Pierre-André Hentzien

Höllenfeuer I ©

aus der Trilogie „Höllenfeuer“

David Norton schlug den Kragen seines Mantels hoch, als er auf die dunkle Straße hinaus trat.
Der Wind peitschte den Regen über den Asphalt und unter der Wucht von, zu weilen auftretenden, Sturmböen knarrten und ächzten die Bäume, welche die breite Allee säumten.
Leicht taumelnd überquerte David die Fahrbahn um sich auf den Heimweg zu machen.
Er hatte ein bißchen zu viel getrunken und deshalb ließ er seinen dunkelblauen Bentley am Straßenrand stehen.
Unter einem Quietschen, das ihm eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ, öffnete sich das schmiedeeiserne Gittertor des Zentralfriedhofes, und Norton betrat die Ruhestätte der Toten.
Nur wenige Lichter beleuchteten die Hauptwege.

David war etwa zehn Minuten gegangen, als er den Rand eines großen Rondells erreicht.
In der Mitte konnte er, im Zwielicht der Laternen, einen Brunnen aus schwarzem Granit erkennen, der mit der Figur des Erzengels Grabiel verziert war.
Das Geräusch des knirschenden Kieses unter seinen Füßen vermischte sich mit dem Tosen des Windes und den Regentropfen, die prasselnd auf die Gruften schlugen.
„Wenn ich auf den Hauptwegen bleibe, dann muß ich einen riesigen Umweg machen“, sagte Norton zu sich selbst, und so beschloß er eine andere Route zu wählen, die ihn quer über den Friedhof führte.
Wie in Trance durchschritt er die Reihen der Gräber, die im schwachen Dämmerlicht einiger Grabkerzen wie ein unfertiges Mosaik wirkten.
Der Regen ließ etwas nach und David verlangsamte seine Geschwindigkeit - wozu sollte er sich so beeilen?
Jeder Schritt den er tat ließ das Regenwasser aus dem dichten Moosbewuchs quellen und verursachte Geräusche, die wohl denen ähneln die man verursacht, wenn man über eine Moorlandschaft stapfte.
Der Weg wurde zusehends schmaler und schon glaubte Norton sich in einem Alptraum wieder zu finden.
Es waren erst einige Minuten verstrichen in denen er keine Lichtquelle mehr erblickt hatte, aber ihm kam diese kurze Zeitspanne wie eine Ewigkeit vor.
Dann endlich sah er in einiger Entfernung ein einzelnes, vom heftigen Wind, stark flackerndes Licht, das im wie eine Oase in einer nicht enden wollenden Wüste erschien.
Er steuerte direkt auf dieses, voll Hoffnung steckende, Licht zu und als er den Grabstein erreichte, vor dem diese einsame Kerze stand, da konnte er nicht umhin die Worte, die im Stein eingemeißelt waren, zu lesen.
So nahm er das Totenlicht in die Hand und las die, von Wind, Eis und Regen, verwitterte Inschrift:

Hier ruhen die sterblichen Überreste von Frederic de Sanjauque
*14.01.1723 +24.12.1776
Möge Gott seiner Seele gnädig sein

Kaum hatte er die steinernen Lettern zu ende gelesen, da fuhr eine skelettierte Hand aus dem Grab und zog in mit sich in die undurchdringliche Schwärze der Friedhofserde.
David Norton schrie, daß es einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Doch es gab niemand der ihn hätte hören können.
So sehr er sich auch wehrte, die Hand zeigte keine Anzeichen von Schwäche und zog in mit eisernem Griff immer schneller in die Tiefe.
Schließlich prallte David mit dem Kopf auf hartem Grund und verlor das Bewußtsein.
Nach einiger Zeit regte er sich wieder und begann seine Umgebung zu ertasten.
Einige Minuten verstrichen bis David wieder klar denken konnte, und als er sein Sturmfeuerzeug entzündete fand er sich auf dem Boden, eines modrig riechenden Gruftgewölbes wieder.
An der Stirnseite des Gewölbes konnte er mehrere Gänge entdecken, die in verschiedene Richtungen Abzweigten.
Eine Weg zurück an die Erdoberfläche schien es nicht zu geben und so entschloß sich Norton nach anfänglichem Zögern dazu einen der Weg zu erkunden.

Noch immer schlotterten ihm die Knie, aber er zwang sich zur Beherrschung.

Die lichte Höhe des Ganges mochte wohl 1,80 Meter betragen, so daß David gerade aufrecht gehen konnte.
Im Abstand von jeweils 10 Metern zeigten sich Ausbuchtungen, in denen Halterungen für Fackel in das harte Gestein eingelassen waren.
David war vielleicht 75 Meter gegangen sein, als er ein weiteres, kreisrundes Gewölbe betrat, in dessen Mitte eine große Feuerstelle angelegt war.
Noch immer war der Geruch vom Rauch des Feuers vergangener Jahrhunderte zu erahnen.
An den Wänden waren die selben eisernen Halterungen angebracht, wie David sie schon im Gang bemerkt hatte, doch hier waren diese Vorrichtungen noch immer mit Fackeln bestückt.
Er zögerte einen Moment, den er dachte an versteckte Fallen, an unheimliche Ereignisse, die seine nächsten Schritte vielleicht nach sich ziehen konnten, doch schnell hatte er alle Bedenken bei Seite geschoben und eine der Fackeln aus ihrer Halterung genommen.
Gerade er als er sie entzündete hörte er ein merkwürdiges Knirschen und Rasseln, daß direkt von vorne zu kommen schien.
Zu spät sah er, wie sich schwere Gitter vor den Gängen senkten, die ihm jeden Weg versperrten.
Nur ein Gitter verharrte in seiner Stellung und David blieb keine andere Wahl als diesem Weg zu folgen, obwohl er sicher war, daß weitere teuflische Fallen auf ihn warteten.
Die Fackel vor sich halten tastete er sich Schritt für Schritt vorwärts, während er mit der freien Hand versuchte Kontakt mit der rechten Wand zu halten.
Der Grabgang verbreiterte sich und David konnte an den Wänden stehende Skelette erkennen, die alle samt in altertümliche Rüstungen gekleidet waren.
Einige stützten sich auf rostige Schwerter, während andere ihr knochigen Finger um Speere und Lanzen schlangen.
Unvermittelt stoppte Norton, denn er glaubte in der Ferne eine Stimme zu hören.
Angestrengt lauschte er und tatsächlich vernahm er das leise Wimmern einer Kinderstimme...

Fortsetzung folgt...

©Copyright 27.01.1994 Pierre-André Hentzien. Alle Rechte vorbehalten! Verwendung des Textes, auch Auszugweise, nur mit schriftlicher Zustimmung des Autoren!
PAHPub© 01702965039 „Höllenfeuer“ Teil 1

Man verschone mich bitte mit Benotungen, ohne eine entsprechende Kritik abzugeben (egal ob positiv oder negativ!).
Ich finde es feige eine 6 zu vergeben, nur weil man einer persönlichen Abneigung zuspricht, aber nicht den "Arsch in der Hose hat", derlei auch kurz zu begründen!
Und für all jene, die dies' dennoch so handhaben: Arm, wer ein Gesicht hat, das der Courage nicht erlaubt sich zu zeigen!
Pierre-André Hentzien, Anmerkung zur Geschichte

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