Übersetzung: Werner Helfensdörfer
DIE SOWJETISCHE UNION*)
Die Frage, die mich im Alter von fünf Jahren am meisten umtrieb, war folgende: Wie heißt unser Land? „Sowjetisch“ beschreibt ja nur das „wie“. Das Wort „Adjektiv“ kannte ich damals noch nicht, doch ich spürte, dass zum Beispiel England oder Frankreich „etwas“ ist, ein Hauptwort. Wo gibt es dieses Etwas im Namen meines Landes? „Union“? Nein, das war es nicht. Eine Union ist ja eine Vereinigung von etwas. Was hat man denn da vereinigt? Die Republiken? Nun gut, aber wie hat man diese Vereinigung genannt? Keine Ahnung...
Nachdem ich selbst keine Antwort fand, suchte ich Hilfe bei den Erwachsenen.
„Sagt mal, wie kann man das Land, in dem wir leben, mit einem Wort nennen?“
„Ruhsland“ murmelten sie abwehrend.
Die Antwort stellte mich nicht zufrieden. Ich wusste bereits, dass es das Baltikum und Mittelasien gab, die nicht Russland sondern, die „Sowjetische Union“ waren.
Mit der Zeit traten andere Fragen in den Vordergrund: Wie komme ich bei den Mädchen an, wo finde ich einen Arbeitsplatz, wie bezahle ich meine Miete... Und noch vieles andere. Das Leben folgte einem holprigen, verschlungenen Pfad, immer schneller und schneller. Bremsen ließ es sich nicht, und zum Anhalten war es noch zu früh. Doch vor Kurzem ist mir dann diese kindliche Frage wieder eingefallen, und ich habe sie in bisschen anders formuliert: Wie konnte ein Land, das nicht einmal einen Namen hat, ein Dreivierteljahrhundert existieren und sich in der Welt behaupten? Die Antwort erwies sich als ziemlich simpel, man muss nur an das „Gesetz des Opfers“ denken, eines der grundlegenden kosmischen Gesetze: „Die Erfüllung eines Wunsches erfordert Opfer“. Millionen von Menschen wurden zu Opfern, und das Monster ohne Namen, das dem Wunsch irgendeines Menschen entsprungen ist, lebte und rief Bewunderung und Furcht hervor.
___________________________________________________
*) wörtliche Übersetzung von „Sowjetski Sojus“ (Sowjetunion)
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Alexander Voronin).
Der Beitrag wurde von Alexander Voronin auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.01.2004.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Alexander Voronin als Lieblingsautor markieren
Die Ambivalente Galaxie
von Stefan Läer
Ein außerirdisches Volk, das das Böse nicht erkennt. Nur der 14-jährige Kisjat. Der einzige Weg, es noch zu retten, führt ihn zur sagenumwobenen Ambivalenten Galaxie ins Niemandsland …
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: