Lothar Krist

Die Reise des alten Suderanten

Mann o Mann, das war knapp. Das hätte glatt in die Hose gehen können oder auch gleich ins Grab. Mann o Mann. In die Hose ging es ja auch, haha, aber nicht bei Rocky, hehehe. Rocky kann schon wieder lachen, dabei hat er noch einen ganz schön weiten Weg vor sich. Und ihm wird schon kalt. Ende September, halb sieben Uhr in der Früh. Es hat keine zehn Grad draußen, und er hat bloß, wie üblich, ein dünnes, schwarzes Jeanshemd über seinem T-Shirt an. Aber irgendwie war es geil. Nachher haben ihm ja die Knie geschlottert, nachdem er aufgehört hatte, zu rennen (weil er keine Luft mehr hatte - aber nicht weiter sagen, okay. Scheiß Tschick! Und die genossenen Bierchen und Glaserl Wein schnaufen auch.) Ihm ist leicht frisch, und fühlen tut er sich momentan auch, wie ein junger Spund in seinen besten Jahren. Haha. Mann o Mann, ist ihm geil zu Mute, megamegageil, und das trotz der irren Schmerzen.

Rocky war heute wieder einmal im Cazin-Club-Keller, wollte ein Geschichterl oder was auch immer schreiben. Da trifft er einen ururalten Freund aus seinen trotz Allem doch so herrlich schönen Jugendzeiten. Irgendwie haben sie sich dann vor über zwanzig Jahren schon aus den Augen verloren, damals, als Rocky aus der Inti-Szene ausgestiegen ist, weil sie ihm zu dämlich, zu verträumt, zu vergeistigt, zu versnobt und irgendwie wohl auch zu verlogen war. Rocky hat diesen ollen Schmonsons einer Philosophie von einer Ansammlung von Halbwahrheiten und gleichzeitiger Andere-Schlecht- und Sich-Selber-Schönschreibereien einfach nicht mehr ausgehalten. Er hatte deshalb dauernd mächtigen Zoff mit seinen Freunden und Bekannten. Die Heilige Elfriede, der Heilige Thomas und das andere Heilige Gutmenschenschreibgesindel hingen ihm schon bald zum Hals heraus.

Na ja, er, sein Freund, der Marx, wie sie ihn damals genannt haben, weil er immer mit der Roten Maofibel in der linken Hosentasche herum gelaufen ist, war ja nicht ganz so dämlich, trotz seiner dämlichen Philosophie. Mit ihm konnte Rocky wenigstens ein bisschen diskutieren. Sein Freund hat damals ja auch schon gedacht, dass man jegliches Gedankengebäude immer wieder neu überdenken, in Frage stellen müsse, auch wenn es für Einen noch so schön klingen mag. Aber Rockys so abwegige Gedanken waren ihm damals trotzdem nicht ganz geheuer. Heute denkt er teilweise ja schon ein wenig anders. Das konnte Rocky gerade feststellen.

Marx hat gerade eine Scheidung hinter sich, zieht Nachts viel rum, ist auf Ausschau nach der Richtigen, hat diesbezüglich aber keine allzu großen Illusionen mehr. Er meinte: “Der Feminismus wäre trotz seiner Wichtigkeit auch ein Schuss nach hinten gewesen, eine einzige politische Verallgemeinerung, eine Nivellierung nach unten, eine Egoisierung der Frau, wie bei allen anderen Ismen, die wir uns verinnerlicht haben, ja auch. Natürlich waren Ansätze okay, aber er (der Feminismus) wäre einfach zu weit gegangen. Durch die Eliminierung der altruistischen Elemente wäre er zu einem reinen Ich-Sucht-Phänomen verkommen. Er würde letztendlich das Beziehungsgefüge jeder Gesellschaft zerreißen. Und am Meisten würden wohl die Weiber selber und natürlich unsere Kinder darunter leiden ...., die zerfetzt es heute ja noch mehr als uns.“ und so weiter und so fort. Wir wollen das jetzt nicht weiter spinnen.

Er hat sich also in diesen Techno-Keller hinein verirrt. Alleine. Und er kam sich ziemlich alt und dämlich vor unter all der Jugend. Alle um mindestens dreißig Jahre jünger, bis auf ein paar Ausreißer, die halt immer noch dachten, sie wären um die zwanzig. Als Rocky diese Feststellung machte, musste Marx lachen, und meinte: “Bevor ich hier herein gekommen bin, habe ich das auch noch gedacht, haha.“

Er geht also ein paar Mal die mit Kids voll gestopfte Disco auf und ab, in der Hoffnung vielleicht doch irgendwo ein bekanntes Gesicht zu entdecken, .... , und peng. Und wen sieht er da, so geil angelehnt an der Bar, den Griffel, wie dazumal, geil in der Hand und zügig dahin schreibend? Na, leicht zu erraten, oder etwa nicht? Er sieht den alten Rocky, wen sonst? Oder schreibt sonst noch Jemand auf der Welt live an einer Techno-Bar stehend, besoffen und völlig kirre vom Leben? Also Rocky kennt sonst Keinen, und Keine schon gar nicht. (Entschuldigung! Aber ist ja wahr! Shit! Schade.) Dabei gibt es doch nichts Geileres für einen Dichter, als live zu schreiben. Keine Droge kann da geiler sein. Es ist fast so, wie als Musiker auf der Bühne stehen. Wie hat doch so ein alter Cafehaus-Suderant, den damals auch kein Mensch mochte, vor über hundert Jahren so überaus schön gesagt: “Wenn sie nicht zu dir kommen, ja, dann musst du halt zu ihnen gehen. .... Das wäre das Jesus-Element im Dichter-Sein.“ Das hat Rocky verdammt gut gefallen, als er es mit zwanzig Jahren zum ersten Mal gelesen hat.

Der Freund klopft Rocky von Hinten klatschend auf die Schulter, dass dem der Kuli über das ganze Blatt Papier verrutscht. Rocky flucht. Er dreht sich um: “Hey, ...... “ (spinnst du? wollte er schon sagen, da bleibt ihm die Spucke weg). “Hey, ... bist du nicht der .... der, ja, der Marx?“ “Ja, Mann, Rocky, dass es dich noch gibt? Ha, ... und den Griffel in der Hand, wie eh und je. Was machst du denn hier in dieser irren Hütte?“

“Na, was wohl? Du siehst es ja. Schreiben tu ich, ... immer noch live, wie eh und je. Und weil es bei uns Alten nicht viel Interessantes zum Schreiben gibt, die haben ja nur noch ihre so genannten wohl erworbenen Rechte, schau ich halt unseren Kindern ein wenig auf die Finger. Wenn das alle Eltern täten, wären die Kinder hier nicht so drogendeppendicht, dass selbst einem Haschplantagenbesitzer und angehenden Zeichenprofessor aus den frühen Siebzigern, wie dir, schlecht werden kann, wenn er das sieht, haha. Stimmt´s?“

“Hahaha, du bist noch immer der selbe Depp, wie damals, haha. Was machst du denn heute noch? Ich halte das hier nicht mehr aus. Mann o Mann, dass ich dich wieder einmal sehe. Wie lange ist´s her ...? Damals, ... als du ..., na ja, du weißt schon!?“

“Über zweiundzwanzig, ... am 10. September heuer waren es zweiundzwanzig Jährchen. Ja, ... Mann, wie die Zeit vergeht, was? Der 11. September 2001 war für mich ja wie eine Erlösung, so beschissen er auch für den Rest der Welt gewesen sein mag. Ha. Ich habe mich halb tot gelacht, als ich die Bilder sah. Und geweint habe ich natürlich auch. Aber irgendwie war es für mich, als wenn ein neues Zeitalter angefangen hätte, für mich, wie auch für unsere ganze Welt.“

Er wird auf einmal ernst. “Weißt du, ... uns hat das damals mit dir ja Allen so leid getan. Sogar der L und den komischen, weißblonden Sozialarbeiterinnen-Zwillingen, du weißt schon, die dich angespuckt haben und so. Ich weiß gar nicht mehr, wie die zwei geheißen haben. Aber wir nannten sie immer so. Und mir erst recht. Ich war ja dann auch nicht mehr lange dort, habe einen Job als Lehrer bekommen, und bin weiter weg übersiedelt. Ich lebe erst seit ein paar Monaten wieder in Linz.“

“Ach ja? Na ja, ... vergeben und vergessen. Hast du die S damals geheiratet?“

“Ja, .... leider. Kaum war das erste Kind, eines von dreien, da, spielte sie auf einmal auf Gleichberechtigung. Und von Kind zu Kind wurde es dann schlimmer. Sie war den ganzen Tag zu Hause bei den Kindern und ich ging jobben, und wenn ich dann am späten Nachmittag fertig nach Hause kam, war Gleichberechtigung angesagt, hehe, oder wie sie das so nannte. Du weißt schon, .... Geschirrabwaschen, Staubsaugen, Fenster putzen, .... mit den Kindern zu spielen, war wohl noch das Angenehmste. Und je älter ich wurde, desto geschlauchter war ich jeden Tag. Am Anfang habe ich ja noch selber daran geglaubt, haha, .... Heute weiß ich, welche Idioten wir damals Alle waren. Ehrlich, ich habe keine Illusionen mehr. Unsere scheiß Welt, die kann mich mal. Und die scheiß Weiber erst Recht. Wenn ich wieder eine finden sollte, halte ich meinen Kavalier zurück, darauf kannst du Gift nehmen. Du gibst denen den kleinen Finger, und die fressen gleich den ganzen Arm, und wenn du nicht rechtzeitig aufwachst, liegst du im Softerl-Sarg und darfst nur noch “Jawohl, Jawohl, Jawohl“ sagen. Und glaube mir, Rocky, echt, du kannst dir nicht vorstellen, was bei mir in den Klassen los ist. Da kocht eine Hölle.“

“Ach ja? Meinst du? Glaube mir, ich weiß, was du dir mit machst. Ich habe Augen und Ohren offen gehalten in den letzten Jahren.“

“Ne, weißt du nicht. Nur, weil du vorhin gerade die Drogenscheiße angesprochen hast unter der Jugend. Bei mir in den Klassen wird gedealt. Da kriegst du Alles, was dein Hirn zerfetzt. Ich habe vor ein paar Jahren mal versucht, Etwas dagegen zu unternehmen. Da hatte ich dann am nächsten Tag vier aufgestochene Reifen. Zwei Tage später das Selbe noch einmal. Ich habe die Jungs zur Rede gestellt. Sie haben Alles abgestritten. “Haben Sie einen Beweis?“ hat mich einer gefragt. Na, und am nächsten Tag war der Lack rund ums Auto zerkratzt. Ich habe dann aufgegeben, noch dazu wo ich dann auch beim Direktor nicht mehr gut angeschrieben war. Schließlich hatte seine Schule ja schlechte Schlagzeilen. Was nicht sein soll, das darf auch nicht sein, verstehst? Schweigen ist Gold, denken Alle. Scheiß Politiker. Das Gesindel lässt dich als Lehrer einfach im Stich, schließlich sind wir ja Gutmenschen. Wir dürfen die Bösen nicht anfassen.“

Das hat er Rocky aber schon auf dem Weg zu ihm nach Hause erzählt. Er wohnt irgendwo in einer der Seitenstraßen zur Stockhofstraße, Richtung altes Kino Colosseum. Jetzt ist da ja so ein Schicki-Micki-Tanzschuppen untergebracht. Rocky war noch nicht drinnen. Marx hat Rocky zu sich nach Hause eingeladen und der war einem Trätschchen mit ihm nach so langer Zeit nicht abgeneigt, und die Geschichte war nicht so wichtig, dass sie unbedingt sofort geschrieben werden musste, also ging Rocky mit. Sie haben dann bei einem guten Gläschen Weißwein oder mehr gesessen und über die alten Zeiten gequatscht, aber mehr wohl noch über die heutigen. Sie mussten dann irgendwann lachen, als sie beide so ziemlich gleichzeitig festgestellt hatten, dass sie Alte Suderanten waren, genau so diese Art von Typen, die sie damals Alle so gehasst haben. Sie waren sich da einer Meinung und fanden das irre geil. Ha, .... und scheißen. Und Schicksal. Oder oder? Na ja, Mann, Frau kann es sich aussuchen, ist wohl nicht so wichtig. Darauf haben sie dann angestoßen.

Rocky hat sich dann jedenfalls um gut viertel nach fünf Uhr früh auf den Weg Richtung Taxi-Stand gemacht. Er biegt in seine Gedanken verloren und nichts Böses ahnend um eine Ecke, und .... verdammt, wer steht da vor ihm auf dem Gehsteig? Drei üble Gestalten. Sie rochen wie ein alter, nasser Fetzen, wie völlig herunter gekommene Banditen aus dem völlig herunter gekommenen Rumänien und waren es wohl auch. Der Größere, so um die achtzehn, neunzehn Jahre herum, mimte den Boss. Rocky hatte sofort das Gefühl, als wäre er in eine Schulungsstunde von Räubern geplatzt, die gerade aus einer Verbrecherschule entlassen worden sind. Die zwei anderen, so um die siebzehn herum, standen gut zwei Meter dahinter und passten auf, damit sie ja nur Nichts übersahen, wie so Was ging. Der Größere hält ihm gleich ein gut zwanzig Zentimeter langes Messer vor die Gurgel, packt ihn mit der anderen Hand am Revers und krächzt: “Du Geld her! Du Geld geben .... und .... und Alles, oder ....?!“

“Okay, okay. Nur mit der Ruhe. Nur nicht nervös werden, Jungs. Okay? Ihr könnt mein Geld haben, ... ist sowieso nicht viel.“ Rocky greift vorsichtig nach hinten in seine Hosentasche, holt seine schon uralte, schon ein wenig zerfledderte Harley-Davidson-Geldbörse heraus, ein nostalgisch gehorteter Schatz von einem seiner USA-Aufenthalte, und reicht sie ihm rüber.

Der lässt mit seiner Linken die Jeansjacke los und greift danach, dabei senkt er die Rechte mit dem Messer leicht, es kratzt nicht mehr am Hals, und auch sein Arm ist nicht mehr so angespannt. Rocky merkt es, ... und da meldet sich auf einmal der schon fast vergessene Herr Dan in Karate aus dem Meer der Urinstinkte heraus und sagt zu Rocky: “Tu es! Jetzt!“

Und Rocky tut es. Seine Linke fegt in einem Halbkreis von Unten nach Innen gezogen hoch, das Messer zur Seite ... und sein rechter Fuß schnappt gezielt nach oben, die Fußbeuge wunderschön hinein gezirkelt zwischen die Beine. Der Bandit stand ja als Rechtsausleger verdammt blöd (für ihn selber) da, die Beine gut in Schulterbreite aus- und leicht hintereinander. Er klappte zusammen, während das Messer über die Straße flog, mit seiner Schnauze genau hinein in einen rechten Aufwärtshaken. Pingo. Den Arsch reißt es hoch, er fliegt hinten über und knallt mit dem Schädel voll auf den Asphalt. Doch durch Rocky schießt ein irrer Schmerz vom Handgelenk aus hoch bis zum geilsten Nerven seiner Schulter. Auuuhhh. Da sagte sein Herr Dan sofort: “Scheiße! Das war wohl doch nicht mehr so gut. Also ab und tschüss!“

Rocky sagt noch witzig zu den blöd schauenden Visagen der anderen zwei: “Tschüss!“ und zu sich selbst: “Vergiss die Geldbörse!“ Er dreht sich um und rennt Richtung Landstraße, volles Rohr. Nach zwei Seitenstraßen hört er noch immer keine Schritte hinter sich, biegt noch um die nächste Ecke und hält dann ein. Keuch, Keuch, Keuch. Er dreht sich um und blickt zurück. Keine Gangster in Sicht. Gott sei Dank. Der ganze rechte Arm - ein Meer voller Schmerzen. Auuuuu, Mann, ....

Mann o Mann, das war knapp. Schade um den schönen Fetzen von einer Geldbörse. Um den Inhalt? Na ja, ein Zwanziger, ein paar Zerquetschte. Die großen Scheine hat Rocky ja immer in der Hosentasche, wenn er sich unter viele Leute mischt. Ein paar Visitenkarten, nicht von ihm. Ein paar Zetteln mit Notizen für Gedichte, Geschichten, ... auch nicht wichtig, die kann er verschmerzen. Einen Ausweis hat er auch nie mit, wenn er nicht gerade mit dem Auto unterwegs ist. Wenn man ihn anhält, kann er ja sagen, den hätte er vergessen. Auuu, tut das weh. Scheiße. Rocky überlegt ein wenig, während er Richtung Taxistand geht, ob irgend etwas in der Geldbörse war, das sie zu ihm führen könnte. Ne, er glaubt, ... er hofft nicht. Dann muss er wieder lachen. Mann, haben die zwei Banditen blöd drein geschaut. So haben sie sich ihren ersten Raub wohl nicht vorgestellt. Geil. Megamegageil.

Rocky denkt: “Soll ich nicht doch lieber zum nächsten Wachzimmer gehen und eine Anzeige machen? Das wäre Mozartstraße, wenn mich nicht Alles täuscht? Oder Göthestraße. Ne, ... da waren mal welche, oder auch nicht. Die wurden, glaube ich, aufgelöst. Moderne Sparpolitik und so, eh schon wissen. Ach ja, beim Bahnhof, bei der Bezirkshauptmannschaft, dort ist eines. Das weiß ich mit Sicherheit.“ Also lenkt er seine Schritte am Taxistand auf der Blumau vorbei Richtung Wachzimmer.

Als er dort an kommt, mag er auf einmal nicht mehr. Scheiß drauf. Was würde schon dabei rauskommen? Nichts. Und wegen der paar Euros!? “Ne, vergiss es!“ sagte er zu sich. Wahrscheinlich werden die Drei sowieso nicht erwischt. Und wenn, dann wissen die, wer dieser Rocky ist und schicken ihm vielleicht ihre bereits ausgelernten Freunde vorbei, mit absoluter Sicherheit sogar. Ne, ... Rocky vergisst also seine Freunde und Helfer, die Bullen, und richtet seine Füße Richtung Taxistand beim Bahnhof.

Na klar. Eh schon kennen. Der Josi Prokopetz lässt schön grüßen: “I steh in da Köt´n und woart und woart und woart. Und wos kummt net? A Taxi.“ Nau super. Kein Taxi da. Da wird ihm auf einmal heiß. Scheißen. Er greift in seine Hosentasche. Scheißen. Superscheißen, aber wahr. Keine Mäuse da. Rocky fiel nämlich gerade ein, die hat er seinem kleinen Brüderchen geborgt, weil der nach Hause wollte, außerhalb von Linz - und das mit dem Taxi. Er wollte ja eigentlich bei Rocky schlafen, hatte daher nicht so viel Geld mit - also hat er Rocky angepumpt und der gab ihm den Fünfziger, weil er sich gedacht hat, dass er mit den Fünfundzwanzig gut über die Runden kommen würde. Rocky hatte ja nicht vor, noch mehr als zwei Bierchen zu trinken, der Rest hätte locker für das Taxi nach Hause gereicht.

Na ja, vielleicht nimmt ihn ein freundlicher Taxler trotzdem mit. Rocky wartet also, mindestens zehn Minuten. Sein Arm brennt. Da kommt endlich ein Grüner. Rocky öffnet die Türe, beugt sich rein, grüßt nett und schildert dem Taxler sein Problem. Der ist Kummer am Morgen gewöhnt und glaubt ihm nicht. “Ne, tut mir leid, außerdem, die paar Kilometer in die Neue Heimat, ne, und beim Bahnhof reiße ich meist was Besseres auf.“

Okay, der Typ ist ehrlich. Rocky tritt vom Wagen zurück, schließt die Türe so sanft, wie es sich gehört. Da kommt schon Jemand aus dem Bahnhof heraus, steigt ein und ab. Hinter ihm kommen noch weitere, es wird wohl gerade ein Zug angekommen sein. Okay, also wartet Rocky noch mal gute fünf Minuten. Wieder ein Grüner. Weil Rocky der Erste war, überlassen ihm die anderen den Wagen. Nett. Aber wetten, der Grüne wusste schon von Rocky. Er beugt sich in den Wagen hinein, will seine Geschichte erzählen, da sagt der Taxler sofort: “Nein, tut mir leid. Ich bin bestellt.“ Okay. Rocky will nicht diskutieren, sein Handgelenk, sein Arm, seine Schulter schmerzen mehr und mehr. Scheiße. Rocky haut also mit der Linken die Türe voll zu und vertschüsst sich. Rocky hört ihn noch laut schimpfen. Einer der hinter ihm gestanden ist, ist dann eingestiegen. Also mit Sicherheit nicht bestellt. Arschloch. Diese Welt wird heute von den Arschlöchern beherrscht. Wer hat sie bloß dazu gemacht? Etwa gar wir selber?

“Was soll ich machen? Na ja, ist ja wurscht. Soll ich vielleicht doch zurück zur Polizei gehen? Vielleicht bringen mich die ja freundlicherweise nach der Aufnahme der Anzeige nach Hause? Mit Sicherheit sogar. Sie sind ja schließlich auch meine Freunde und meine Helfer, man nennt sie ja nicht umsonst so. Aber: es ist inzwischen sechs Uhr. Die haben jetzt bald Schichtwechsel. Da kann ich bis um acht Uhr warten, bis Einer oder Eine für mich Zeit hat, ich kenne das. Ne, vergiss deine Freunde und Helfer, so gute Freunde sind wir schließlich auch wieder nicht, dass sie wegen mir länger Dienst machen würden, als unbedingt notwendig.

Also? Also was? Ich könnte ja zu meinem Freund zurück gehen. Vielleicht fährt der mich nach Hause? Ne, der hat einen ziemlichen Rausch. Aber er könnte mir dreizehn Euros borgen. Ne, mag ich auch nicht. Womöglich laufen mir die drei Rumänen oder was auch immer wieder über den Weg. Darauf stehe ich nicht - mit dem Arm!“

Also entschließt sich Rocky, zu Fuß nach Hause zu gehen. Schweren Herzens, das wird ein weiter Weg, aber er entschließt sich. Vielleicht schadet der Fußmarsch zur Abwechslung ja gar nicht? Er bewegt sich in letzter Zeit sowieso viel zu wenig.

“Ach, hätte ich doch das Handy mitgenommen. Vielleicht ist Miss Di ja schon zu Hause? Sie könnte mich abholen.“ Aber das Handy hat Rocky ja nie mit, wenn er Nachts unterwegs ist. Und shit, er weiß ja nicht einmal die Festnetz-Nummer auswendig, geschweige denn die Nummer von ihrem Handy. Die sind im Handy gespeichert. Super, das hilft. Früher, da waren oft zig Nummern in Rockys Schädeldecke eingeritzt. Aber seit er ein Handy hat ....? Mist!

Rocky überlegt. Welcher Weg ist wohl der kürzere? Der über die Union-Kreuzung oder der über die Westbahnbrücke? Dort vielleicht runter auf die Welser Straße, beide Wege gehen dann über das Wagner-Jauregg-Krankenhaus, den Bindermichl usw. Alle Linzer wissen, welch beschissene Umwege man für den Weg vom Bahnhof in die Neue Heimat als Fußgeher oder Radfahrer in Kauf nehmen muss, nur damit die schnellen Autofahrer noch schneller ans Ziel kommen. Seit heute weiß Rocky es auch. Verdammt!

Also Westbahnbrücke. Als er dort an kommt, kommt ihm ein frevlerischer Gedanke: “Was ist, wenn ich die Autobahn entlang gehe? Was kann schon Viel passieren? Falls meine Freunde und Helfer von der Polizei zufällig vorbei kommen, na ja, dann habe ich ja meine Geschichte. Ich bin ein Magister, arbeite in einem staatsnahen, allgemein sehr gut bekannten Unternehmen. Ich sehe auch nicht verwahrlost aus. Okay, ich habe keinen Ausweis mit. Aber ich bin ja gerade ausgeraubt worden. Vielleicht haben sie ja ein Einsehen und bringen mich sogar nach Hause. Und siehe da, wie zur Unterstützung der Idee gerufen, sehe ich, dass das Handgelenk und das Fleisch um den Daumen herum schon dick angeschwollen ist, ja, es zeigt sich beim trüben Morgenlicht schon ein zarter Stich von Blau oder wie immer man diese Farbe nennen kann, will.“ Also gilt es.

Außerdem bemerkte Rocky bald, am Straßenrand war genügend Platz, und die gut achthundert Meter bis zur Abzweigung Bindermichl sind schnell gelaufen. Er trabt also wieder los. Schon nach kurzer Zeit macht sich seine Bewegungslosigkeit des letzten Jahres und vor Allem wohl Herr Tschick “Van Nelle“ bemerkbar. Keuch, Keuch, Keuch. Und der Arm, den er mit der anderen fest an seinen Bauch presste, schmerzte. Auch das strengte an.

Bei der Autobahntankstelle an der Abfahrt verschnauft er erst einmal. Vielleicht sollte er den Tankwart fragen? Vielleicht borgt ihm der ....? Ne, vergiss es. Rocky hasst so eine Situation, die ihn so hilflos macht. “Verdammt! Vor zwanzig Jahren hätte ich diese drei total abgehalfterten, halb verhungerten Ostblock-Armutschkerl samt einer nach Hinten gebunden Hand zu Brei gedroschen, so wie sie es sich ja redlich verdient hätten, diese Arschlöcher. Verdammt! Und Nichts, wirklich Nichts hätte mir hinterher weh getan. Scheiße, tut das weh. Auuuuhhhh....“

Rocky überlegt, ob und wie er weiter gehen soll. Er hat diese Gesellschaft ja noch nie wirklich gebraucht, verdammt. Aber sie ihn auch nicht. Kann er ja verstehen. Rocky ist ja wirklich kein netter Zeitgenosse. Nichts passt ihm an seiner Zeit. Alles tut er kritisieren. Auf solche Dichter konnte noch jede Gesellschaft gut und auch gerne verzichten. Aber gegeben hat es diese arschlochartigen Rockys eigentlich immer, so oder so, hihi. Komisch. Oft entstanden sogar ganz neue Gesellschaften gerade wegen solcher Rockys. Ist das nicht immer wieder geil? So geil. Mann o Mann, so irre, irre geil!

