Monika Drake

Amanda

Nach Feierabend passiert es oft, daß man bei der Heimfahrt von der Berliner S-Bahn in den Schlaf gewiegt wird - genauso auch mir an diesem Nachmittag nach einem hektischen Arbeitstag. Ich saß am rechten Fensterplatz in Fahrtrichtung. Zum Glück fahre ich immer bis zur Endhaltestelle; somit scheidet die Angst aus, meine Haltestelle zu verschlafen. Dort angekommen, werde ich dann entweder durch die entsprechende Lautsprecheransage oder durch einen netten Fahrgast geweckt. Doch meistens wache ich bereits einige Haltestellen früher auf, so auch heute. Bevor ich meine Augen richtig öffnete, drehte ich meinen Kopf nach links, um besser erkennen zu können, an welchem Bahnhof sich die S-Bahn gerade befindet.
Aber diesmal erblickte ich keinen Bahnhof, sondern schaute statt dessen ganz nahe auf eine spitze, zuckende Schnauze und lange Barthaaren in Schulterhöhe. Vor Schreck schloß ich meine Augen instinktiv schnell wieder und glaubte, es wäre nur ein Alptraum. Ich wagte jedoch nicht, meine Kopfstellung zu verändern. Als ich dann langsam meine Augen wieder öffnete, war der Alptraum aber noch da.
Ich ließ meinen Blick schweifen, um die Situation zu erfassen: neben mir saß ein junger Mann, der in seiner Lektüre vertieft war. Zur Hälfte auf seiner rechten und auf meiner linken Schulter saß still eine ziemlich große, graue Ratte !!!
Sie schaute mich unentwegt an.
'Ob sie wohl gerade überlegt, wie gut meine Nase schmecken würde?' dachte ich und wagte es nicht, mich zu rühren ...
In diesem Augenblick rief der junge Mann: "Amanda, los - komm wieder rüber zu mir!"
Amanda folgte sofort dem Ruf ihres Herrn und Meisters, drehte sich schnell herum, um auf seine linke Schulter zu laufen und peitschte mir dabei ihren langen, nackten Schwanz um den Hals!
Ein lauter Schrei formte sich in meiner Kehle, fand aber nicht den Weg hinaus. Ich hatte das Gefühl, daran zu ersticken ...
Doch dann sah ich im Blickwinkel auf die junge Frau, die mir gegenüber saß. Anscheinend muss wohl mein Gesichtsausdruck bei der Schwanzattacke der Ratte zu komisch gewesen sein, denn sie bemühte sich so krampfhaft, nicht zu lachen, dass sie dabei selbst sehr komisch aussah. Das tat seine Wirkung... ich beruhigte mich langsam wieder, meine Gesichtszüge entspannten sich. Nun schaffte ich es, meine Angst zu überwinden und den Kopf geradeaus zu ihr zu drehen. In diesem Moment stand der junge Mann auf, immer noch mit Amanda auf der Schulter, um auszusteigen. Die anderen Fahrgäste wichen vor ihm zurück.
Jetzt konnte sich die Frau nicht mehr beherrschen und lachte lauthals los. Anfangs nur mit einem Grinsen, stimmte ich allmählich in ihr befreiendes Lachen ein.

Ja, ja - lachen sie ruhig mit, meine Damen und Herren Leser, doch vielleicht schauen auch sie einmal auf die Schnauze von Amanda, wenn sie in der S-Bahn aufwachen - und sie ist dann gerade sehr hungrig. Also seien Sie auf der Hut!

Aus meinem Manuskript zum Buch "Berliner Geschichten" - und ist mir wirklich genauso passiert *g*!Monika Drake, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.02.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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