Nicolai Rosemann

Schusswechsel im Senat

Aus gesammelte Geschichten von Alpha Centauri

Die letzte Ratsversammlung, bei der alle Gruppierungen vertreten waren, fand ungefähr hundertacht Jahre nach der Landung statt. Die Geschichtsbücher zeigten diese Zeit des Friedens auf, schließlich war es seit achtzehn Jahren nicht zu einem bewaffneten Konflikt gekommen. Der nukleare Schlag gegen Yang von Dekan Zakharov hatte nicht nur Angst vor einem nuklearen Untergang gemacht, sondern auch die militanten Gruppen zu einem Überdenken ihrer Vorgehensweise bewegt. Es gab zwar noch immer ein Wettrüsten, aber die ersten Gruppen begannen schon mit dem Abrüsten.
Doch dieser Friede fand ein schnelles, blutiges Ende. Dieses Ende leitete Schwester Miriam Godwindson ein. Schwester Miriam war Schuld:

„…die Spekulationen auf dem Markt. Als Folge dessen wird innerhalb der nächsten Jahre eine Inflation unsere Energiereserven treffen. Laut unseren Diagrammen können wir jetzt mit einer Rücklage etwas unternehmen. Ansonsten werden unsere aktiven und passiven Gelder getroffen. Aber diese Rücklage wäre nicht billig.“ beendete Direktor Morgan den wirtschaftlichen Bericht.
„Von wie viel Geld sprechen wir hier? 1000? 10.000? 100.000?“ fragte Bruder Lal aus der Fraktion der UN-Pazifisten.
„Diese Inflation bahnt sich schon heute an. Und mit jeder Sekunde, die wir hier reden, rückt sie näher. Wenn wir innerhalb der nächsten Stunden investieren, sollten 100.000 Energieeinheiten ausreichen.“ antwortete Morgan. Gemurmel machte sich breit.
„100.000! Das ist zu viel!“ schrie schließlich Yang aus der Gruppierung “Das Kollektiv“.
„Das ist wirklich viel. Das würde gut 14.300 Einheiten pro Gruppierung bedeuten.“ sagte Zakharov ruhig. Als Vorsitzender des Senats war es seine Pflicht für Ruhe zu sorgen. Er durfte es sich einfach nicht erlauben wie Yang zu reagieren.
„Was ist wenn er sich mit unseren Geldern bereichert?“ fragte Lady Deidre der Gruppierung Gaianer. Sie verhielt sich ansonsten sehr ruhig bei solchen Debatten. Aber jetzt war sie hellwach. Es war viel Geld, für alle. Aber die Investition würde nötig werden.
„Dann wird er bestraft, mit Waffengewalt.“ antwortete Zakharov.
„Einen Moment. Von welcher Höhe würde diese Inflation sein?“ fragte Colonel Santiago.
„Genau lässt sich das nicht berechnen, es hängt von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage zu dieser Zeit ab. Aber im Moment würde sich die Inflation 75%, vielleicht sogar 80% ausmachen. Viele Unternehmen wären am Boden, die Bürger könnten sich vielleicht nicht einmal Nahrungsmittel leisten. Die Warenbörse würde als Folge zusammenbrechen.“ antwortete Morgan.
„Ich habe dieses Geld aber nicht!“ sagte Godwindson.
„Ich auch nicht!“ rief Yang. „Zumindest so lange ich die Gelder an Zakharov und Lal abgeben muss.“
„Diese Zahlungen würden wir so lange aussetzen.“ sagte Zakharov ruhig. „Also, wir werden jetzt abstimmen. Wer dafür ist, dass wir die Inflation aufhalten, soll die Hand heben.“
„Ich habe das Geld aber nicht!“ wiederholte Godwindson.
„Dann leiten Sie Geld von der Rüstung ab! Da sollte genug abfallen.“ sagte Lal provokant.
„Sie haben mir gar nichts zu sagen Lal.“ antwortete Godwindson.
„Aber dieses Wettrüsten MUSS ein Ende haben.“ konterte Lal.
„Nicht jeder hat einen Schützer wie sie. Wenn man Sie angreift, eilt ja Zakharov zu Hilfe.“ stimme Yang zu. „Nichts gegen Sie, Dekan. Aber es ist halt so.“
„Wir stimmen jetzt ab!“ befahl Zakharov. Eine erdrückende Mehrheit wählte für die Zahlung. Aber als Zakharov die Sitzung auflösen, also vertagen wollte, kam Lal mit einem weiteren Punkt auf: „Wir haben noch einen Punkt zu besprechen. Es geht um einen Verstoß der UN-Charta.“
Zakharov stöhnte. „Hat wieder ein Panzer einen Wurm überrollt? Oder hat der Übeltäter ihn persönlich zertreten?“ fragte er. Allgemeines Gelächter brach aus.
„Nein, heute nicht. Ich habe hier eine Nachricht meines Geheimdienstes, dass Schwester Miriam einige Studenten eingesperrt hat, weil sie einer anderen Religion beitreten wollten.“
„Das ist nicht wahr!“ schrie Godwindson.
„Da sagt mein Bericht aber was anderes.“ konterte Lal.
„Das stimmt nicht!“ schrie Godwindson zurück.
„Sie sind wahnsinnig, Schwester.“ sagte Lal und wandte sich ab. Es wurde nie geklärt, wie sie das gemacht hatte. Aber auf jeden Fall zog sie eine Waffe und feuerte sechs Schüsse ab. Die ersten beiden Schüsse verletzten zwei andere Vertreter der Gruppierung Pazifisten mehr oder weniger schwer. Aber der dritte Schuss traf Lal ins Schlüsselbein. Zwei weitere Schüsse trafen ihn in die Brust. Der fünfte Schuss erwischte einen weiteren Vertreter, der sich in die Schussbahn warf. Dieser Mann starb später an einem Lungendurchschuss. Der sechste und letzte Schuss traf Lal aber in den Kopf und tötete ihn.
Sein Körper sank über dem Pult zusammen und fiel schwer zu Boden. An dem polierten Edelholz rann eine Blutspur herunter, auf der Lesefläche hatte sich ein kleiner See aus Blut gebildet. Die blaue Robe von Lal war auch blutrot.
Dreißig Sekunden nach dem ersten Schuss stürmten Sicherheitskräfte den Saal und evakuierten die anderen Anwesenden und versorgten die drei anderen Verwundeten. Danach fielen alle Anwesenden der Gruppierung der Gläubigen des Herrn in einem Kugelhagel der Sicherheitskräfte. Niemand überlebte das Massaker.
Ein schwarzer Tag für den Planeten. Seit diesem Zwischenfall wurden alle Versammlungen nur noch mit Hologrammen ausgetragen. Einige Tage später brachen wieder Kämpfe aus. Der Frieden war Geschichte.

In der nächsten Fortsetzung des Zyklus um die Kolonien auf Alpha Centauri bahnt sich bereits der Schlusszug an. Der Frieden bricht, die Gruppierungen schlagen sich wieder gegenseitig die Schädel ein. Wer als Sieger herausgehen wird ist fraglich. Denn alle haben im Hinterkopf vom Ende der Erde - das Bild des nuklearen Höllenfeuers (siehe Flammende Weihnachten)Nicolai Rosemann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.02.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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