Auf diese gar nicht mal so abwegige Idee hin vergisst Rocky fast die Schmerzen. Sein Gesicht verzieht sich für ein paar Minuten lang zu einem schmerzverzerrten Grinsen. Er schaut die Autobahn entlang. Kaum ein Auto drauf, oder besser noch, kein einziges ist weit und breit zu sehen, in beiden Richtungen nicht. Na ja, kein Wunder. Zwanzig vor Acht Uhr früh, und heute ist Sonntag. Also keine Chance auf einen Stopp. Aber was sehen da auf einmal seine Augen. Ihm geht ein Lichterl auf. Die lange Baustelle - dort wo sie zur Zeit die Unterführung bauen, weil die armen Anrainer trotz der jahrelangen Angewöhnung noch immer nicht schlafen können und dem Herrn Bürgermeister die Bürotüre andauernd eingerannt sind. Dafür dürfen sich die schnellen Autofahrer jetzt an gar nicht schnell wieder aufgelöste Staus freuen und vor Allem wohl gewöhnen. Haha, vergönnt sei es Ihnen. “Verdammt, ich habe glatt vergessen, dass ich ja normalerweise selber auch so ein Schneller bin.“

Rocky nimmt also die Abkürzung die Autobahn entlang und sudert dann eine Weile still vor sich hin. Am Meisten stinkt ihn an, dass er jetzt wahrscheinlich eine Zeit lang nicht schreiben kann. Na ja, er hat ja ein Diktaphon. Wäre ja nicht das erste Mal, dass er damit arbeitet.

Bei diesem Gedanken war er, wenn er sich recht erinnert, als er gerade unter der Radfahrbrücke, gut einen und einen halben Kilometer weiter, die über die Autobahn führte, durchmarschierte. Jetzt schon auf dem Pannenstreifen auf der Autobahnausfahrt Richtung Neue Heimat und St. Martin bei Traun. Also noch gut anderthalb Kilometer. Den Baustellenstreifen, in dessen trocken-harten Lastwagen-Reifenspuren man gut und vor Allem vor den Schnellen sicher marschieren konnte, geschützt durch einen neu errichteten, gut einen Meter hohen Betonwall, hatte er schon hinter sich gelassen. Rocky suderte weiter vor sich hin, hauptsächlich wohl, um die Schmerzen zu vergessen. Sein Daumen schillerte - zu einem unförmigen Klumpen angeschwollen - in einem einzigen und herrlichen Rot-Mal-Lila-Mal-Grün-Mal-Gelb-Mal-Blau.

“Scheiß Ausländer. Verdammt! Sie werden immer mehr. Und die meisten von ihnen halten sich einfach nicht an unser in Jahrhunderten verinnerlichtes Regelsystem. Ist ja das schon schlimm genug. Wenn nur nicht so viele von Ihnen auch noch Diebe, Räuber und noch viel Schlimmeres wären. Davon haben wir doch selber schon genug. Und jetzt kommen nächstes Jahr zehn so ehemalige Ostblockstaaten mitsamt ihren von jeglichem Eigentum enteignete Menschen zur EU dazu, die vor lauter schöner Eigentumsgeilheiten nur so strotzt, .... Mann o Mann, das wird dann eine Gaudi werden, das wird dann eine einzige und einzigartig geile Nehmt-Euch-doch-was-Ihr-braucht-und-wollt-Party, und weil wir ja brave Gutmenschen sind, werden wir denen das auch nicht verbieten können, oder besser gesagt, dürfen. Dafür werden unsere Obergutmenschen in ihrer abgehobenen Allheiligkeit schon sorgen. Wer nicht brav mittut, der ist ein Nazi. Pfui! Pfui! Pfui! Und zur Gewissensberuhigung bauen wir den erwischten Verbrechern jetzt in ihren Heimatländern EU-gerechte Eigenheime, sicher mit Fernseher, eine Duschkabine pro Person, Alles schön gefliest und völlig ohne die sonst gewohnten Ratten, und so weiter und so fort. Verdammt! Und all das von meinem sauer verdienten Geld. Ich will gar nicht daran denken. Das Ganze ist echt zum Kotzen.“

Und Rocky denkt weiter: “Bin ich deshalb jetzt schon ein Nazi, weil ich so denke?“ Und Buji, das Dichter-Ich in Rocky lacht und sagt Nichts, der Arsch. “Na ja, es stimmt ja. Ich bin schließlich Realist, ich war nie ein Träumer, ... zumindest nicht so einer. Ich stehe halt mehr auf Träume, die auch eine Chance auf Erfüllung haben. Da ist man hinterher nicht schwer frustriert, weil man als Totalversager endet, und muss hinterher nicht die Schuld dafür bei Anderen suchen. Aber diese Individual-Touristen meiner Zeit haben immer versucht, mir zu erklären, dass man nur dann weiter kommt, wenn man sich das Blaue vom Himmel herunter träumt. Aber bin ich deshalb gleich ein Nazi?

Und wo hat dieser Individual-Tourismus uns schließlich hingeführt? So weit ich sehen kann, in die Hölle des Reinen und Allen geheiligten Egoismus. Verdammt! Ich konnte es erleben. Kein einziger Autofahrer ist wegen mir stehen geblieben. Vielleicht hätte ich mich mitten auf die Autobahn legen sollen? Ne, da wäre dann mit höchster Wahrscheinlichkeit ein Besoffener angefahren gekommen. Der hätte gerülpst und dann gesagt: “Mann, da war doch ein Rumpler, oder bin ich etwa besoffen? Ja wahrscheinlich, hick, ja sogar schwer besoffen, hehe.“ Der Sauhund wäre wahrscheinlich einfach weiter gefahren und hätte sich morgen nicht mal was Schlechtes dabei gedacht, wenn er die Schlagzeile in der Zeitung gelesen hätte: “Betrunkener Unbekannter auf Autobahn zu Tode gerumpelt!““

Bbbrrr. Verdammt! Rocky friert, es schüttelt ihn schon gewaltig, als er gegen halb acht Uhr mit seinen letzten Kräften gegen die Haustüre torkelte. Er versucht mit der linken Hand aufzusperren. Ungeschickt. B-b-b-b-bbbrrr. Zitter-di-zitter. Miss Di ist zu Hause. Gott sei Dank. Ich wecke sie auf. Sie - total verschlafen, aber wie immer, kein bisschen mürrisch, eben seine Göttin Danae, seine Miss Di. So Was findet man nicht überall und alle Tage. Rocky weiß das. “Was ist denn mit dir los? Wahnsinn, du bibberst ja als ein ganzer.“ “B-b-b-bitte, lass mir ein B-b-b-bad ein. B-b-b-bitte, b-b-b-bitte schnell. I-i-ich erzähl es dir später.“ Und dann b-b-b-bbbrrrrt es ihn gewaltet.

Das brave Mädel fragt nicht lange und macht es. Rocky zittert sich ins Wohnzimmer. Es ist morgendlich kalt, noch nicht geheizt. Es ist ja ein wunderschöner letzter Septembersonntag. Er dreht die Heizung auf. Zur Landtags- und zur Gemeinderatswahl geht es heute auch. Aber die kann dem Rocky in seinem Zustand gestohlen bleiben, die lässt er dieses Mal aus. Er fetzt sich zitternd mit der Linken die Kleider vom Leib. Das T-Shirt zuerst. Er sieht seine rechte Schulter. Nichts. Man sieht Nichts. Also nur eine Prellung, Gott sei Dank. Vielleicht ist es auch nur der Nerv, der vom Daumen ausstrahlt? Wer weiß das schon? B-b-b-brrrhhh. Der ganze Arm ist ein Meer der Schmerzen. Und die Hand? Geil. Saugeil. Ein bunter Brei von einer Hand. Auch die Knochen von Zeige- und Mittelfinger sind nicht mehr erkennbar. Rocky hat dem Arschloch wohl mit dem Daumen und dem Knöchel des Zeigefingers das Nasenbein zertrümmert, er konnte es knacksen hören und auch fühlen. Er hat ihn wohl nicht richtig erwischt, mit dem Mittelhandknöchel wäre besser gewesen. Er wird halt schön langsam alt, verdammt. Vielleicht sollte er doch wieder sein Karatetraining aufnehmen, das er damals mit achtundzwanzig Jahren, wie viele andere schöne Dinge auch, aufgegeben hatte, weil er mit dem Jus-Studium angefangen hat? Zumindest sollte er wieder ein wenig mehr Sport betreiben. Er tut zur Zeit ja gar Nichts. Auch seinem kleinen Schätzchen da drin zu Liebe sollte er wieder mehr Bewegung machen!

Da rief Miss Di nach ihm: “Kannst schon kommen. Stell dich schon mal unter die warme Dusche!“ Er gehorcht, fetzt sich noch mit der Linken die Socken runter und bibbert sich ins Badezimmer. Der Dampf stand schon in der kleinen Kammer. Danae zog sich auch aus, lehnt sich an ihn an und fängt an, an ihm herum zu reiben. Als genug Wasser in der Wanne war, setzt er sich ganz hinein. Nach ein, zwei Minuten, als die Wanne immer voller wurde, hörte dann die Zitterei auf, von der ihm sogar Stunden später noch die Pumpe weh getan hat, so stark ist sie gewesen.

Miss Di hockte sich dann auf den Wannenrand, nachdem sie ihm zuvor noch schnell zwei Voltaren 100 mit einem Glas herrlich erfrischendem Linzer-Leitungswasser gebracht hat - mit absoluter Sicherheit das beste Stadtwasser auf der ganzen Welt - und rieb ihn dann weiter fest mit den Händen ab, und Rocky fing an, ihr von der Reise des alten Suderanten zu erzählen. Sie hatte bald großes Mitleid mit ihm, zog sich auch das Höschen noch aus und glitt vorsichtig zu ihm in die Badewanne.

Das Erzählen, das warme Wasser, Danaes Reiberei, die Katastrophe zuvor, ... und ihre Haut. Mann, was für eine Haut? Und auf einmal hatte Rocky einen Ständer. Sie lachten. “Den sollten wir nützen!“ meinte Miss Di. “Solche Spezialsituationen haben meist ihr gewisses Etwas.“ Das Luder lachte laut, den Ständer fest in ihrer Hand, während sie Rockys nasses Gesicht zerküsste. Rocky hatte auch Nichts dagegen, meinte nur: “Aber nicht hier, da kann ich mich nicht abstützen - mit der einen Hand.“ Sie lachten und standen auf, sie noch immer den Ständer fest in ihrer Hand, so in der Art, dass ihm ja nichts Dummes passiert, hihihi. Sie trocknete ihn vorsichtig ab und dann ging es ab in die Heia. Rocky legte sich vorsichtig auf den Rücken, den rechten Arm fixierte er auf dem Bauch. Sie fackelte nicht lange und schnappte sich das Ding und fing an sich langsam zu bewegen. Zuvor hatte sie uns noch mit beiden Steppdecken eingehüllt. Dazwischen lugte der schönste Körper dieser Welt heraus. Ihre Augen leuchteten. Und Rocky dankte Gott, dass er wieder zu Hause war und Alles trotz Allem doch irgendwie ganz gut ausgegangen ist. Um den alten Lederfetzen seiner Harley-Davidson-Geldbörse tat ihm natürlich leid. Aber nur ganz kurz, denn dann hat er diese scheiß Welt vergessen. Miss Di ist harley-mäßig auf ihm verbrummt.

Und jetzt liegt Rocky da, alleine. Ihm ist wohlig warm. Miss Di ist aufgestanden und tut Irgendwas, wahrscheinlich für die UNI lernen. Rocky kann nicht schlafen, weil die Hand pocht und pocht und pocht und er nicht recht weiß, wie er sich legen soll. Also erzählt er die Geschichte noch einmal, dieses Mal dem Diktaphon, das immer auf dem Nachtkästchen liegt. Mit der Linken geht das natürlich nicht so gut, aber es geht. Natürlich klingt die Geschichte nun ein wenig anders. Miss Di hat er ja vom Alten Suderanten noch nicht so viel erzählt, nur die Umrisse und so viel, dass Der den Rocky auf seine Art wieder einmal gut geführt hat, sein Buji. Wer weiß, wo Rocky ohne die Suderei gelandet wäre? Und vor Allem auch: Wer weiß, wann er sonst eingeschlafen wäre, schon so nach gut fünf Absätzen?

Den Rest der Geschichte haben Rocky und Buji dann ein paar Tage später im Smaragd geschrieben, als er den Kuli mit dem Daumen wieder einigermaßen halten konnte. Es war schwere Nötigung, die reine Selbst-Vergewaltigung, ehrlich, tat scheußlich weh, aber der Buji, dem ist Alles so wurscht, eh schon wissen. Dieser Buji scheißt einfach auf Alle und Jeden, und auf den armen Rocky sowieso. Aber es sei ihm verziehen. Rocky wüsste echt nicht, was er sonst den ganzen langen Tag lang machen sollte. Etwa Fernsehen? Ne. Mit Buji ist dem Rocky noch nie fad gewesen. Rocky hätte sonst ja Niemanden zu Reden.

Und was so nach und nach zum Aller-Aller-Geilsten an der Sache wurde? Rocky konnte den zerplatzten Hodensack von diesem Arschloch noch immer in der Beuge seines Fußes spüren. Den Hodensack hat er besser erwischt, als die Nase, so richtig schön satt das rechte Bein seinen linken Oberschenkel hoch und den Fuß dann im letzten Moment oben am Berührungspunkt gegen seinen rechten Schenkelansatzpunkt nach innen gekickt, den Hodensack mit inbegriffen. Maßarbeit, wie in seinen besten Zeiten.

Rocky ist ja so stolz auf sich. Und Buji ausnahmsweise einmal auch, denn der steht auf so schöne Live-Geschichten. Was Rocky aber trotzdem ein wenig unsicher macht? Er hat ja schon ewig nicht mehr gerauft. Ist ein irres Gefühl. Das Adrenalin explodiert in deinem Körper. Rockys Fuß ist ganz aufgewühlt, so geil. Er spricht dauernd mit Rocky, er ist total euphorisch. Dauernd sagt er zu Rocky, dass er doch irgendein Arschloch anstänkern soll. Rocky soll doch bitte wieder einmal raufen. Er, der Fuß, möchte schon wieder irgendeinem Arschloch zwischen die Beine treten. Geil. Das wäre so geil gewesen. Und dieser Arsch von einem Buji meint auch, dass er das einmal live mitschreiben möchte. Echt, die zwei spinnen schon total. Und was ist, wenn ich, der Rocky, dabei verdroschen werde. Das ist denen völlig wurscht. Das stell man sich nur vor. Hauptsache ein Hoden platzt und es springt eine schöne Geschichte dabei heraus. Echt irre, was?

Ja, und dass ich es nicht vergesse. Rocky ist ja ein braver Demokrat. Obwohl Rocky manche der alten Gedankengebäude nicht leiden kann, ist er trotz der Schmerzen dann am späten Nachmittag noch wählen gegangen. Das Wahlrecht gehört da nämlich nicht dazu. Dafür mussten schon viel zu viele Menschen ihre Gesundheit lassen oder sogar sterben.

© Copyright by Lothar Krist (29.9.2003; fertig geschrieben am 4.2.2004)

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Lothar Krist).
Der Beitrag wurde von Lothar Krist auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.02.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Lothar Krist als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Dickdorf von Elvira Grünert



Das Buch enthält sieben teils besinnliche, teils lustige Geschichten, über die Tücken der Technik, über die Arbeit auf einem Fluss-Schiff, übers Gedankenlesen und die deutsche Ordnung.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Wie das Leben so spielt" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Lothar Krist

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Rocky: 48 : 1 von Lothar Krist (Gesellschaftskritisches)
Regen in Posen von Rainer Tiemann (Wie das Leben so spielt)
ES GIBT DOCH NICHTS, WAS ES NICHT GIBT von Christine Wolny (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen